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Zu Recht ausgezeichnet: Hafer, die Arzneipflanze des Jahres 2017

Kommentar schreiben Aktualisiert am 08. März 2017

Hätten Sie gedacht, dass es sich bei der Arzneipflanze des Jahres 2017 ausgerechnet um ein Getreide handeln würde? Wahrscheinlich nicht. Die meisten von uns kennen Hafer als Bestandteil von Lebensmitteln, z.B. von Haferflocken, Hafermilch oder Hafermehl. Bekannt sind vor allem die leckeren Haferflocken, die auf sehr unterschiedliche Art für den Verzehr zubereitet werden können, leicht und bekömmlich sowie reich an verschiedenen wichtigen Vitaminen sind. Doch dass Hafer auch ein fantastisches Heilmittel ist, wissen viele nicht. Zwar ist Hafer für seine vielfältige Nutzbarkeit zumindest in medizinischen Kreisen schon seit dem Altertum bekannt – doch erst in jüngerer Zeit dringt nach und nach an die Öffentlichkeit, wie viel Gutes der Hafer dem Menschen und seiner Gesundheit tatsächlich liefern kann.

Deshalb ist Hafer Arzneipflanze des Jahres

Für die Wahl der Arzneipflanze des Jahres 2017 ist seit 1999 der interdisziplinäre „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ am Institut für Geschichte der Universität Würzburg zuständig. Mit der Auszeichnung des Avena sativa (deutsch Saat-Hafer oder Echter Hafer) kürten die Studienkreis-Mitglieder in diesem Jahr zum ersten Mal eine Pflanze, die nicht nur, aber in besonderem Maße ihre hohe Wirksamkeit auf der Haut entfaltet. Für die Experten war es höchste Zeit, endlich einmal ein Haut-Heilmittel wie den Hafer zu ehren. Denn bisher spielte der Bereich der Dermatologie bei der Wahl der Arzneipflanzen des Jahres noch keine Rolle. Zu der hohen Ehrung kam der Hafer aber nicht nur deshalb: Die Pflanze besitzt außerdem einen hohen Nährwert und einen voll-runden Geschmack, ist damit unabdingbar für eine ausgewogene und gesunde Ernährung und inzwischen bei vielen Feinschmeckern ausgesprochen beliebt. Letzteres hätten manche nicht erwartet, denn beim guten alten Haferschleim hat schon so mancher bei der bloßen Erwähnung ein langes Gesicht gezogen. Inzwischen ist der nahrhafte Brei jedoch als kultiger „Porridge“ von vielen Frühstücksbuffets nicht mehr wegzudenken! Und damit noch immer nicht genug: Hafer ist auch bekannt für seine Heilwirkung auf Magen-Darm-Beschwerden und -Erkrankungen und  hat sich bei der Behandlung von Arteriosklerose und Typ-2-Diabetes bewährt. Mehrere Wissenschaftler gehen davon aus, dass das vielseitige Getreide künftig sogar eine bedeutende Rolle bei der Krebsbehandlung übernehmen könnte, was jedoch durch Studien erst noch weiter belegt werden muss.

Hafer – was ist das eigentlich?

Hafer gehört – ebenso wie Weizen, Roggen, Gerste und Dinkel – zur Familie der Süßgräser (Poaceae) und umfasst als Gattung rund 25 Arten. Als Nahrungs- und Heilmittel dient jedoch ausschließlich der Saat-Hafer (Avena sativa). Er hat – im Gegensatz zu seinen Verwandten – eine Besonderheit, nämlich bildet er seine Körner nicht in Ähren aus, sondern in verzweigten Rispen. Das bedeutet, dass die Haferpflanze bei der Ernte mehr Mühe macht und weniger Ertrag liefert. Auch bei der Verarbeitung verlangt Avena sativa einen Extra-Aufwand, denn bevor die Körner gewonnen werden können, müssen sie in einem gesonderten Mahlgang erst einmal von den sie umschließenden Spelzen befreit werden. In einer Hinsicht ist der Hafer allerdings einfacher als manch andere Pflanze: Er lässt sich fast überall anbauen, da er ein zähes Gewächs ist und auf trockenen wie auch auf häufig beregneten Böden prächtig gedeiht.

Vielseitiges Heilgetreide – von Jahrhundert-Experten empfohlen

Hafer wurde schon von den alten Römern wegen seiner nährenden und heilsamen Eigenschaften geschätzt: Sie nutzten das Korn zum Essen, das Stroh als Badezusatz gegen rheumatische Schmerzen und das Hafermehl zur reinigenden Behandlung vieler Hautkrankheiten, etwa Geschwüren oder Fisteln. In der ältesten erhaltenen Arzneimittellehre Europas aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., der „Materia medica“, taucht Hafer als Mittel gegen Erkältungs- und Darmleiden auf. Später war es vor allem Hildegard von Bingen (1098–1179), die sich in der Klostermedizin für den Hafer begeisterte: Wärmend, schmackhaft, aromatisch und gesund sei das Getreide, es sorge für „einen frohen Sinn, einen hellen und klaren Verstand“ sowie eine „gute Farbe und gesundes Fleisch“. Im Mittelalter und der Neuzeit fand der Hafer als Nahrungs- und Heilmittel weitere namhafte Anhänger, so rühmt ihn etwa Paracelsus im 16. Jahrhundert, gegen Mitte des 17. Jahrhunderts behandelte der bis heute bekannte britische Arzt Nicholas Culpeper (1616–1654) seine Patienten mit Haferbreiumschlägen u.a. gegen Hautausschläge und wendete warme Haferkörner, in einem „Säcklein“ auf den Bauch gelegt, gegen Koliken und Unterleibsschmerzen von Frauen an. Auch Sebastian Kneipp, einer der bekanntesten Väter der Naturheilkunde, empfahl bereits im 19. Jahrhundert Haferschleim bei Atemwegs- und Magen-Darm-Beschwerden sowie Bäder und Tee aus Haferstroh gegen Nierenleiden und Gicht. In der Medizin des 20. Jahrhunderts wird die medizinische Bedeutung des Hafers dann erweitert: Die Wissenschaft hebt die Wirksamkeit von Hafer bei Durchfällen, Brust- und Halsleiden sowie bei vielfältigen nervösen Beschwerden und Erkrankungen der Haut mehr und mehr hervor. Vor allem aus der Dermatologie ist Hafer heute kaum noch wegzudenken. Unterschiedlichste Studien haben immer wieder die hautberuhigende und feuchtigkeitsspendende Wirkung von Hafer belegt. Hafer bindet Wasser in der Haut, hemmt Entzündungen, lindert Juckreiz und ist daher als therapeutisches Mittel bei trockener Haut, dem atopischen Ekzem (Neurodermitis) und verschiedenen Hautentzündungen weit verbreitet und bewährt. Deshalb enthalten inzwischen auch viele Hautpflegemittel Hafer.

Von Korn bis Kraut: So viel Gutes steckt im Hafer

Hafer liefert insgesamt ganze drei verschiedene Heilmittel: das Haferstroh (Stramentum avenae), das Kraut (Herba avenae) und die Frucht bzw. das Korn (Fructus avenae), aus dem Haferkleie und -mehl gewonnen werden. Das Kraut wurde über Jahrhunderte hinweg als medizinisch wirksamer Bestandteil des Hafers eher vernachlässigt, gewinnt aber in der modernen Medizin immer mehr an Bedeutung.

Unschlagbar als Badezusatz: Haferstroh

Das Stroh stammt aus den Laubblättern und Stängeln des Hafers und wird kurz vor der Blüte geerntet. Man nutzt es vor allem als Badezusatz, um die Heilung von Verletzungen zu fördern und juckender, schuppender, zu Ekzemen neigender Haut Erleichterung zu verschaffen. Für diese wohltuenden Effekte ist vor allem der hohe Gehalt an Kieselsäure im Haferstroh verantwortlich. Kieselsäure ist die Verbindung von Silicium mit Sauerstoff und Wasser und besitzt, äußerlich angewendet, eine entzündungshemmende, juckreizlindernde und wundheilende Wirkung. Im Kontakt mit Haferstroh ziehen sich geschädigte Hautstellen zusammen, dadurch wird den Erregern der Entzündungen der Nährboden entzogen. Außerdem ist die Kieselsäure im Zusammenwirken mit den ebenfalls im Haferstroh enthaltenen Saponinen (das sind bestimmte Pflanzenstoffe, die, im Wasser gelöst, einen seifenartigen Schaum ergeben und gut belegte Heilwirkungen auf die Haut besitzen) eine sehr wirksame Waffe gegen durch Hautpilze ausgelöste Infektionen.

Gegen vieles ist ein Haferkraut gewachsen!

Um das Kraut zu gewinnen, trennt man den Hafer von seiner Blüte. Das Kraut ist besonders reich an wichtigen Inhaltsstoffen: Der Gehalt an Kalium, Kalzium, Magnesium, Phosphor, Eisen, Zink und Kupfer im Kraut ist vier bis fünf Mal so hoch wie deren Gehalt im Korn. Wertvoll wird das Kraut auch durch die darin enthaltenen Flavonoide und Saponine. Flavonoiden werden gute entzündungshemmende Eigenschaften und den Saponinen u.a. eine positive Wirkung auf die Immunabwehr zugeschrieben. Haferkrautextrakte kommen insbesondere bei trockener und atopischer Haut mit Rötungen, Schuppenbildung und nässenden Ekzemen zum Einsatz. Hautpflegemittel mit Haferkraut sind auch für Allergiker besonders gut geeignet, daneben können sie auch zur Wundbehandlung, auf besonders empfindlicher Haut (z.B. Baby- oder Altershaut) und zur begleitenden Therapie von Rosacea und Schuppenflechte angewendet werden. In Arzneimitteln nutzt man die positiven Wirkungen des Haferkrautextrakts auch zur Behandlung von nervösen Beschwerden, gegen Stress und zur Konzentrationssteigerung, hier ist die Wirksamkeit jedoch noch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt.

Ein echter Allrounder: das Haferkorn!

Das Korn bzw. die Frucht des Hafers gilt geradezu als „Alleskönner“ unter den Getreiden. Man schätzt schon allein seine hohen Anteile an den Vitaminen B1, B6, an Biotin, Eisen, Zink und Magnesium. Wertvoll ist der Hafer auch durch seine Ballaststoffe, von denen besonders die sogenannten Beta-Glucane erwähnenswert sind. Sie fördern das Sättigungsgefühl und reduzieren den Cholesterolspiegel, sodass Haferkorn auch Typ-2-Diabetikern sehr zugute kommen kann. Denn erwiesenermaßen verzögert sich nach dem Verzehr von Haferprodukten der Anstieg des Blutzuckerspiegels – im Gegensatz zum Effekt, der nach dem Verzehr von anderen Kohlenhydraten auftritt. Zusätzlich verhindert ein bestimmtes Antioxidans im Hafer vor allem die Oxidation des „bösen“ LDL-Cholesterins, das für die gefürchteten Ablagerungen in den Gefäßen und damit für Arterienverkalkung verantwortlich ist. Wie sich außerdem gezeigt hat, stimulieren und regulieren die Beta-Glucane auch die Verdauungsfunktion und sind in der Lage, die Darmwand zu schützen sowie einen empfindlichen Magen zu beruhigen. Diskutiert wird derzeit noch, ob Personen, die unter Zöliakie leiden, häufiger zu Haferkorn-Produkten greifen sollten. Bei Zöliakie entzündet sich die Darmschleimhaut, sobald Gluten verzehrt wird, weshalb Betroffene komplett auf glutenhaltige Lebensmittel verzichten müssen. Gluten besteht u.a. aus Prolamin und Glutelin. Das krankheitsauslösende Prolamin ist in Hafer nur zu einem geringen Anteil enthalten, etwa so wie bei Hirse, Reis und Mais, die als glutenfreie Körner gelten. Studien mit Zöliakiepatienten haben gezeigt, dass Hafer gut vertragen wurde, allerdings nur, wenn es sich um naturbelassenen und nicht mit glutenhaltigem Getreide verunreinigten Hafer handelte. Zu diesem Thema wird derzeit noch umfassend geforscht.

Fazit: Hafer ist ein näheres Kennenlernen wert!

Es lohnt sich ganz bestimmt, den Hafer, dieses außergewöhnliche Getreide, näher kennenzulernen bzw. sich wieder einmal genauer mit ihm zu befassen. Es genügt ja schon, einmal wieder – oder vielleicht auch zum ersten Mal – etwas so Nahrhaftes und Leckeres wie Haferflocken oder auch ein Porridge auf den Tisch zu bringen. Der früher unter dem unschönen (und nicht ganz zutreffenden) Namen „Haferschleim“ bekannte Porridge lässt sich übrigens sehr einfach zubereiten: Hafer: Die Arzneipflanze des Jahres 2017 | apomio Gesundheitsblog

Seien Sie versichert: So ein frischer Porridge ist nicht nur eine besonders leckere, gesunde und kräftigende Mahlzeit, sondern kann auch – wenn´s mal nötig wird – ein wohlig-warmer Seelentröster sein …!

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Helga Boschitz
Autor: Helga Boschitz

Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.

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