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Schule-Spezial: Schulstart = ADHS-Zeit.

Kommentar schreiben Aktualisiert am 12. August 2015

Zappelphilipp und rote Zora. Die Schreckgespenster für Eltern und Lehrer? Nicht nur. Denn einen Schuss ADHS kann unsere Gesellschaft gut gebrauchen. Sprengt es doch die Grenzen und eröffnet neue Horizonte. Auch Bill Gates, der Begründer von Microsoft, soll ADHS haben. Leidvoll und schwierig wird es erst im Übermaß. Dann können Schule, Beruf und Alltag nicht mehr bewältigt werden. Ständige Misserfolge und sozialer Ausschluss zeigen die Seite eines krankhaften ADHS. Hier die wichtigsten Fakten zu Krankheitsbild, Ursachen, Diagnose und Therapie. Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom oder einfacher Zappelphilipp-Syndrom wird nach Meinung von Experten viel zu oft diagnostiziert. Nicht jeder energiegeladene Wildfang, der sich nicht schnell genug an das Stillsitzen gewöhnt und zu einem ordentlichen Schüler domestizieren lässt, hat ADHS. Was gut und schlecht gewertet wird, hängt außerdem vom Gesellschaftssystem ab. Die deutschen Tugenden Disziplin, Effektivität und Pünktlichkeit sind wertvoll, aber nicht immer kindergerecht. Dennoch kommt an diesen Spaßbremsen kein Kind vorbei, wenn es einen Schulabschluss erlangen und später im Berufsleben bestehen will. Wenn das Pendel zu weit in Richtung Unruhe und Getriebenheit ausschlägt, muss mit professioneller Hilfe ein Gleichgewicht zwischen originellem Anderssein und Bewältigen des Kinderalltags hergestellt werden.

Die drei Hauptsymptome

Die Hauptsymptome sind beeinträchtigte Aufmerksamkeit, überschießende Impulsivität und extreme Unruhe. Die Kinder stören in der Schule und fallen ständig aus dem Rahmen. Sie lassen sich schlecht in eine Gruppe integrieren, sind unberechenbar aggressiv und widersetzen sich konsequent Regeln und Autoritäten. Oft werden sie entsprechend gemieden und haben keine Freunde. ADHS-Persönlichkeiten sind emotional sehr dünnhäutig und schnell verletzt, was sich in inadäquaten Wutausbrüchen und Weinkrämpfen äußern kann.

ADS – die Traumsuse

Neben dieser bekannten Form gibt es noch das ADS-Syndrom, also ADHS ohne Hyperaktivität. Diese ruhige Variante tritt mehr bei Mädchen auf. Sie sind verträumt, ziehen sich in ihre eigene Welt zurück und laufen als „Anna guck in die Luft“ durchs Leben. Da sie unauffälliger sind, wird ADS oft übersehen und viel zu spät oder gar nicht diagnostiziert.

Positive Seiten von ADHS?

ADHS-Persönlichkeiten werden künstlerische Kreativität, Ideenreichtum, Begeisterungsfähigkeit, Hilfsbereitschaft und Gerechtigkeitssinn zugeschrieben. Sie verfügen über viel Innovationskraft, Witz, Schlagfertigkeit und Phantasie.

Ursachen von ADHS

Gene Zu 70 Prozent geht man von einer genetischen Veranlagung aus. Das heißt in über zwei Dritteln der Fälle leiden auch die Eltern, Geschwister oder andere Verwandte schon an der psychischen Störung.

Veränderte Biochemie im Gehirn ADHS geht mit einem Mangel an Botenstoffen im Gehirn, besonders von Dopamin und Noradrenalin einher. Beide sind wichtig für Aufmerksamkeit, Antrieb und Motivation. Der Informationsfluss zwischen den Gehirnzellen ist deshalb eingeschränkt.

Umwelteinflüsse Umweltgifte, Nahrungsmittelzusatzstoffe (Farbstoffe, Konservierungsmittel) und Nahrungsmittelallergien können ADHS auslösen oder verstärken. Bewegungsmangel und übermäßiger Fernseh- und Computerkonsum erhöhen das Risiko für ADHS. Alkohol, Nikotin und Drogen während der Schwangerschaft erhöhen die Wahrscheinlichkeit für das Zappelphilipp-Syndrom.

Psychosoziale Faktoren Verstärkt werden die Symptome bei einer kontrollierenden, zwanghaften und vor allem inkonsequenten Erziehung. Enge Wohnverhältnisse, Lärm, Reizüberflutung und ein Mangel an klarer Struktur verschlimmern die Symptome und erschweren eine Therapie. Besonders schwierig wird es, wenn ein Elternteil selbst an einem unbehandelten ADHS leidet. Auch eine chronische Überforderung des Kindes verstärkt die Symptome.

ADHS: Die Diagnose

Wichtig ist eine möglichst frühzeitige Diagnose durch einen Kinder- und Jugendpsychiater. Sie fußt auf einem Gespräch mit dem Kind, der Verhaltensbeobachtung und der Befragung der Eltern und anderer Bezugspersonen. Es gibt auch Fragebogentests. In der Klassifizierung von psychischen Störungen ICD-10 als Grundlage für die Diagnose wird ADHS so definiert:

  • 6 der folgenden Symptome müssen mindestens seit 6 Monaten vorhanden und nicht Bestandteil einer altersgemäßen Entwicklungsphase sein
  • Die Symptome sind vor dem 7. Lebensjahr aufgetreten und in mindestens 2 Umgebungen (zuhause und Schule/Arbeit) vohanden.

1. Unaufmerksamkeit

Betroffene Kinder

  • beachten Einzelheiten nicht genau oder machen Flüchtigkeitsfehler
  • haben Mühe, sich längerfristig zu konzentrieren
  • scheinen oft nicht zuzuhören, wenn sie direkt angesprochen werden
  • führen oft Anweisungen nicht vollständig aus oder beenden Aufgaben nicht
  • haben Mühe, Aufgaben und Tätigkeiten planvoll abzuwickeln
  • vermeiden oder verweigern oft Aufgaben, die anhaltende Konzentration erfordern
  • verlieren häufig Dinge wie Spielzeug oder Hausaufgabenhefte
  • werden leicht durch unwesentliche Reize abgelenkt
  • sind oft vergesslich bei Alltagstätigkeiten

2. Hyperaktivität/Impulsivität

Personen mit ADHS

  • zappeln oder winden sich auf dem Stuhl
  • sitzen ungern und verlassen oft den Sitzplatz, auch dann, wenn Sitzen erwartet wird
  • rennen oft herum oder klettern überall hoch, auch in unpassenden Situationen
  • sind ruhelos
  • sind beim Spielen meist sehr laut
  • sind umtriebig oder benehmen sich oft wie von einem Motor angetrieben
  • reden oft übermäßig viel
  • platzen häufig mit der Antwort heraus, bevor Fragen komplett gestellt sind
  • haben oft Mühe zu warten, bis sie an der Reihe sind
  • unterbrechen oder stören häufig andere bei Unterhaltungen oder Spielen

ADS-Kinder/-Erwachsene zeigen nur die Symptome der Unaufmerksamkeit.

ADHS-Therapie 

Die Therapie besteht aus mehreren Bausteinen. Ganz wichtig ist die konsequente Mitarbeit der Eltern. Sie werden informiert und geschult, wie sie am besten mit ihren Kindern umgehen können. Der zweite Baustein ist eine Verhaltenstherapie. Die Kinder lernen, ihr Verhalten besser zu kontrollieren und Struktur in ihren Alltag zu bringen. Eine weitere Methode ist die Neurofeedback-ADHS-Therapie zum Training der Gehirnaktivität. Auch die Homöopathie hat sich als unterstützend erwiesen. Im Bereich der Ernährung sollte man Fast Food, zuckerhaltige Nahrungsmittel und Lebensmittel mit vielen Zusatzstoffen meiden. Da ADHS eine Familienerkrankung ist, kann eine systemische Familientherapie Ruhe und eine neue Struktur schaffen. Für Eltern sind Selbsthilfegruppen eine große Hilfe.

Ein Wort zu Ritalin

Die amerikanische Drogenbehörde stuft Ritalin als drittgefährlichste Droge nach Heroin und Kokain ein. Die US-Armee nimmt keinen auf, der Ritalin nimmt oder als Kind genommen hat. Schon 1986 waren die Nebenwirkungen paranoide Psychosen und Wahnvorstellungen, Halluzinationen, extreme Abkapselung, Angstzustände, Nervenzuckungen u.a. bekannt. Es wird diskutiert, dass Ritalin bei Kindern die Entwicklung des Gehirns und das Wachstum beeinträchtigt.

Erwachsene mit ADHS

ADHS wächst sich nicht aus. 50-60 Prozent der betroffenen Kinder leiden auch im Erwachsenenalter noch an dem Zappelphilipp-Syndrom. Der Bewegungsdrang ist weniger geworden. Schwerpunkt liegt bei der Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit und geringen Selbstorganisation. Die Folgen im Umfeld sind dieselben: Schwierigkeiten in der Partnerschaft aufgrund unberechenbarer emotionaler Ausbrüche. Unbeliebtheit am Arbeitsplatz, da die Kollegen die Unzuverlässigkeit nicht langfristig hinnehmen und kompensieren wollen. Lösung: Keine Normjobs, keine Routinetätigkeit! Eine spannende Arbeit mit viel Freiraum oder seine Nische finden (Künstler, Erfinder, neueste Technik etc.).

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Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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