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Prothesen: Der Alltagsretter nach Gelenkschäden

Kommentar schreiben Aktualisiert am 31. Januar 2018

Dank optimierter Materialien und Operationstechniken lässt sich heute fast jedes Gelenk ersetzen. Spitzenreiter sind nach wie vor Hüft- und Kniegelenke. Früher galten Gelenkprothesen als letzter Ausweg bei alten, kranken Menschen. Heute wird immer früher das Messer angesetzt. Jeder 10. Patient ist unter 65. Wer achtsam mit der Prothese umgeht, kann mindestens 15-20 Jahre gut damit leben. Lesen Sie hier, wann eine Gelenkprothese unumgänglich ist, wie Operation und Nachbehandlung ablaufen und welche Risiken und Komplikationen es geben kann.

Welche Gelenke können durch Prothesen ersetzt werden?

Außer dem kompliziert gebauten Kiefergelenk können heute alle Gelenke ersetzt werden. Neben ca. 210 000 Hüftgelenken und 175 000 Kniegelenken werden in Deutschland jährlich etwa 10 000 Schultergelenke, 5000 Sprunggelenke und 1000 Ellbogen-, Finger- und Zehengelenke ersetzt.

Was sind die Ursachen für die Schädigung eines Gelenks?

Hauptursache ist eine Arthrose. Das heißt der langsame Abbau der Gelenkstrukturen durch Verschleiß. Der Knorpel nutzt sich ab. Er wird dünner, bekommt Risse und Löcher. Die Gelenkflüssigkeit verändert ihre Substanz und damit ihre Schmierfähigkeit. Sie kann den Knorpel nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgen. Knorpel und Gelenkflüssigkeit bieten keinen Schutz mehr. Ihre Stoßdämpfer-Funktion nimmt ab. Im fortgeschrittenen Stadium der Arthrose reiben die Knochen schmerzhaft aufeinander. Weitere Ursachen für Gelenkschäden sind Tumore, Verletzungen, z.B. Knochenbrüche oder Schädigungen der Bänder sowie Fehlstellungen wie X- und O-Beine, Beinlängendifferenzen oder Verkrümmungen der Wirbelsäule. Auch Übergewicht, Bewegungsmangel und die zunehmende Lebenserwartung sind Faktoren für den rapiden Anstieg an implantierten künstlichen Gelenken.

Wann muss ein Gelenk ersetzt werden?

Nach einer schweren Verletzung besteht sofortiger Handlungsbedarf. Bei der schleichend voranschreitenden Arthrose entscheidet letztendlich der Leidensdruck. Anfangs schmerzt das Gelenk nur bei Belastung oder einem Wetterumschwung. Mit zunehmender Abnutzung entsteht ein unerträglicher Dauerschmerz. Chronische Beschwerden bei Bewegung oder Belastung, die länger als 6-12 Monate bestehen, sprechen klar für eine Gelenkprothese. Wenn Krankengymnastik keine Wirkung mehr zeigt,  hochdosierte Schmerzmedikamente täglich eingenommen werden und nachts ein Ruheschmerz auftritt, wird man an einem künstlichen Gelenk nicht mehr vorbeikommen. Auch bei schmerzhafter Bewegungseinschränkung, wenn der Gang bei Knie- oder Hüftbeschwerden humpelnd oder hinkend wird, ist das ein Zeichen für eine notwendige Gelenk-Operation. Die Arthrose muss dabei im Röntgenbild nachweisbar sein. Welche Arten von Prothesen gibt es? Es wird unterschieden zwischen einer Total-Endo-Prothese (TEP), bei der Gelenkkopf und –pfanne ersetzt werden, und einer Hemi-Endo-Prothese (HEP), bei der nur der Gelenkkopf durch eine Prothese ausgetauscht wird. Außerdem gibt es Prothesen, bei denen lediglich die Oberfläche des Gelenks ersetzt wird. Als Werkstoffe dienen Titanverbindungen und bei künstlichen Kniegelenken meist CoCrMo-Verbindungen (Kobalt-Chrom-Molybdän). Auch Keramik kommt zum Einsatz. Für die optimale Reibung sorgt ein Kunststoffüberzug (Polyethen). Wird die Prothese mit Knochenzement befestigt, kann das Gelenk schneller wieder belastet werden. Dafür muss mehr gesunde Knochenmasse entfernt werden als bei der zementfreien Verankerung. Bei Hybrid-Prothesen bleibt ein Teil, z.B. der Schaft, zementfrei. Der andere Teil, z.B. die Hüftpfannenprothese wird einzementiert.

Welche Vorteile haben die modernen Methoden der Gelenk-Prothese?

Sie ermöglichen weitgehende Schmerzfreiheit und bald auch wieder sportliche Betätigungen. Die Prothesen werden individuell ausgewählt, sowohl vom Werkstoff, z.B. bei Metall-Allergien, wie auch vom Ausmaß, der Form und der Art der Verankerung her. Schmerzfreiheit und wiedergewonnene Beweglichkeit erhöhen die Lebensqualität immens. Die Selbständigkeit bleibt erhalten oder wird wiederhergestellt. Gerade bei jüngeren Patienten wird versucht, durch das Einsetzen einer Oberflächenprothese möglichst viel Knochen zu erhalten, so dass eine Zweitoperation nach 15 bis 20 Jahren problemlos machbar ist.

Wie läuft die Operation ab?

Nach einer ausführlichen Beratung und den Voruntersuchungen wird die Operation unter Vollnarkose oder Spinalanästhesie durchgeführt. Das Gelenk wird entweder mit der herkömmlichen Operationsmethode vollständig chirurgisch geöffnet oder minimalinvasiv gewebeschonend operiert. Dabei finden die Entfernung der verschlissenen Gelenkoberflächen und des kranken Knochenmaterials sowie das Einbringen der Prothese durch eine natürliche Muskellücke statt. Muskeln, Sehnen und Gewebe werden geschont. Die Hautschnitte sind kürzer. Der Patient verliert weniger Blut. Er hat weniger Schmerzen, braucht weniger Schmerzmittel und ist schneller wieder beweglich und im Alltag mobil. Die Operation eines Hüftgelenks dauert 1-2 Stunden.

Wie kann man sich auf die Operation vorbereiten?

Je besser der Allgemeinzustand ist, umso so schneller verläuft der Heilungsprozess. Optimal ist es, vor der Operation das Rauchen einzustellen, das Immunsystem zu stärken, bei Bedarf sein Gewicht zu reduzieren und die Muskulatur im Bereich des betroffenen Gelenks aufzubauen. Empfohlen wird außerdem eine Eigenblutspende, da selbst bei einem minimalinvasiven Eingriff ein höherer Blutverlust nicht auszuschließen ist.

Mit welchen Risiken und Komplikationen ist zu rechnen?

Aufgrund der eingeschränkten Bewegung direkt nach der Operation besteht das Risiko einer Thrombose, dem mit Blutverdünnern und Kompressionsstrümpfen entgegengewirkt wird. Trotz der Anwendung von Drainagen kann sich ein Hämatom (blauer Fleck) bilden. Während der Operation und danach können Keime in die Wunde eindringen und eine Infektion auslösen. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 0,5 bis 1,0 Prozent. Beim Einsatz von Totalprothesen ist eine Verrenkung des Gelenks möglich. Das künstliche Gelenk kann wie ein natürliches wieder eingerenkt werden. In 5-10 % der Fälle treten Kalkeinlagerungen im umliegenden Muskelgewebe auf. Sie können Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verursachen. Zur Prophylaxe kann der Gelenkbereich kurz vor oder bis zu 72 Stunden nach der Operation bestrahlt werden. In seltenen Fällen kann sich die Prothese lockern. Anzeichen dafür sind Schmerzen, Fieber, Mattigkeit und Unbeweglichkeit. Außerdem sind allergische Reaktionen auf Metalle wie Kobalt und Chrom möglich. Nickel wird bei einer Allergie-Häufigkeit von 12 % in der Bevölkerung nicht mehr für Prothesen verwendet. Auch auf Bestandteile des Knochenzements sind allergische Reaktionen beobachtet worden.

Welche Nachbehandlung (Reha) wird nach dem Eingriff durchgeführt?

Bei einem minimalinvasiven Eingriff wird schon am ersten Tag nach der Operation mit den Rehabilitationsmaßnahmen begonnen. Dazu zählen leichte Bewegungsübungen, das Erlernen, wie aus dem Bett aufgestanden wird, sowie Standübungen am Bett. Darauf folgt ein Koordinations- und Gehtraining. Nach 3-5 Tagen wird der Sitz der Prothese röntgenologisch kontrolliert. Nach 10-14 Tagen ist die äußere Wundheilung, nach 3 Monaten die innere Wundheilung abgeschlossen. Nach ca. 5-8 Tagen kann der Patient die Klinik verlassen und es folgt die eigentliche Reha-Phase. Die Physio- und Trainingstherapie kann je nach Zustand des Patienten stationär oder ambulant stattfinden. Er lernt, mit seiner Prothese umzugehen. Beweglichkeit und Mobilität werden wiederhergestellt, Gangtechnik und Koordination weiter geschult und Muskulatur aufgebaut. Diese Phase dauert 3-4 Wochen. Danach sollten regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen durchgeführt werden.

Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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