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Glück – Luxus oder Zugpferd des Lebens?

Kommentar schreiben Aktualisiert am 22. Mai 2019

Reisen schafft Abstand. Gerade Fernreisen. Zurück aus Australien fühle ich mich wie aus meinem Leben herausgehoben, kurz in der Luft gehalten und wieder abgesetzt. Der Kopf scheint leer, der Jetlag tut sein Übriges und ich muss mich erst mal neu orientieren. Was ich hier vorfinde, ist also mein derzeitiges Leben. Durch den Abstand sehe ich es mit neuen Augen an. Als Erstes drängt sich die Frage auf: Bin ich glücklich?

 

Check-up zurück in der Heimat: Bin ich glücklich?

 

Freue ich mich, wieder hier zu sein? Ist es stimmig, dieses Leben? Deckt es sich mit meinen Wünschen, Visionen, meinem Selbstbild? Oder besteht an einer Stelle Handlungsbedarf besteht? Ich bin gespannt und gehe die einzelnen Bereiche durch: Privatleben, Beruf, Wohnung, Kontakte, Freizeit. Bis auf eine ausbaufähige Freizeitgestaltung mit mehr körperlichem Drive und seelischem Nährwert ist auf den ersten Blick alles in Ordnung. Vielleicht etwas Feinarbeit hier und da. Aber keine großen Widerstände, keine Aversionen, keine dringlichen Änderungsvorschläge. Schön!

 

Alles paletti heißt aber auch: Alles bleibt beim Alten

 

Nur Zufriedenheit macht aber auch nicht zufrieden. Reine Zufriedenheit schafft Ruhe, aber auch Stagnation. Alles kann so bleiben, wie es ist. Klingt gut. Hat aber auch etwas Einschläferndes. Vielleicht müssen die Herausforderungen mit zunehmendem Alter nicht mehr halsbrecherisch sein. Aber Bewegung setzt Energie frei, verleiht Flügel und das Gefühl der Lebendigkeit. Auch dann, wenn das Leben im Großen und Ganzen erfüllend ist.

 

Veränderung und Weiterentwicklung selbst einleiten

 

Wir leben in unruhigen Zeiten. Nichts ist mehr sicher. Das schafft ein unterschwelliges Schwanken und unbewusste Angstgefühle. Es kommen aber keine Veränderungen, die nicht ohnehin für einen Menschen, eine Beziehung, Familie, Gesellschaft dran sind. Deshalb ist es am besten, sie selbst in die Hand zu nehmen. Je mehr man freiwillig verändert, umso kleiner wird das Risiko, von außen unfreiwillig in eine überfällige Veränderung geschoben zu werden. Weiterer Vorteil: Sich in Eigenregie durch sein Leben zu bewegen, macht glücklich. Auch wenn fast alles paletti ist bei mir, werde ich mich dennoch fragen, wo ich etwas anders machen oder ergänzen kann, um bewusst in Bewegung zu bleiben.

 

Was ist Glück – ein Mix an Hormonen?

 

Für Neurowissenschaftler ist Glück ein Mix an Hormonen, die auf das Gehirn wirken. Dazu zählt das Belohnungssystem mit dem Botenstoff Dopamin: Er schafft Verlangen nach etwas, das uns erfahrungsgemäß glücklich macht und das wir deshalb immer wieder haben wollen: Die Sahnetorte am Sonntagnachmittag, ein Glas Wasser bei großem Durst, das Bett nach einem anstrengenden Tag und Sex für die Lustbefriedigung. Wir kennen das seligmachende Wohlgefühl und wollen es wieder und wieder haben. Das gilt auch für das Erfolgserlebnis nach einer mutigen Aktion und dem Bewältigen anderer Herausforderungen. Bekanntestes Glückshormon neben Dopamin ist das Serotonin. Es ist maßgeblich für die gute Laune. Oxytocin, das Kuschelhormon, schafft nicht nur ein enges Band zwischen Mutter und Baby, sondern zwischen allen, die Zärtlichkeiten austauschen und Nähe empfinden. Das entstehende Verbundenheitsgefühl gilt als klarer Glücksfaktor.

 

Glück als Motivation und Zugpferd

 

Wir kennen also das Glücksgefühl nach der Befriedigung elementarer Bedürfnisse wie Essen, Schlafen und Sex. Und wir kennen das Erfolgserlebnis nach bestandener Prüfung, der Lösung von beruflichen und privaten Problemen oder der Verwirklichung von einem lange gehegten Traum. Das schafft Anreiz, weitere Glücksgefühle zu haben. Also verdienen wir nicht nur Geld, um die Miete zu bezahlen, sondern auch für das beglückende Gefühl, eigenständig für uns sorgen zu können und autark zu sein. Wir bilden uns auch nicht nur weiter, weil es beruflich nützlich ist, sondern unsere Neugierde weckt, den geistigen Horizont erweitert, eine Aufgabe bewältigt und damit Glücksgefühle auslöst. Immer wenn wir etwas schaffen, winken Glücksgefühle. Das treibt uns an, ist ständige Motivation und zieht uns: sei es nach vorne in einen neuen Lebensabschnitt oder aus einer Stagnation, lähmenden Routine oder leidvollen Situation heraus.

 

Glück ist kein Zufall

 

Glück, d.h. die angenehmen Gefühle nach einer Bedürfnisbefriedigung und dem Erreichen von Zielen, wird bewusst und unbewusst von uns angestrebt. Wir wollen es wieder haben, das gute Gefühl. Wenn wir uns nicht gerade mit unverarbeiteten Blockaden aus Kinderzeiten oder negativen Glaubenssätzen selbst im Weg stehen und sabotieren, klappt das auch ganz gut. Das Zugpferd Glück hat Kraft und setzt ungeahnte Energien frei.    

 

Glück heißt für jeden etwas anderes

 

Auch wenn Glücksgefühle nach dem gleichen Motivationskonzept ablaufen, haben sie für jeden andere Wurzeln. Jeder definiert ein leckeres Essen, einen mutigen Akt, ein großes Risiko, eine Herausforderung, in die alles investiert wird, anders: Es können ein soziales Engagement, eine Hochzeit, eine Scheidung, die Gründung einer Familie, ein Umzug, eine neue berufliche Tätigkeit, ein Ehrenamt, das Erlernen einer Fremdsprache, neue Kontakte, eine Weltreise oder der Erwerb eines Schrebergartens sein. Die Kunst ist, seine Glücksfaktoren zu kennen, zu erweitern und ganz bewusst anzustreben. Dann ist Glück nicht mehr dem Zufall überlassen. Es gehört immer mehr zum Leben dazu.

 

Flow – der Klassiker unter den Glücksbringern

 

Der Zustand, im Flow zu sein, wurde das erste Mal 1975 von dem amerikanisch-ungarischen Psychologen Mihály Csíkszentmihályi beschrieben, der auch den Ausdruck prägte. Im Flow zu sein, heißt klar, fokussiert und selbstversunken, absolut im Hier und Jetzt einer Beschäftigung nachzugehen. Die Außenwelt mit ihren Ablenkungen und die Gedanken, Gefühle und Sorgen spielen keine Rolle mehr. Alle Konzentration ist auf die Tätigkeit in diesem Moment gerichtet. Voraussetzungen für dieses Glücksgefühl sind Aufgaben, die fordern, aber nicht überfordern, klare und erreichbare Ziele, Handlungsspielräume in den möglichst abwechslungsreichen Betätigungen, sich bei Bedarf Unterstützung zu holen und eine Bedeutung in seiner Aufgaben zu erkennen.

 

Hilfreich sind auch ein regelmäßiges Feedback, leichte Bewegung wie ein Spaziergang, um sich zu aktivieren, Entspannungsübungen in Stressphasen und Entspannung am Abend. Die wichtigsten Dinge sollten morgens, etwa 1 Stunde nach dem Aufstehen erledigt werden.

 

Am besten ist man Chef bei diesem Tun, d.h. kontrolliert das Geschehen. Im Flow wird ein leichter Anstieg des Stresshormons Cortisol mit positiver Wirkung beobachtet. Das Hormon aktiviert, versorgt mit Energie und steigert die Lern- und Leistungsfähigkeit, was Glück und Zufriedenheit noch mehr steigert. Im Flow zu sein, steckt an, beflügelt auch das Umfeld und verbessert das Miteinander, was das gute Gefühl noch mehr verstärkt.1

 

Glück üben - Glückstheorien nutzen

 

Gerade in Zeiten von Neuorientierung und dem Wunsch nach Veränderung macht es Sinn, die Forschungsergebnisse für mehr Glück und Erfüllung in die Planung mit aufzunehmen. Was hat bisher glücklich gemacht? Wofür kann schnell Energie freigesetzt werden, da Körper-Seele-Geist schon wissen, dass diese Aktivitäten mit einem guten Gefühl belohnt werden. Ein kurzer Rückblick auf das bisherige Leben mit Fokus Erfolgserlebnisse genügt! Dann noch abgleichen mit den Tipps zum Flow-Gefühl. Und schon befinden wir uns auf der Zielgeraden zu mehr Erfüllung und Zufriedenheit.

 

Ist Glück Luxus?

 

Wenn man gerade ganz unten ist, finanziell, beruflich, emotional oder familiär, kommt einem das Streben nach Glück vielleicht nicht gerade vorrangig vor. Schließlich muss erst das Wesentliche abgearbeitet werden, um wieder Luft zu bekommen und zu überleben. Ich denke aber, gerade in so einer Situation werden Kräfte freigesetzt, wenn man beides in Kombination im Auge hat: das Überleben mithilfe von Maßnahmen und Zielen, die nicht nur die Rettung, sondern auch Glücksgefühle in Aussicht stellen.

 

In ganz schweren Zeiten: Glück in Kleinigkeiten finden

 

In Momenten schwersten Leids, das zum Leben dazu gehört und angenommen werden muss, scheinen Lichtblicke endlos weit entfernt. Das ist aber nicht so. In jedem Augenblick, auch wenn er noch so düster ist, findet sich eine Kleinigkeit, die Wärme und einen Hauch von Lebensfreude schenkt. Man muss seine Antennen nur darauf ausrichten: die wohltuende Dusche nach dem Aufstehen, der erste Kaffee oder Tee am Morgen, der Arbeitsplatz, das Lächeln einer Kollegin, die Sonne am Himmel, die Balkonpflanzen, die warme Wohnung, das Entspannungsbad am Abend, der Lieblingsfilm im Fernsehen. Es findet sich immer etwas, das Licht und ein kleines Glücksgefühl ins Leben bringt. Irgendwann ist so viel Energie da, dass neue Herausforderungen in Angriff genommen werden können, die mit Erfolgserlebnissen und Zufriedenheit winken, wenn man sie geschafft hat.

 

Zurück zu meinem Check-up – Wo kann ich noch glücklicher werden?

 

Freizeitgestaltung war angesagt. Was beglückt mich sofort: 20 Minuten Meditation. Jetzt gleich zum Einstieg und abends, um den Feierabend einzuläuten. Ob ich das wohl hinbekomme? Immerhin weiß ich, wie wohltuend es ist und dass der Kopf frei wird. Das müsste als Motivation und Aussicht auf Belohnung reichen. Und morgens die Laufschuhe an und eine Runde durch den Park. Das nehme ich mir glaube ich bei jeder 2. Kolumne vor. Bevor es peinlich wird, lege ich morgen früh aber wirklich los! Natürlich lange vorm Frühstück. Dann gibt es nicht nur einen Serotonin-Schub. Es schmilzt auch noch überflüssiges Körperfett weg. Was will ich mehr? Ich kann das tolle Gefühl danach schon spüren.


Und die Feinarbeit: Meine neuen Kochbücher studieren und Abwechslung auf den Tisch bringen. Nicht nur allen sagen, dass sie 1,5 Liter Wasser am Tag trinken sollen, sondern es auch selbst tun. Mir wöchentlich eine Gesichtsmaske gönnen und wieder einen Termin bei der Kosmetikerin machen. Und für die Seele: Lieber eine schöne Musik hören als TV Schauen und mich bei einer alten Freundin, die mir sehr gut tut, wieder melden. Ist doch ganz schon was zusammengekommen. Ich freue mich drauf!

 

 

 

Quellenangab (Stand vom 15.05.19)

 

1 https://www.spektrum.de/news/wie-flow-die-leistungsfaehigkeit-foerdert/1440968

 

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Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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