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Wenn es ohne Schnaps und Co. nicht geht: Die Alkoholabhängigkeit

Kommentar schreiben Aktualisiert am 28. Juni 2016

Alkoholabhängigkeit: Was viele als Charakterschwäche deuten ist eine verbreitete seelische Erkrankung. Die Sucht nach dem Rauschmittel kommt in allen gesellschaftlichen Schichten vor und ist sowohl bei Männern und Frauen als auch bei Alt und Jung verbreitet. Doch wie erkennt man, ob der Alkoholkonsum die Norm übersteigt? Und wie kann man den Teufelskreis der Sucht durchbrechen? Wir liefern die wichtigsten Informationen über Alkoholabhängigkeit. 

Alkohol gehört in vielen Kulturen einfach dazu. Die Italiener lassen sich ihren Wein nicht nehmen, bei uns Deutschen gehört das Bier fest zu vielen gesellschaftlichen Veranstaltungen. Und das ist auch nichts Schlimmes. Erst wenn die Kontrolle über den Alkoholkonsum verloren geht, kann es zu einer körperlichen und psychischen Abhängigkeit kommen – Folgeerkrankungen inklusive. Der Weg der Entwöhnung ist für viele Betroffene schwer, mit Therapie und Unterstützung des privaten Umfelds allerdings machbar und auf Dauer durchzuhalten.

Bei Alkoholismus handelt es sich um eine weit verbreitete Erkrankung: In Deutschland sind etwa 1,3 Millionen Menschen Alkoholabhängig. Zusätzlich konsumieren 9,5 Millionen Personen Alkohol so ausgeprägt, dass es riskant für die Gesundheit ist, so die Drogenbeauftragte der Bundesrepublik. Das Verhältnis von alkoholabhängigen Männern zu Frauen liegt etwa bei 3:1. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher, viele Menschen fürchten sich vor dem gesellschaftlichen Ausschluss, wenn sie ihr Problem thematisieren. Doch jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 74.000 Menschen an den direkten Folgen der Alkoholsucht.

Alkoholsucht: Eine Erkrankung, kein Laster

Bei vielen Menschen wird Alkoholismus mit einem schwachen Charakter und Maßlosigkeit abgestempelt, aber es steckt mehr dahinter. Die Ursachen für eine Alkoholsucht sind komplex und vielfältig. Es gibt Hinweise aus Zwillingsstudien, dass neben dem erlernten Umgang mit Alkohol auch die genetische Veranlagung bei der Entstehung der Abhängigkeit eine Rolle spielt. So ist es wahrscheinlicher, dass Kinder von Alkoholikern selbst auch einmal ein Alkoholproblem bekommen. Außerdem spielt das private Umfeld eine Rolle: Sind wir verletzlich, psychisch nicht ganz im Gleichgewicht oder deprimiert, scheint der Konsum von Alkohol die Situation erträglicher zu machen.

So beginnt bei vielen Abhängigen der Teufelskreis: Durch das Trinken von Wein, Bier und Co. verschwinden die Probleme für einen Moment, alles wird leichter, man muss sich den quälenden Gedanken nicht mehr stellen. Durch das positive Erleben in Folge des Alkoholkonsums, erlernt man, dass Alkohol etwas Gutes ist. Durch den Konsum von Alkohol wird wie bei jeder Sucht der Belohnungsstoff Dopamin im Gehirn ausgeschüttet. Nach einiger Zeit tritt ein Lerneffekt ein: Das Hirn verknüpft den Alkohol und die Belohnung und fordert die Droge immer öfter ein.

Die Symptome der Alkoholabhängigkeit

Dadurch entsteht der innere Drang zu Trinken. Das Verlangen nach dem guten Gefühl wird immer größer bis dem schließlich nachgegeben wird. Im Laufe der Zeit tritt allerdings ein Gewöhnungseffekt ein und es muss immer mehr Alkohol zu sich genommen werden, damit sich das wohlige Gefühl einstellt. Wird der Alkoholspiegel im Blut zu niedrig, treten neben dem Verlangen auch erste körperliche Symptome auf: die Hände zittern, es kommt zu Schweißausbrüchen, die Herzfrequenz verändert sich und die Gefühle spielen verrückt.

Damit der Alltag bewältigt werden kann, muss bereits morgens Alkohol getrunken werden. Ein Rausch-Zustand kommt zwar nicht zwingend zustande, aber der Alkoholpegel muss konstant gehalten werden. Mit dem täglichen Betrunken-sein folgt meist ein sozialer Abstieg. Freunde und Familie wenden sich ab, meist droht der Jobverlust und auch finanzielle Probleme. Doch dem Abhängigen ist das egal, seine Gedanken kreisen nur darum, das nächste Glas zu bekommen.

Folgeerkrankungen können tödlich sein

Ein Alkoholiker verliert ohne Therapie gegenüber einem gesunden Menschen etwa 12 bis 5 Lebensjahre. Das liegt an den mitunter gravierenden Folgeerkrankung des Alkoholmissbrauchs. Dazu gehören Leberschädigungen bis hin zur Leberzirrhose, Krebs im Mund- und Rachenraum, psychische Probleme oder Suizid. Deshalb ist der Schritt in die Therapie sehr wichtig.

Wer sich mit seinem Problem noch nicht an Verwandte oder Fachärzte wenden möchte, kann das anonyme Info-Telefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) kontaktieren (Tel. 0221 892031). Die Sprechzeiten sind Montag bis Donnerstag von 10 bis 22 Uhr und Freitag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr.

Angehörige gleiten in Co-Abhängigkeit

Viele Partner oder Verwandte gehen dazu über, den Betroffenen in seiner Sucht indirekt zu unterstützen. Sie räumen seinem verursachten Chaos hinterher, entschuldigen ihn beim Arbeitsplatz und verhindern damit, dass er die Konsequenzen seines Verhaltens tragen muss und sich seinem Problem stellen muss. In diesem Fall sprechen Experten von einer Co-Abhängigkeit.

Doch damit der Alkoholkranke den Teufelskreis der Sucht durchbrechen kann, muss er sich eingestehen, dass er ein Problem hat. Das ist der erste Schritt auf dem Weg der Besserung. Denn: Nur wer um sein Problem weiß, wird sich Hilfe suchen um es zu überwinden.

Therapie: Behandlung von körperlichen und psychischen Symptomen

Am Anfang der Therapie steht die Diagnose der Abhängigkeit durch einen Arzt. Mittels einer detaillierten Befragung zu den Trinkgewohnheiten und den Tagesabläufen kann ein Fachmann eine Alkoholsucht feststellen. Leberwerte geben Aufschluss über den körperlichen Zustand.

Die anschließende Therapie gliedert sich in vier Phasen.

  • Reduktionsphase (optional): Die Behandlung in der Klinik oder bei einem Spezialisten beginnt mit dem Ziel, die täglich konsumierte Alkoholmenge zu reduzieren. Vor allem stark Abhängige können sich zu Beginn der Therapie eine Abstinenz kaum vorstellen. Mit der schrittweisen Reduktion kommen sie diesem Ziel näher. Doch die Kontrolle der täglichen Alkoholmenge fällt den Patienten oft schwer.
  • Entzugsphase: Falls die Trinkreduktion nicht erfolgreich ist, folgt eine Entwöhnung vom Alkohol. Dies findet Stationär statt, da es im Verlauf zu heftigen körperlichen Reaktionen kommen kann, die ein ärztliches Eingreifen erforderlich machen können. Ein Entzug ohne ärztliche Aufsicht kann bei gravierenden Fällen sogar tödlich enden. Der körperliche Entzug dauert einige Tage bis zu einer Woche. Danach klingen die körperliche Symptome ab.
  • Entwöhnungsphase: Der körperliche Entzug war nur die erste Hürde auf dem Weg zur Abstinenz. Bei der Entwöhnung muss der Patient lernen, seinen Alltag und damit oft auch seine Probleme ohne die Droge Alkohol zu meistern. In Therapien lernt er Schrittweise alternative Verhaltensweisen, mit denen er das übliche Trinken ersetzt. Der Wunsch abstinent zu bleiben soll in dieser Phase beim Patienten gestärkt werden, sodass seine eigene Motivation hoch ist. Diese Phase erstreckt sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten.
  • Nachsorge- und Rehabilitationsphase: Diese Phase kennzeichnet den Übergang von einer stationären Behandlung hin zum Alltag Zuhause. Hier treffen die Patienten auf ihre alten Gewohnheiten, Probleme und Ängste. Deshalb empfiehlt sich eine regelmäßige Nachkontrolle und ein Fortführen der Therapie etwa in Selbsthilfegruppen. Als Unterstützung kann eine Facharzt Medikamente verschreiben, die das Verlangen nach Alkohol zügeln.

Jedes Gläschen kann zum Rückfall führen

Die Rückfallquote unter Alkoholikern ist hoch. Nur etwa jeder Zweite ist vier Jahre nach Therapieende noch abstinent. Doch ein Rückfall bedeutet keinen Weltuntergang. Die Patienten müssen lernen diese als einen weiteren Schritt zu betrachten – in der Therapie werden sie auf die Möglichkeit eines Rückfalls vorbereitet. Denn: Im Alltag lauern viele Versuchungen. Ob das Gläschen Sekt an Silvester oder ein Bier auf der Firmenfeier, Alkoholiker müssen stark bleiben und diesen Versuchungen widerstehen lernen. Ein guter familiärer Rückhalt und Freunde helfen, diesen Prozess zu unterstützen und ermöglichen ein Leben ohne Alkohol.

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Lisa Vogel
Autor: Lisa Vogel

Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.

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