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Wenn das Immunsystem durcheinander kommt: Kreuzallergien

Kommentar schreiben Aktualisiert am 03. Juni 2016

Schlimm genug, wenn man sich – gerade im Frühling, da alles nach draußen in die aufblühende Natur drängt und Sonne tanken will – mit Atemnot, tränenden und juckenden Augen und Hautquaddeln herumplagen muss. Gerade Pollenallergiker haben es nicht leicht. Umso schlimmer, wenn zur ursprünglichen Unverträglichkeit dann noch eine weitere Allergie dazukommt.

Ein Biss in den leckeren Apfel – plötzlich kommt es zu einem pelzigen Gefühl auf der Zunge, und es juckt und kratzt furchtbar im Hals. Frisch aufgeschnittene Tomaten, serviert mit Salz und Pfeffer – schnell vergeht einem der Genuss, denn schon nach den ersten Bissen geht es los: die Mundschleimhaut schwillt an, die Nase läuft, die Augen röten sich, Tränen fließen. Wer bereits Allergiker ist und irgendwann zusätzlich solche Symptome bei sich feststellt, hat es wahrscheinlich mit einer Kreuzallergie zu tun.

 Kreuzallergie – was ist das eigentlich?

Die allergieauslösenden Stoffe (Allergene) mancher Lebensmittel und Pollen sind sich sehr ähnlich – so ähnlich sogar, dass das Immunsystem von Allergikern sie nicht mehr unterscheiden kann und so genannte Kreuzreaktionen auftreten.

Jede Allergie ist eine „überschießende“ Reaktion der körpereigenen Abwehr, die – statt gegen schädliche Stoffe und Krankheitserreger, wie es ihre eigentliche Aufgabe ist – gegen grundsätzlich ungefährliche Stoffe aus der Umwelt wie Tierhaare, Lebensmittel und Pollen zu Felde zieht. Allergiker, die auf bestimmte Stoffe in dieser Form reagieren, bilden nach dem Erstkontakt mit dem allergieauslösenden Stoff Antikörper gegen diesen aus. Liegt beispielsweise eine Pollenallergie vor, bildet der Körper Immunglobulin-Antikörper vom Typ E, die kurz als IgE bezeichnet werden. Diese werden auch „spezifische Antikörper“ genannt, da sie auf bestimmte Allergene spezialisiert sind. Das ist z.B. bei dem Birkenpollen-Allergen Bet v 1, dem Hauptallergen der Birkenpollen, der Fall.

Diese Antikörper, die Allergiker bilden, erkennen bestimmte Strukturen (in der Fachsprache Epitope genannt) auf den Allergenen einer Allergenquelle. Kommen in einer anderen Materie, z.B. einem Lebensmittel, ähnliche Epitope vor, so kann es sein, dass die IgE-Antikörper diese mit denen des Allergens verwechseln, auf das sie eigentlich spezialisiert sind. Das Immunsystem schlägt dann sozusagen irrtümlich Alarm – so wird eine Kreuzallergie oder Kreuzreaktion ausgelöst. Vereinfacht gesagt, ist eine Kreuzallergie also nichts anderes als eine Verwechslung von Allergenen durch das Immunsystem.

Birkenpollen-Allergiker haben es besonders schwer

Zu einer solchen Verwechslung kommt es beispielsweise sehr häufig bei Birkenpollen-Allergikern. Hier erkennen IgE-Antikörper, die gegen das Hauptallergen in den Birkenpollen gerichtet sind, ein ähnlich strukturiertes Protein im Apfel. Birkenpollen-Allergiker, die einen Apfel essen, erleben dann die Symptome, die sie vom Kontakt mit Birkenpollen kennen, z.B. das Anschwellen der Schleimhäute, Juckreiz und Rötungen im Bereich des Mundes. Gerade in Birkenpollen sind neben dem Hauptallergen noch drei weitere so genannte kreuzreaktive Strukturen vorhanden, die zusammen einen Großteil der allergischen Kreuzreaktionen verursachen. Das erklärt, warum Birkenpollen-Allergiker so häufig Kreuzallergien entwickeln.

Was die Stärke der allergischen Kreuzreaktion betrifft, so kann diese – vor allem beim Kontakt mit Nahrungsmitteln – von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein. Das liegt zum einen daran, dass bei jedem Allergiker die Reaktion immer individuell verschieden ist. Zum anderen kann der Allergengehalt in Nahrungsmitteln stark schwanken; er ist u.a. von Produktionsbedingen und -region, von der Sorte, dem Reifegrad und nicht zuletzt von der Zubereitung abhängig. Immer spielt auch – wie bei allen Abläufen innerhalb des Immunsystems – die körperliche und auch seelische Verfassung des Betroffenen eine erhebliche Rolle.

Welche Symptome treten bei Kreuzallergien auf?

Wie jede Allergie, äußert sich auch eine Kreuzallergie durch spezifische Unverträglichkeitserscheinungen beim Kontakt mit den allergieauslösenden Stoffen, z.B. beim Verzehr von Nahrungsmitteln. Zu den typischen Symptomen einer Kreuzallergie gehören Schwellungen der Mundschleimhaut und Bläschenbildung im Mundbereich, Rötungen und Quaddeln auf der Haut, Juckreiz, Schnupfen, Asthma und Bindehautentzündungen. Nur selten kommt es auch zu Symptomen im Magen-Darm-Bereich (Bauchkrämpfe, Durchfall etc.).

Die häufigsten Kreuzallergien oder: Was Latex mit Bananen zu tun hat

Menschen mit Allergien gegen früh blühende Bäume wie Birke, Erle oder Hasel sind mit Abstand am häufigsten von Kreuzallergien betroffen. So sind nach Angaben des Deutschen Allergie- und Asthmabunds (DAAB) rund 60 Prozent aller Birkenpollen-Allergiker auch auf Äpfel, Nüsse, rohes Kern- und Steinobst oder Erdbeeren allergisch.

Auch Beifußpollen-Allergiker sind benachteiligt. Sie entwickeln häufig Kreuzallergien z.B. gegen Pfeffergewächse wie grünen und schwarzen Pfeffer und die Nachtschattengewächse Chili, Tomate und Paprika, außerdem gegen Korbblütler wie Chrysanthemen, Löwenzahn oder Kamille. Am häufigsten tritt in Verbindung mit Beifußpollen eine Sellerie-Allergie auf, daneben auch Allergien gegen andere Gemüse und Gewürze, z.B. Karotte, Fenchel, Anis, Koriander, Liebstöckel, Kümmel, Petersilie und Dill. Auch frische Kräuter (Oregano, Basilikum, Thymian und Majoran) sind oft betroffen. Aufgrund der hohen Zahl der Allergene wurde speziell das „Sellerie-Karotten-Beifuß-Gewürz-Syndrom“ benannt.

Bei Latex-Kontaktallergikern sind häufig Kreuzallergien gegen Bananen und Pflanzen wie z.B. der Birkenfeige (Ficus benjamini) bekannt. Hausstaubmilben-Allergiker reagieren häufig auch auf andere Milbenarten sowie auf Krustentiere, Muscheln oder Schnecken. Das zeigt, dass Kreuzallergien „wild durcheinander“ gehen können: sie treten innerhalb verschiedener Lebensmittelgruppen, zwischen Pollen und Lebensmitteln sowie zwischen Kontaktallergenen und Lebensmitteln auf. Allerdings kommen die Kreuzallergien, bei denen das Immunsystem sowohl auf Pollen als auch auf bestimmte Obst- oder Gemüsesorten oder Gewürze reagiert, in der Praxis besonders häufig vor. Man nennt diese Form auch pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien. Die Kombination aus Pollen- und Nahrungsmittelallergien ist bei Erwachsenen die häufigste Ursache für Lebensmittelunverträglichkeiten.

Kreuzallergie oder Unverträglichkeit?

Eine sorgfältige diagnostische Abklärung ist elementar wichtig, damit die exakt richtige Behandlung einer Kreuzallergie festgelegt werden kann. Meistens wird die Diagnose mittels eines Allergietests gestellt. Allerdings sind viele Betroffene – z.T. durch jahrelange Erfahrung mit ihrer Ursprungs-Allergie und entsprechende Beobachtungen – schon selbst in der Lage, eine zusätzliche Allergie an sich festzustellen.

Besonders wichtig ist es, Kreuzallergien diagnostisch von Nahrungsmittelunverträglichkeiten abzugrenzen. Bei letzteren, etwa bei einer Laktose-, Fruktose- oder Histamin-Intoleranz, fehlen dem Körper bestimmte Stoffe, z.B. Enzyme, ganz oder teilweise. Die Behandlung einer solchen Unverträglichkeit ist dann eine ganz andere als die einer Kreuzallergie.

So geht man gegen Kreuzallergien vor

Eine Kreuzallergie wird grundsätzlich ganz ähnlich wie auch andere Allergien behandelt. Man unterscheidet dabei zwischen einer dauerhaften und einer kurzfristigen Therapie.

Zur dauerhaften Behandlung einer Kreuzallergie kommt – neben der Vermeidung der allergieauslösenden Stoffe – eine Allergie-Immuntherapie in Betracht. Eine solche Behandlung, auch Hyposensibilisierung genannt, hat zum Ziel, das Immunsystem allmählich an die Allergene zu gewöhnen, dadurch die Allergie nach und nach abzuschwächen und somit das Fortschreiten der Krankheit und die Entstehung neuer Allergien aufzuhalten. Bei erfolgreichem Verlauf einer Hyposensibilisierung können die Symptome der Allergie auch ganz verschwinden. Kurzfristig werden die akuten Symptome meist durch antiallergische Medikamente behandelt.

Vorbeugen kann man einer Kreuzallergie nur bedingt, da z.B. auch eine erbliche Veranlagung eine große Rolle bei der Entstehung von Allergien spielen kann. Wichtig ist auf jeden Fall, die Hauptallergie gut zu behandeln. Nur so können Folgebeschwerden wie Asthma oder weitere Kreuzallergien verhindert werden. Einig sind sich Experten darin, dass eine gesunde, ausgeglichene Lebensweise, die Vermeidung von Stress und Abstinenz von Alkohol und andere Genussmitteln das Auftreten von allergischen Reaktionen vermindern können.

Die richtige Ernährung kann schon viel ausrichten

Die Ausgewogenheit der Ernährung sollte auf keinen Fall unter der Allergiebehandlung leiden. Ansonsten sind Empfehlungen, die die Ernährung von (Kreuz-)Allergikern betreffen, immer individuell zu gestalten. Tritt etwa eine Kreuzallergie nur während der jeweils akuten Pollensaison im Frühjahr auf, kann der Kreuzallergiker die entsprechenden Lebensmittel durchaus im Herbst oder Winter ungestört verzehren. Auch sollten sich Betroffene über die botanischen Verwandtschaften zwischen einzelnen Lebensmitteln und Pollen gut informieren, um nicht überflüssigerweise – wie in einer Art „Sippenhaft“ – ganze Pflanzenfamilien aus ihrem Speiseplan zu streichen. Beispiel: Die Korbblütler Kopf- und Endiviensalat sind eng verwandt mit Beifuß, treten aber kaum als Allergieauslöser in Erscheinung. Außerdem gut zu wissen: Leider lösen diejenigen Lebensmittel, die am naturbelassensten sind (also Nahrungsmittel, die wir ansonsten wegen ihrer Bio-Qualitäten sehr zu schätzen wissen), am ehesten allergische Reaktion hervor.

Roh oder gekocht, geschält oder ungeschält – diese Faktoren können einen entscheidenden Unterschied ausmachen. Vor allem Äpfel und Steinobst sind oft nicht mehr allergen, wenn sie geschält und/oder erhitzt bzw. gekocht werden. So kommen etwa Apfelkompott oder Kirschkuchen als Alternative zum rohen Obst in Frage. Auch die Menge und die Sorte des jeweiligen Lebensmittels sind oft ausschlaggebend dafür, ob der Verzehr eine allergische Reaktion auslöst oder nicht. Beispielsweise gelten Apfelsorten wie Gloster, Hammerstein und Altländer als im Allgemeinen wenig allergieauslösend.

Beim Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAD) erhalten Betroffene umfassende Informationen sowie Tipps und hilfreiche Adressen, z.B. von besonders geschulten Ernährungsexperten und Medizinern. Anlaufstellen dieser Art sollten genutzt werden. Denn gut informiert und mit einer ausgewogenen, gesunden Lebensführung, bei der die Auslöser der Allergien möglichst vermieden werden, lässt es sich auch mit Kreuzallergien gut zurechtkommen!

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Helga Boschitz
Autor: Helga Boschitz

Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.

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