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Arzneistoffe im Abwasser - Die Toilette ist nicht für alles da

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Nachhaltigkeit liegt im Trend. Immer mehr Deutsche überlegen vor ihrem Einkauf, wie sie auf Verpackung, Plastiktüte und Konsum verzichten können. Doch immer noch wird die Toilette viel zu häufig zur Klärgrube für Haushaltsreiniger und Medikamente. Was tun?

 

Stress lass nach

 

Immer mehr Menschen sagen ihrem Alltagsstress den Kampf an: Dafür wird alles rund ums Wohnen und Leben möglichst entspannend und gesund gestaltet. Abbeizen, Cracklen, Lackieren, Einölen – viele Techniken verschönern in Kürze die eigenen vier Wände. Heimelig soll es sein, damit es der Seele gut geht.

 

Auch nimmt die Zahl derer zu, die Nahrungsergänzungsmittel und prophylaktisch wirksame Arzneimittel einnehmen, um die Gesundheit zu fördern. Doch bei aller Liebe zum eigenen Wohlbefinden: Wie entsorgt man Beizmittel, Lacke oder Altmedikamente eigentlich, wenn sie nicht mehr benötigt werden oder bereits abgelaufen sind?

 

Schädliche Stoffe in Haushaltsabwässern: Oft unterschätzt

 

Grundsätzlich gehören Abfälle nie ins Abwasser. Leider verschwinden dem Umweltbundesamt (UBA) zufolge dennoch regelmäßig Medikamente, Drogen, Farbreste oder Lösungsmittel im WC. Eine Untersuchung des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) im Jahr 2015 ergab, dass sich jeder zweite Deutsche uneins darüber sind, wohin seine flüssigen Altmedikamente müssen – und sie kurzerhand die Spüle oder Toilette hinunterspült. Bei Tabletten wählte Angaben des DVGW zufolge jeder siebte Bürger diesen Weg.

 

Dass Haushaltsabwässer der denkbar gesundheitsgefährdendste Weg sind, macht eine Informationskampagne des Umweltbundesamts auf der Behördenwebseite bewusst: „In Seen oder Flüssen konnten beispielsweise 150 Wirkstoffe nachgewiesen werden, wenn auch meist in niedriger Konzentration, zum Beispiel Schmerzmittel, Antibiotika und Hormone.“ Davon soll auch das Grundwasser betroffen sein – rund 40 Wirkstoffe, darunter Röntgenkontrastmittel und Blutdrucksenker, wurden bereits nachgewiesen.

 

Sabine Thümler von der Berliner Stadtreinigung (BSR) weiß, wie dringlich dieses Thema ist, und betont: „Das ist oft ein großes Problem für die Klärwerke. Chemikalien oder Antibiotika lassen sich auf diesem Weg kaum wieder aus dem Wasser herausfiltern.“ Das könne der Pressesprecherin zufolge insbesondere zu gesundheitlichen Problemen der Bevölkerung führen.

 

Um solche Auswirkungen zu vermeiden, bittet Sabine Thümler den einzelnen Verbraucher inständig, sich nur die Anzahl an Tabletten verschreiben zu lassen, die auch wirklich benötigt würde. Kommt es doch zu Übervorräten, so empfiehlt sie, Altmedikamente gesammelt in der örtlichen Apotheke oder auf den örtlichen Recyclinghöfen abzugeben. Das schließe Gefahren für Mensch und Tier aus.

 

Dann in den Hausmüll? Besser nicht

 

Auf der anderen Seite gehören Altmedikamente in Deutschland gesetzlich betrachtet zum Siedlungsabfall. „Siedlungsabfall“ ist eine vornehmere Bezeichnung für den Hausmüll –   somit können arzneiliche Überreste prinzipiell in schwarze Tonnen geworfen werden. Diesen Weg hält BSR-Pressesprecherin Thümler jedoch für zu riskant. Sorge bereiten ihr insbesondere Kinder, die an die Altarzneimittel gelangen können: „Tabletten sehen leider oft aus wie viele bunte Smarties“, gibt Thümler zu bedenken.

 

Nur die Verbrennung oder thermische Verwertung stelle letztlich sicher, dass noch enthaltene Schadstoffe aus Arzneimitteln inaktiviert werden: „In Deutschland gibt es keine bundeseinheitliche Regelung, wie die Entsorger mit dem Restabfall zu verfahren müssen. In Berlin wird beispielsweise nur die Hälfte bis zwei Drittel der schwarzen Tonne im Müllheizkraftwerk thermisch verwertet. Der Rest geht in Anlagen, die für Medikamente und Chemikalien nicht zugelassen sind“, erläutert die BSR-Pressesprecherin. Auch Evi Thiermann, Pressesprecherin des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM München), findet Medikamente im Hausmüll bedenklich: „Es ist ratsam, Arzneien auf ihrem Entsorgungsweg gegen Missbrauch zu schützen“, empfiehlt Thiermann grundsätzlich.

 

Um sicherzugehen, dass Kinder, Unbefugte und Trinkwasser keinen Schaden nehmen, sei der Weg zur Apotheke oder Schadstoffsammelstelle daher der ideale Weg zur Entsorgung: „Die meisten Apotheken entsorgen Altmedikamente über spezielle Medi-Tonnen, die auf jeden Fall thermisch verwertet werden können“, erklärt Thümler von der Berliner Stadtreinigung. Die Rücknahme von Altarzneistoffen stellt in Deutschland allerdings eine freiwillige Leistung von Apotheken dar. Sie sind nicht dazu verpflichtet, Altmedikamente entgegenzunehmen. Im Allgemeinen sind die meisten Apotheken aber geneigt, ihren Kunden die heiklen Reststoffe abzunehmen.

 

Diese Altmedikamente zählen nicht zum „Sieglungsabfall“

 

Stehen Menschen vor der Entscheidung, wohin sie ihre Überreste an Arzneistoffen geben, sollten sie zusätzlich jene Ausnahmen kennen, die trotz alledem nie in den Hausmüll dürfen. Einige Medikamentgruppen und Medizinprodukte bilden nämlich die Ausnahme von der Regel, dass Medikamente prinzipiell zum Hausmüll zählen. Dazu zählen beispielsweise Verbandmittel, Quecksilberthermometer, Chemikalien oder infektiöse Materialien (Impfstoffe, Spritzen, Kanülen).

 

Ebenso gehören Chemotherapeutika und Asthmasprays zum Sondermüll und nicht zum Siedlungsabfall. Auch defekte Kortisonsalben sind Sondermüll. Wurden Kanülen oder Spritzen im durchstichsicheren Eimer verstaut, dürfen sie wiederum in den Hausmüll.

 

Um die Qual der Wahl nicht dem Bürger zu überlassen, finanzieren viele Kommunen daher die kostenfreie Entsorgung von Medikamenten und Chemikalien über Wertstoffhöfe oder Giftmobile. Letztere Möglichkeit ist für Menschen gedacht, die zu immobil für den Transport der Altarzneien zu Wertstoffhöfen sind: „Für Menschen, die nicht an einen der Wertstoffhöfe kommen können, fährt ein Giftmobil nach einem festen Fahrplan verschiedene Standorte in München ab“, sagt Kristina Frank, Kommunalreferentin des AWM zu alternativen Wegen der Entsorgung. Damit Chemikalien nicht ins Abwasser oder Grundwasser gelangen, werden diese dann auf den Wertstoffhöfen in speziellen chemikalienfesten Fässern getrennt, gesammelt und zur Sondermüllverbrennungsanlage gebracht.

 

Und was tun mit Lacken, Farbresten & Co?

 

Stapeln sich nach dem Umzug Farben, Spachtelmasse, Lacke und Lösungsmittel im Flur, können diese ebenfalls zur örtlichen Schadstoffsammelstellen gebracht werden. Schließlich sind Chemikalien zuweilen nicht nur umweltschädlich oder brennbar, sondern auch krebserregend oder mutagen.

 

Daher gibt es für Pressesprecherin Thiermann vom Abfallwirtschaftsbetrieb München auch nur einen klaren Weg, Chemikalien loszuwerden: „Chemikalien in haushaltsüblichen Mengen wie Säuren, Laugen, Insektizide, Abflussreiniger, Unkrautvernichter oder Schimmelentferner sollen immer an der Problemstoffsammelstelle an den Münchner Wertstoffhöfen oder am Münchner Giftmobil abgegeben werden“, erklärt die Expertin.

 

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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