© kristina rütten – stock.adobe.com

Pareidolie – Warum wir überall Gesichter sehen

Kommentar schreiben Aktualisiert am 29. Januar 2019

„Faces in Things“ ist der treffende Name eines Twitteraccounts der Bilder von Dingen wie einem Burrito, einer Schaukel oder einer Hausfassade sammelt. Das Besondere an diesen Gegenständen: Viele Menschen glauben ganz deutlich Augen, Nasen, oder einen Mund in ihnen zu erkennen. Diese Fähigkeit nennt sich „Pareidolie“ was so viel bedeutet wie Trugbild. Das Phänomen beschreibt das vermeintliche Erkennen von Gesichtern in abstrakten Gegenständen, Mustern oder Landschaftsformationen. Was erst einmal etwas verwunderlich klingt, ist tatsächlich ein spannender Trick unseres Gehirns.

Die Kategorie „Gesicht“

Um wirklich verstehen zu können, was bei Pareidolie im Gehirn geschieht, müssen wir uns mit der Fähigkeit des „kategorialen Sehens“ auseinandersetzen. Nehmen wir an, unser Gehirn erhält die Information über einen wahrgenommenen Gegenstand– das Wahrnehmungssystem gleicht nun diese visuellen Reize ab und sucht in allen Kategorien, die es im Laufe des Lebens angelegt hat, nach der wahrscheinlichsten Erklärung. Welche Kategorie gewählt wird, scheint auch von den Erwartungen des Gehirns abzuhängen, wobei es mit „Gesicht“ in der Tat sehr häufig richtig liegt.

Sehen wir also ein Gesicht in einem abstrakten Objekt, handelt es sich dabei um eine fehlerhafte 
Zuordnung unseres Wahrnehmungssystems. In der Regel weiß das Gehirn aber, dass es sich dabei 
nicht um ein menschliches Gesicht handelt.
 

Kurioses Thema für seriöse Forschung

Ein Team aus Neurowissenschaftlern des MIT rund um den federführenden Autor Ming Meng wollte es noch genauer wissen und stellte sich die Frage: Woher weiß das Gehirn, was ein Gesicht ist und was nicht? Die Antwort ist überraschend, denn scheinbar ist der Effekt der Pareidolie eine Zusammenarbeit mehrerer Hirnregionen. Die linke Seite des Gehirns stuft demnach das Objekt erst einmal nach „Gesichtsähnlichkeit“ ein. Sie ist dabei äußerst großzügig und skaliert bereits geringste Andeutungen hoch ein. Das Zuordnen findet aber noch nicht statt. Die Entscheidung darüber, ob die Wahrnehmung in die Kategorie „Gesicht“ fällt, übernimmt die rechte Gehirnhälfte.

Dieser Effekt beschäftigt Wissenschaftler weltweit – erst kürzlich publizierte der Brite Vincent M. Reid et al. zum Thema Pareidolie. Das Team fand heraus, dass Kinder bereits im Mutterleib, genauer gesagt im letzten Trimester der Schwangerschaft, auf Gesichter reagieren. Dafür projizierten sie Muster auf den Bauch der Mutter, die einem Gesicht ähneln. Die Föten bewegten den Kopf in Richtung des Bildes. Keine Reaktion gab es hingegen für Muster ohne Ähnlichkeit.

Pareidolie als Überlebensstrategie

Dieser biologische Hintergrund von Pareidolie ist spätestens nach der Geburt des Kindes wichtig für seine Entwicklung. Nichts betrachtet das Kind so häufig und so genau wie das Gesicht der Eltern und Gesichter im Allgemeinen. Für jedwede soziale Interaktion ist das Erkennen von Gesichtern Voraussetzung, zumal diese in den ersten Monaten nur nonverbal stattfindet. Das Gleiche gilt auch für Gefahrensituationen. Handelt es sich nämlich um das Gesicht eines Feindes, in früheren Zeiten etwa eines Raubtieres, muss das menschliche Gehirn in Sekundenbruchteilen entscheiden.

Erwähnung finden sollten auch die Ergebnisse des NNT Communication Science Laboratorys in Tokio. Dessen Wissenschaftlern zufolge, neigen vor allem neurotische oder schlecht gelaunte Menschen dazu, in Objekten Gesichter zu erkennen. Eine Erklärung dafür scheint wohl eine erhöhte Angst beziehungsweise Erwartung von bedrohlichen Situationen zu sein.

Pareidolie, Illusion oder Halluzination?

Viele Menschen setzen Pareidolie mit Halluzinationen gleich und liegen damit falsch. Anders als das pareidolische Phänomen lassen sich diese nämlich nicht willentlich steuern und verschwinden bei genauerem Betrachten meist wieder. Zudem erleben nur einzelne Personen Halluzinationen oder Illusionen, während der Effekt der Pareidolie bei einem Objekt von mehreren Menschen wahrgenommen werden kann. Dies trifft besonders häufig für sogenannte „natürliche“ Pareidolien zu, wie Bäume, Wolken oder Landschaftsformationen. Eben diese Eigenschaft veranlasste auch viele Künstler wie Leonardo da Vinci dazu, sich von diesem Phänomen inspirieren zu lassen.

"Das apomio-Team bedankt sich bei ärzte.de für den Gastartikel im apomio Gesundheitsblog. Ganz nach dem Grundsatz „value to the costumer“ schlägt ärzte.de die Brücke zwischen dem Anspruch des Patienten und den Zielen des Arztes. Suchen Sie den richtigen Arzt, dann schauen Sie auf ärzte.de vorbei.

Beiträge die Sie auch interessieren könnten

Sandra Liebel von ärzte.de
Autor: Sandra Liebel von ärzte.de

ärzte.de ist Deutschlands größtes Netzwerk für Gesundheitsportale. Es unterstützt Patienten transparent und fachkundig bei Gesundheitsentscheidungen und gibt Ärzten mittels zahlreicher Portale die Möglichkeit, sich im Internet optimal zu positionieren. Unter dem ÄRZTE.DE Gesundheitsratgeber finden Leser eine bunte Mischung informativer und abwechslungsreicher Beiträge rund um das Thema Gesundheit. Dort haben Ärzte wie Patienten außerdem die Möglichkeit, die aktuelle Ausgabe des „cardia“ Magazins zu lesen oder den ÄRZTE.DE Newsletter zu abonnieren.

Schreib einen Kommentar

help
help
help

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Zu unseren Datenschutzbestimmungen.