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TeleClinic: Eigenes Apothekenportal gestartet

Kommentar schreiben Mittwoch, 25. November 2020

TeleClinic, Deutschlands meistgenutztes Unternehmen für Online-Videosprechstunden und Arztrezepte, launchte am 27.10.2020 sein eigenes Apothekenportal. Die Plattform richtet sich primär an Vor-Ort-Apotheken. Seit der Übernahme durch die Schweizer Zur Rose-Gruppe, Mutterkonzern von DocMorris, mag die Frage einer digitale Zusammenarbeit zwischen TeleClinic und einer Vor-Ort-Apotheke aber neben einer wirtschaftlichen auch eine politische Entscheidung sein.

Für Apotheken ist TeleClinic kein neuer Player auf dem Gesundheitsmarkt, sondern vormaliger Kooperationspartner. Zu Anfang seiner Unternehmensentwicklung arbeitete TeleClinic seit Ende 2017 bis Juli 2020 erfolgreich mit der Technik von apotheken.de zusammen. TeleClinic bietet seinen Patienten eine Videosprechstunde beim Arzt. Über die apotheken.de-App konnten Patienten bis vor kurzem ihr digitales Rezept in einer der über 7.000 kooperierenden Präsenzapotheken einlösen.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenarbeit mit apotheken.de seit Sommer passé

Mitte Juli kündigte apotheken.de allerdings seine zweijährige Zusammenarbeit mit TeleClinic auf. Zu tief ging der Riss, der sich zwischen dem Apothekennetzwerk und TeleClinic gebildet hatte. Entstanden war die Differenz durch die Übernahme TeleClinics durch den Mutterkonzern der holländischen Versandapotheke DocMorris am 16. Juli. „Damit war für uns die Rote Linie überschritten“, äußerte sich der Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlages (DAV) und DAN-Geschäftsführer von apotheken.de, Dr. Christian Rotta, in der DAZ.online zum „Rauswurf“ von TeleClinic. Der DAV lasse sich „nicht zum Steigbügelhalter für den Erfolg rein ökonomisch getriebener Plattformstrategien ausländischer Kapitalgesellschaft im deutschen Gesundheitswesen machen“.1

TeleClinic launcht eigene Plattform

Ende Oktober gab TeleClinic schließlich bekannt, seine eigene Plattform zum Einlösen digitaler Privatrezepte in bundesweiten Vor-Ort-Apotheken in Betrieb zu nehmen. „Schon über 2000 Apotheken haben E-Rezepte über TeleClinic empfangen. Wir freuen uns über eine gute Zusammenarbeit mit jeder weiteren Apotheke“, erklärte der medizinische Leiter von TeleClinik, Dr. Nikolaus Schmidt-Sibeth Mitte November.2 Das Unternehmen beschreibt seine Dienstleistungen für den Patienten auf seiner Seite mit den Worten: „Arztgespräch, Privatrezept und Krankschreibung in Minuten.“3 Katharina Jünger, CEO von TeleClinic, wertet gerade steigende Tendenz der Patienten, ihr Rezept vor Ort einzulösen, als Erfolg ihres Unternehmens. Gegenüber apomio zeigte sich Katharina Jünger sehr zufrieden mit der Korrelation von Telemedizin, Patienten und E-Rezepteinlösung in der regionalen Apotheke der Patientenwahl: „Zu einer erfolgreichen Behandlung zählt häufig eben auch das Einlösen des Rezepts in der Apotheke. Diesen Prozess gestalten wir für den Patienten so bequem wie möglich - und das wertschätzen unsere Nutzer“, erläuterte sie näher.4

TeleClinic-CEO Katharina Jünger: „4 von 5 Patienten lösten Rezept in Vor-Ort-Apotheke ein“

CEO Jünger zeigte sich insbesondere überzeugt von der Convenience für Plattform-Nutzer: „Übrigens lösen 4 von 5 Patienten die Rezepte in einer Vor-Ort-Apotheke in der Nähe ein“, betonte sie auf apomio-Anfrage.5 Sie ergänzte auch, dass ihr Apothekenportal eine gesetzeskonforme Brücke zwischen digitaler Behandlung und lokaler Apotheke schlagen konnte.6 In einem FAQ auf der Apothekenplattform von TeleClinic erinnert ihr Unternehmen freundlich an den Kontrahierungszwang für Apotheken: „Aufgrund des Kontrahierungszwangs gemäß § 17 Abs. 4 ApoBetrO sind Apotheken sogar verpflichtet, die durch TeleClinic übermittelten elektronischen Privatrezepte anzunehmen und für die Patienten einzulösen.“7 Auf Rückfrage erklärte Jünger zur Rolle des Kontrahierungszwangs bei übermittelten ePrivatrezepten: „Aktuell gilt: Rezepte, die auf der Grundlage von telemedizinischen Untersuchungen ausgestellt werden, sind in Deutschland apothekenrechtlich zulässig und einlösbar, sodass sich Apotheker auf der rechtlich sicheren Seite wissen.”8 Bei Austauschbedarf mit dem verschreibenden Arzt könne die Apotheke grundsätzlich immer Rücksprache mit den behandelnden Ärzten halten. Das Gespräch werde von der telemedizinischen Assistenz der TeleClinic koordiniert – bei Anpassungen auf Rezepten müsse das alte Rezept gelöscht werden. Danach würde der behandelnde TeleClinic-Arzt ein neues, rechtsgültiges digitales Privatrezept ausstellen.9

Schlanker Rezeptprozess verspricht viel „Convenience“ für Patienten

Auf der anderen Seite besitzt TeleClinic als Unternehmen, dass am GKV-eRezept-Projekt in Baden-Württemberg maßgeblich beteiligt war, viel Know-How im Bereich Digitalisierung von Apothekenprozessen. Der Prozess bis zur Abgabe des Medikaments an den Patienten wurde auf der jetzigen Apothekenplattform von TeleClinic möglichst schlank gehalten: Zunächst signieren Ärzte über TeleClinic jedes elektronische Rezept per QES (qualifizierte elektronische Signatur). Dann wählt der Patient per App eine Vor-Ort-Apotheke seiner Wahl aus. Die Apotheke wird telefonisch von TeleClinic über den Wunsch des Patienten, sein elektronisches Privatrezept einzulösen, informiert. Die Apotheke erhält einen Link per E-Mail zugesandt, nach Öffnen des Links kann sich die Apotheke mit ihrer IK-Nummer identifizieren. Gibt die Apotheke den zugesandten TAN ein, kann sie im Browser auf das Rezept-PDF zugreifen und das Rezept annehmen und drucken. Der Patient holt das ausgedruckte und unterzeichnete Privatrezept mit seiner Medikation in der Apotheke ab und bezahlt.10

TeleClinic: Entwicklungsbeschleuniger oder Trojanisches Pferd?

Vor-Ort-Apotheken dürften eine solche Kooperation tendenziell als „Trojanisches Pferd“ betrachten. In anderen Ländern Europas haben Modelle wie Promopharma in Spanien bereits gezeigt, dass der E-Commerce auch in Europa nicht vor den Apotheken Halt macht. Amazon schielt bereits seit längerem auf den europäischen Markt.11 In den USA wurde Amazon Pharmacy gelauncht, die Bienen-Apotheke in München versendet bereits über einen Amazon-Marktplatz in alle Regionen Deutschlands. Interessant bleibt, ob die TeleClinic-Apothekenplattform als Angebot zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu werten ist. Die Zur Rose-Gruppe, die aktuelle Mutterfirma von TeleClinic, fokussierte sich in den vergangenen Jahren stark auf „Chroniker“. In der Vergangenheit haben chronisch erkrankte Kunden nur rund 60 Prozent ihrer Rezepte bei DocMorris eingelöst, den anderen Teil in der Vor-Ort-Apotheke – dies erklärte DocMorris CEO Olaf Heinrich mit Geschäftsführer Dr. Malte Dous im Gespräch mit dem Handelsblatt.12

Patienten präferieren oftmals den guten Service der Stammapotheke

Zwei geschätzte Pluspunkte für die Bindung vieler Patienten sind gemeinhin bekannt: die raschere Versorgung mit akuten Medikamenten und eine fundierte Beratung vieler Vor-Ort-Apotheken. Wenn TeleClinic Präsenzapotheken im vierstelligen Bereich für seine eigene Plattform gewinnt, können Patienten in jeder Region Deutschlands chronisch Kranke durch Präsenzapotheken mit gewünschten Medikamenten versorgen. 5 Minuten, nachdem die Videosprechstunde bei TeleClinic vorbei ist, meldet sich eine bei TeleClinic gelistete Apotheke beim Kunden: „Wir haben Ihr gewünschtes Medikament da. Sie brauchen es nur abzuholen – oder sollen wir es Ihnen lieber schicken, wenn Sie sich gerade fiebrig fühlen?“ So oder so ähnlich kann man sich den Prozess vorstellen, der bereits anläuft.

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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