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Lieferengpässe - wenn die Versorgung knapp wird!

Kommentar schreiben Donnerstag, 18. Juli 2019

Ein besonders prekärer Fall von Lieferengpässen in Apotheken betraf im vergangenen Jahr nicht lieferbare Kinder-Fiebersäfte. Inmitten der Grippesaison im Januar/Februar 2018 blieb Apothekern vielerorts nur übrig, auf zwei teure Markenfirmen zurückzugreifen, um fiebernde Kinder mit Medikamenten zu versorgen. Abgesehen vom bürokratischen Aufwand in Apotheken schwebt hinter Lieferengpässen jedoch auch die Gefahr, dass Patienten in Krankenhäusern und ambulanten Notlagen nicht mit (lebens)notwendigen Medikamenten versorgt werden können.

 

Aktuell engpassbedrohte Arzneimittel

 

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weiß um die kritische Versorgungssituation deutscher und europäischer Patienten. Im Jahr 2016 wurde auf Geheiß der Bundesregierung ein „Jour Fix“ eingerichtet, um die Versorgungslage besser auszuloten. Die Liste aktuell verzeichneter Lieferengpässe ist lang. Auf der Liste des BfArM werden zur Zeit insgesamt 479 Arzneimittel gelistet. Die Mehrzahl ist krankenhausrelevant, das heißt die Arzneistoffe stehen zur Versorgung von Patienten in Krankenhäusern für Wochen bis Monate nicht zur Verfügung. Betroffen sind beispielsweise schmerzstillende Opioide (Oxycodon, Fentanyl,Tilidin), Antibiotika, Blutdrucksenker, Antidepressiva, Lokalanästhetika, HIV-Medikamente und Parkinsonmittel. Im letzten Jahr wurden sogar Krebsarzneimittel, Adrenaline oder das im Kreissaal lebensnotwendige Hormon Oxytocin knapp, das künstliche Wehen erzeugt und Nachblutungen stillt. Diese Versorgungssituation dauert bereits seit 2016 an.

 

Die Gründe für Lieferengpässe

 

Die Wurzel des Übels liegt im weltweiten Trend zur Globalisierung begründet, der auch den Arzneimittelsektor betrifft. Der Trend führt dazu, dass zahlreiche Arzneimittelhersteller die Produktion von Teil- oder Komplettstrecken der Arzneimittelherstellung in China, Südostasien oder anderen Ländern vornehmen. Dies macht sich insbesondere in kostengünstigeren Produktionsbedingungen und letztlich im Herstellungspreis bemerkbar. Dabei müssen beliefernde Unternehmen zwar nachweisen, dass sie nach in Deutschland üblichen Good-manufacturing-Practices (einwandfreien Herstellungspraktiken) produzieren, doch nicht immer erweist sich eine Produktion in einem fernen Land als sicherste Variante.

 

Vergangene Lieferdebakel

 

Erst im vergangenen Jahr wurden im Valsartan-Fall die skandalöse Produktionsbedingungen eines chinesischen Herstellers offenbart, der durch eine „Umstellung in der Produktionskette“ zu krebserregenden Nebenprodukten im gängigen Blutdrucksenker geführt hatte. Auch zeigten sich in den letzten Jahren immer wieder Engpässe durch Unglücksereignisse in ferngelegenen Fabrikgebäuden, sei es durch starke Regenfälle oder Explosionen in Unternehmen in Asien und Südostasien wie beim klinikrelevanten Antibiotikum Piperazillin/Tazobactam und beim Fiebersaft Ibuprofen. Besonders die Versorgung mit dem Penicillin Piperacillin/Tazobaktam zeigte sich Ende 2016 bis etwa Mitte 2017 dramatisch. Zeitweise war der Bedarf von Klinikapotheken nur noch zu 50 Prozent gedeckt. Ursache des Lieferengpasses bei der Firma Hexal war eine Explosion in einer chinesischen Fabrik im Oktober 2016 gewesen.

 

Und erst im Januar 2019 schrieb der Krankenhausapotheker Andreas von Ameln-Mayerhofer nach Informationen der Welt an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dass er bundesweit einen Lieferengpass beim lebensnotwendigen Medikament Oxytocin feststellte. Das Betreiben eines Kreissaales würde faktisch unmöglich, wenn das Arzneimittel fehlt, schrieb der engagierte Pharmazeut dem CDU-Politiker, als ihm die Notlage für gebärende Frauen auffiehl. Eine Blutung nach einer Geburt sei die häufigste Ursache für den Tod einer Mutter nach einer Geburt, hieß es in seinem Brief.

 

Apotheken in der Zwickmühle

 

Lieferengpässe bedeuten für den einen Patienten zunächst Sorge und eine längere Wartezeit in Bezug auf seine ambulante Medikation. Für den anderen Patienten bedeuten sie jedoch auch wertvolle Lebenszeit oder schlichtweg Linderung extremer Schmerzen. Für den Apotheker bedeuten sie gleich mehrere Notlagen: Emotional fühlt sich der Pharmazeut in der Pflicht, die ärztlich verschriebene Therapiegrundlage zu ermöglichen. Finanziell trägt die Apotheke die Verantwortung wirtschaftlich rentabel für ihre Mitarbeiter zu bleiben. Und letztlich müssen Apotheker und PTA kassentechnisch gewährleisten, dass die stets kostentechnisch günstigste Versorgungsform für die gesetzliche Versicherung gewählt wurde. 

 

Quellen:

Liste des BfArM zu aktuellen Lieferengpässen:

http://lieferengpass.bfarm.de/ords/f?p=30274:2:11066585301093::NO:::

Offener Brief des Krankenhausapothekers Dr. Andreas von Ameln-Mayerhofer an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn:

https://www.lak-bw.de/news-einzelansicht/artikel/krankenhausapotheker-schl.html

Lehren aus dem Valsartan-Skandal:

https://www.apomio.de/marketing-fuer-versandapotheken/artikel/lehren-aus-dem-valsartan-skandal

Piperacillin: Droht erneuter Versorgungsnotstand? Artikel der Deutschen Apotheker Zeitung Online, Stand: 24. August 2017:

https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/08/24/piperacillin-droht-erneuter-versorgungsnotstand

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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