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Warum gibt es eigentlich keine Bio-Arzneimittel?

Kommentar schreiben Mittwoch, 20. März 2019

Es gibt heute Bio-Shirts, Bio-Essen, Bio-Getränke, Bio-Restaurants: Aber gibt es eigentlich auch Bio-Arzneimittel für ökologisch bewusste Patienten, die auf Nummer sicher gehen möchten? Wir haben uns auf die Suche begeben, warum bislang noch kein Bio-Siegel auf dem deutschen Arzneimittelmarkt existiert.

 

Der Streit um Bio-Arzneimittelverpackungen

 

Eigentlich hätte der Streit um Bio-Siegel auf Arzneimittelverpackungen 2008 vom Tisch sein können. Ein Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28.07.2008 hatte Bio-Siegel auf arzneilich ausgewiesenen Kräutertees und Pflanzensäften als unzulässig erklärt. Der Grund: Arzneimittel sind keine Erzeugnisse im Sinne des Art. 1, Abs. 1 der EWG-Verordnung Nr. 2092/91 über ökologischen Landbau. Daran schlossen sich weitere Urteile mit derselben Stoßrichtung an. Irritierenderweise sind Bio-Siegel auf Lebensmitteln jedoch erlaubt. Auf dem Informationsportal des Ökolandbau.de liest sich der Status Quo zu bio-ökologischen Arzneimitteln derzeit so: „Folgende Produkte können NICHT gemäß den EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau zertifiziert werden: Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei, Kosmetika, Arzneimittel und Erzeugnisse aus Umstellungsbetrieben.“

 

Was ist eigentlich ein Bio-Arzneimittel?

 

Bio-Arzneimittel gibt es dem Namen nach bereits auf dem deutschen Arzneimittelmarkt. Allerdings steht die Abkürzung „Bio-“ bislang für „biotechnologische“ beziehungsweise für „biologische“ Arzneimittel. Solche biotechnologisch hergestellten Arzneimittel können gezielt in biologische Mechanismen unseres Körpers eingreifen. Häufig werden diese biotechnologischen Arzneimittel als „Bio-Arzneimittel“ oder „Biopharmazeutika“ abgekürzt. Doch wie steht es nun um eine ökologische Form von Arzneimitteln, deren Erzeugnisse aus kontrolliert ökologischem Landbau stammen? Oder anders gefragt: Gibt es Bio-Arzneimittel im Sinne von Arzneimitteln, Arzneisäften oder Arzneitees mit deklariertem Bio-Siegel?

 

Hintergründe des Bio-Streits

 

Bereits 2008 hatte das Sächsische OVG über die Eingabe von arzneilich zugelassenen Kräutertees und Pflanzensäften entschieden, die Hersteller unter Verwendung des Bio-Siegels in den Handel brachten. Die betroffenen Pflanzentees und Pflanzensäfte waren als nicht verschreibungspflichtige und nicht apothekenpflichtige Arzneimittel zugelassen. Dabei setzte der Entwickler offenbar „pflanzliche Rohstoffe aus kontrolliert ökologischem Landbau“ ein. Zwar waren diese gemäß Herstellung und Zusammensetzung unstreitig Lebensmittel – doch wurden sie für ihren therapeutischen Nutzen als Arzneimittel deklariert.

 

Bio-Siegel zur Absatzsteigerung - Nicht für Arzneimittel!

 

Ein späteres Urteil des Verwaltungsgerichts Köln (VG Köln) entschied 2012, dass der Arzneitee „Mistelkraut“ der Firma Salus kein firmeneigenes Bio-Siegel tragen dürfe.

 

Auch das Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) entschied 2015, dass „firmeneigene Bio-Siegel“ auf Arzneimittelverpackungen unzulässig seien. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte aufgefallene Arznei-Produktverpackungen bemängelt, die Bio-Siegel verwendeten.

 

Am 26.10.2015 befand das OVG Nordrhein-Westfalen, dass firmeneigene Biosiegel auf den Verpackungen von Arzneimitteln nicht gesetzeskonform seien. Das BfArM hatte Produktverpackungen der Firma Schoenenberger mit Bio-Siegel bemängelt. Die Flaschenetiketten und Umverpackungen der Firma trugen ein firmeneigenes Biosiegel mit dem Schriftzug „bio“ und drei angedeuteten Pflanzen.

 

Das Oberverwaltungsgericht entschied, dass das Arzneimittelgesetz nur Angaben erlaube, die mit der Verwendung des Arzneimittels in Zusammenhang stehen und der „gesundheitlichen Aufklärung“ des Patienten dienen. Nicht zulässig sind Angaben, die keinesfalls mit der Anwendung des Produkts in Verbindung stehen oder seiner „gesundheitlichen Aufklärung“ dienten. Auch dürfen Angaben laut AMG keinen Werbecharakter aufweisen.

 

Kurzum: Ein Biosiegel für Arzneimittel transportiert keine arzneilich relevanten Informationen und dient tendenziell als Marketingmittel zur „Absatzförderung“.

 

Bio-Siegel ist nicht gleich Bio-Siegel

 

Übrigens: Das europäische Bio-Siegel war für Firmen mit pflanzlichen oder tierischen Arzneiprodukten von Beginn an ausgeschlossen. Denn Arzneimittel gelten nicht als Lebensmittel – und nur solche dürfen laut geltender EU-Norm das anerkannte EU-Bio-Siegel tragen. Die einzige mögliche Variante für Arzneimittelhersteller mit pflanzlichen oder tierischen Bestandteilen blieben demnach firmeneigene Bio-Siegel.

 

Damit firmeneigene Bio-Siegel auf Arzneimittel zulässig sind, müssen Arzneimittelpackungen konkret darüber aufklären, inwieweit ökologische Standards eingehalten werden und der pflanzliche Inhaltsstoff Kriterien erfüllt, die über die strengen Richtlinien der deutschen Arzneimittelherstellung hinausgehen. Bislang gelang diese arzneimittelbezogene Begründung keiner deutschen Firma.

 

 

http://www.recht-die-zeitschrift.de/br/urteile/kein-bio-siegel-fuer-arzneimittel.html:

 

https://www.it-recht-kanzlei.de/biosiegel-arzneimittel-verpackungen.html:

 

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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