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Lehren aus dem Valsartan-Skandal

Kommentar schreiben Dienstag, 18. Dezember 2018

Welche Lehren sind aus dem Valsartan-Skandal zu ziehen!

 

Als am 4. Juli 2018 krebserregende Verunreinigungen von Valsartan-Arzneimitteln bekannt wurde, dauerte es Wochen, bis auf europäischer Ebene reagiert wurde. Welche Lehren wurden aus den Verunreinigungen gezogen? Ein Überblick.

 

Erst am 10. August, knapp einen Monat nach dem Chargen-Rückruf, informierten Behörden europaweit darüber, dass der chinesische Hersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical einen Valsartan-Wirkstoff herstellte, der mit dem wahrscheinlich krebserregenden Stoff N-Nitrosodimethylamin (NDMA) verunreinigt war. Dies und weitere Informationen gehen aus Medienberichten der DAZ.online und der Süddeutschen Zeitung hervor. Seitdem wurden in Deutschland zahlreiche Blutdrucksenker zurückgerufen, die diesen oder einen ähnlichen Wirkstoff enthalten.

 

NDMA entstand demnach als Nebenprodukt bei der Herstellung des blutdrucksenkenden Wirkstoffs Valsartan. Es soll im Zuge eines Umstellungsprozesses beim Hersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical aufgetreten sein, der bereits ab 2012 erfolgte. Ein fataler Produktionsfehler, der über einen Zeitraum von 6 Jahren hinweg unbemerkt auftrat. Im Zuge der Ermittlungen nach Publikwerden der Verunreinigungen folgte ein weiterer Schock: Laut Angaben der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) , wurden in Valsartan-Präparaten zusätzlich N-Nitrosodiethylamine (NDEA) gefunden. Auch diese zählen zu den Nitrosaminen und gelten als wahrscheinlich krebserregend. Der Experte Fritz Sörgel äußerte sich gegenüber der DAZ.online dazu mit den Worten: „Die Frage nach dem NDEA erschien uns deswegen wichtig, schnell zu kommunizieren, weil diese Substanz ja als kanzerogener gilt als NDMA.“

 

Ein Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) versichert auf Rückfrage von apomio, dass auf die Verunreinigungen deutschlandweit sofort reagiert wurde: „Unmittelbar nach Bekanntwerden der Verunreinigungen mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) in valsartanhaltigen Arzneimitteln wurden die betroffenen Chargen in Deutschland vom Markt zurückgerufen.“

 

Tatsächlich ordnete die Regierung in Oberbayern jedoch erst am 14. August 2018 den Rückruf der einzigen in Deutschland betroffenen Charge von Aurobindo an. Erst drei Tage und somit einen Monat später entzog das Europäische Direktorat für Arzneimittelqualität (EDQM) dem chinesischen Unternehmer die Herstellungerlaubnis für den Wirkstoff.

 

Die Kommunikationsstrategie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) war nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit wohl begründet: „Ärzteschaft und Apotheken wurden umgehend über den Rückruf informiert“, äußert der Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit. Ziel der Kommunikationsstrategie sei der Schutz der Patienten gewesen.

 

Insbesondere gesundheitliche Folgen durch eine Umstellung des Arzneimittels, das gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt wird, sollten vermieden werden: „Die Kommunikationsstrategie des BfArM hatte das Ziel, eine geordnete Umstellung auf ein anderes valsartanhaltiges Arzneimittel bzw. eine andere Arzneimitteltherapie durch den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin zu ermöglichen, um akute Auswirkungen auf die Gesundheit der Patientinnen und Patienten durch ein plötzliches Absetzen der Arzneimittel zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu vermeiden“, so das Bundesgesundheitsministerium gegenüber apomio.

 

Kritisiert wurde in den Medien allerdings weniger die Kommunikationsstrategie an sich, als die Tatsache, dass sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erst langwierig mit den zuständigen Landesbehörden, der-Ärtze und Apothekerschaft auf ein Vorgehen einigte.

 

Hervorzuheben ist, dass die Europäische Kommission bereits einen Tag nach dem Chargen-Rückrufen – am 5. Juli 2018 – ein sogenanntes „europäisches Risikobewertungsverfahren zu valsartanhaltigen Arzneimitteln“ initiierte. Das Verfahren, welches von der EMA umgesetzt wird, soll das „toxikologische Risiko“ der NDMA- und NDEA-Verunreinigungen einschätzen und zudem klären, wie hoch das Risiko von Valsartan und weiteren Herz-Kreislauf-Arzneimittel der Sartan-Gruppe angesetzt wird. Außerdem soll es eine Antwort dafür liefern, unter welchen Umständen Wirkstoffe mit Tetrazol-Ringsystemen krebserregende Nebenprodukte synthetisieren. Zu den untersuchten Stoffen zählen neben Valsartanen auch die Wirkstoffe Losartan, Olmesartan, Irbesartan und Candesartan.

 

In einem Update vom 2. August 2018 kommt die EMA zur Zwischenergebnis, dass ein zusätzlicher Krebsfall auf 5000 Patienten auftreten könne – bei einer Einnahme von 320 mg Valsartan über 7 Jahre. Hierzu erklärte die EMA, dass das potentielle Krebsrisiko aus Tierversuchen hochgerechnet worden sei. Das Update der EMA empfiehlt Patienten, die betroffene Medikamente weiterhin einnehmen, die Einnahme nicht ohne Rücksprache mit ihrem Arzt oder Apotheker zu beenden.

 

Die Ergebnisse des Risikobewertungsverfahrens der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) werden nach aktuellem Zeitplan im Dezember 2018 erwartet.

 

 

 

 

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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