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Die Telematikinfrastruktur - Fluch oder Segen?

Kommentar schreiben Dienstag, 17. Dezember 2019

Die Telematikinfrastruktur – Das hat sich bislang geändert


Die Telematikinfrastruktur (TI) dient dem Ziel, wesentliche Patienteninformationen für alle deutschen Gesundheitsakteure und Patienten schneller und einfacher einsehbar zu machen. Folgende Änderungen haben sich für die TI, die salopp auch häufig als „Datenautobahn für Patienteninformationen“ bezeichnet wird, bis jetzt ergeben.

 

Sinn und Ziel der Telematikinfrastruktur

 

In Deutschland wurden mit dem E-Health-Gesetz Ärzte, Apotheken, Krankenhäuser sowie Krankenkassen dazu verpflichtet, sich bis Januar 2018 an eine gemeinsame telekommunikative Infrastruktur (kurz: TI) anzupassen.1 Dadurch soll im Kern ein sicherer Austausch von Patienteninformationen innerhalb eines geschlossenen Netzes registrierter Nutzer erfolgen. Dabei ist der Begriff „Telematik“ ein Kunstwort, das sich aus „Telekommunikation“ und „Informatik“ zusammensetzt. Das Wort symbolisiert die „Vernetzung verschiedener IT-Systeme“2.

 

Vorteile der Datenspeicherung: Bloß keine Datenfriedhöfe!

 

Ein vieldiskutierter Vorteil der TI-Datenspeicherung stellt die leichtere Verfügbarkeit von Stamm- und Behandlungsdaten des Patienten mithilfe einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) dar - ab 2020 ist zudem die Vermittlung von Patientenmedikationen per elektronischem Rezept geplant. Auch sollen sich auf der eGK künftig zusätzliche Patientendaten ablegen lassen.

 

Nachteile, die erörtert werden, können mögliche Sicherheitslücken der TI-Datenvernetzung sein, die Patientendaten für Unbefugte offenlegt. Erst kürzlich hatten der Norddeutsche Rundfunk (NDR) sowie die Süddeutsche Zeitung darüber berichtet, dass über 90 Prozent der an die TI angeschlossenen Psychotherapeuten und Ärzte nicht ausreichend gegen Hackerangriffe geschützt seien.3 Informationsgrundlage sollen interne Daten der Gematik selbst gewesen sein – die Gematik verantwortet als zentrale Gesellschaft die Umsetzung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und der dazugehörigen telekommunikativen Infrastruktur (TI).

 

Erste große Sicherheitslücke im November aufgetaucht

 

Um die Verschlüsselung der gespeicherten Daten zu gewährleisten, überprüft und adaptiert das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in eigenen Worten „regelmäßig die verwendeten kryptographischen Verfahren“.  Die meisten Arztpraxen und Psychotherapiepraxen sind aktuell offenbar über Konnektoren im Parallelbetrieb an die TI angeschlossen. Im Parallelbetrieb laufende Systeme erfordern jedoch dem publik gewordenen internen Brief der Gematik zufolge zusätzliche Virenprogramme oder Firewalls, um ausreichend Datenschutz zu gewährleisten.

 

Stiefkind „Datensicherheit“

 

Das beruht wahrscheinlich auf einer fehlerhaften Kommunikationsstrategie der Gematik: Der Reihenbetrieb, eine sicherere Anschlussalternative, war den Behandlungspraxen offenbar nicht dargelegt worden. Während dem Deutschen Ärzteblatt zufolge im Reihenbetrieb alle Computer und Kartenlesegeräte in demselben Lokalnetzwerk laufen und erst über den Konnektor an die Telematikinfrastruktur und deren Daten gelangen, werden im Parallelbetrieb alle Computer und Kartenlesegeräte in der Praxis über die Internetanbindung am Router angeschlossen. Der Konnektor wird parallel zum übrigen Netzwerk angeschlossen. Somit fungiert der Router leider nicht als Firewall im Netzwerk. Die Praxis muss hingegen im Parallelbetrieb selbst für ausreichende Schutzmaßnahmen sorgen.6

 

Datenfriedhof mit Sicherheitstücken...

 

Ob Patienten durch E-Patientenakte und E-Rezept bereits einen Mehrgewinn für Gesundheit und Sicherheit erfahren, lässt sich bislang noch nicht eindeutig sagen. Geändert hat sich auf den ersten Blick in Arztpraxen und Krankenhäusern wenig, die eGK mit dem aufgedruckten Patientenfoto lässt sich auf die gleiche Weise wie die alte Karte einlesen.

 

Zukünftig werden alle drei Monate die Stammdaten der Karte beim Onlineabgleich mit den durch die Krankenkasse hinterlegten Daten verglichen und automatisch korrigiert. Fragen des Praxispersonals wie etwa „Stimmt Ihre Patientenadresse noch?“ oder „Haben Sie eine neue Handynummer?“ dürften sich demnach bald erübrigen. In Bezug auf das elektronische Rezept haben Apotheken noch knapp 9 Monate Zeit, sich bis zum 30. September 2020 an die TI anzuschließen. Offenbar bereiten jedoch die Ärzte-Signaturen, die ein Rezept elektronisch unterschreiben, noch Probleme. Beim jetzigen Stand muss sich der Arzt nach Angaben der Deutschen Apothekerzeitung für jedes Rezept neu ins System einloggen und bis zu zwanzig Sekunden pro Vorgang einplanen.

 

...oder doch echter Mehrwert?

 

Langfristig sind weitere Anwendungsvorteile der eGK und des eRezepts vorgesehen: So sollen auf Wunsch des Patienten Notfalldaten gespeichert werden können und zudem Arztbriefe und Untersuchungsdokumente wie etwa EKG-Ergebnisse auf der Karte hinterlegt werden. Zusätzlich sollen alle angewendeten Arzneimittel aufgelistet werden. Datenhoheit über die geteilten Informationen soll aber der Theorie nach stets der Patient behalten, der die Daten Online kontrollieren und beispielsweise Arztabrechnungen einsehen können soll.

 

Auf den Punkt gebracht gewährleistet dieses System an erster Stelle die schnellere Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten, die insbesondere in Notfällen wertvolle Informationen liefert und in stärkerem Maße den Missbrauch einer Gesundheitskarte verhindert. Kritiker sehen allerdings bislang wenig Änderung zum bisherigen System und insbesondere Bedenken zur Datensicherheit, falls die ärztliche Schweigepflicht missbraucht wird. Auch die Pharmaindustrie könnte Interesse haben, an die Patientendaten zu gelangen. Für ältere Patienten ist der Nutzen zudem abhängig von ihrem Vermögen, sich an die technischen Voraussetzungen anzupassen.8

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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