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Wenn Helfer Hilfe brauchen – Einsatznachsorge

Kommentar schreiben Aktualisiert am 27. März 2020

Einsätze im Rettungsdienst bei Unfällen und Katastrophenschutz stellen eine große psychische Belastung dar. Die Einsatzkräfte werden mit Schmerz, Tod, Verzweiflung und manchmal auch der eigenen Hilflosigkeit konfrontiert. Reaktionen wie Anspannung, Schlafstörungen, Gefühlstaubheit und Rückzug sind in den ersten Tag nach einer schwierigen Situation völlig normal.

 

Falls die Symptome oder Verhaltensänderungen jedoch anhalten, sind ernsthafte seelische Störungen möglich. Um das zu verhindern, sind Einsatznachsorge-Teams im Dienst. Sie können jederzeit anonym von Menschen der jeweiligen Einrichtung, z.B. Johanniter oder Technisches Hilfswerk, oder auch von Außenstehenden in Anspruch genommen werden. Was leisten Einsatznachsorge-Teams? Welche Belastungsreaktionen nach außergewöhnlichen Einsätzen können auftreten? Was kann man selbst dagegen unternehmen? Was können Freunde und Angehörige tun? Welche Spätfolgen können unverarbeitete traumatische Erfahrungen haben?    

 

Inhaltsverzeichnis:

 

Was ist ein Einsatznachsorge-Team

 

Das Einsatznachsorge-Team unterstützt Einsatzkräfte darin, belastende Situationen aus ihrer Tätigkeit zu verarbeiten. Einsatznachsorge-Teams bestehen aus erfahrenen, speziell geschulten Einsatzkräften und psychosozialen Fachkräften. Die Leitung übernimmt eine psychosoziale Fachkraft, z.B. ein Psychologe oder Geistlicher. Die Teams stehen sofort nach schwierigen Einsätzen zur Verfügung, damit die am Einsatz Beteiligten belastende Erlebnisse, wie Unfälle und Katastrophen besser verarbeiten zu können.1 Ziel dieses Angebots ist, Einsatzkräfte zu begleiten, um ihre Ressourcen zu aktivieren und zu stärken und aus dieser eigenen Kraft heraus mit belastenden Situationen besser umgehen zu können.2

 

Das sind die Aufgaben eines Einsatznachsorge-Teams

 

Die Einsatznachsorge bietet professionelle Unterstützung zur Verarbeitung traumatischer Erfahrungen. Dazu leiten sie strukturierte Einsatznachbesprechungen. Sie führen Einzel- und Gruppengespräche mit den Helfern und bieten Begleitung bei Einsätzen an. Daneben beraten sie Einsatzkräfte und Führungskräfte vorbeugend zum Umgang mit dem Stress und den seelischen Herausforderzungen beim Einsatz.3 Sie vermitteln schon in der Grundausbildung den Helfern, welche Schutzmechanismen in intensiven Situationen hilfreich sind. Führungskräfte werden in der Fürsorge und den möglichen Einflüssen auf die seelische Belastbarkeit von Einsatzkräften geschult. Durch ihre Arbeit soll langfristigen psychischen Erkrankungen nach traumatischen Einsätzen entgegengewirkt werden.4

 

Wer kann ein Einsatznachsorge-Team anfordern?     

 

Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei dem jeweiligen Hilfsdienst können die Unterstützung vor, während und nach dem Einsatz anfordern. Einzelne können sich auch anonym melden. Alternativ beantragt eine ganze Dienststelle die psychologische Hilfe. In erster Linie steht die Einsatznachsorge für die eigenen Leute zur Verfügung. Bei Bedarf ist eine Hilfe auch für andere Organisationen oder für Behörden möglich.2

 

Wie wird das Einsatznachsorge-Team angefordert?

 

Die Helfer oder Führungskräfte eines Ortsverbandes fordern die psychotherapeutischen Profis an. Dazu alarmieren sie die Rufbereitschaft, z.B. des Landesverbandes beim Technischen Hilfswerk. Dafür steht eine Hotline zur Verfügung.4

 

Wie wird man Teil eines Einsatznachsorge-Teams?

 

Beim Technischen Hilfswerk ist es zum Beispiel so, dass die Helferinnen und Helfer selbst im Einsatznachsorge-Team mitarbeiten können. Die Tätigkeit wird als Zweitfunktion betrachtet und sollte von dem eigenen Ortsverband unterstützt werden. Weitere Voraussetzungen sind ein hohes Maß an psychosozialer Belastbarkeit, Einsatzbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft zu kontinuierlicher Aus- und Fortbildung. Auch Verschwiegenheit und die Begabung, anderen Menschen zuzuhören, werden vorausgesetzt. Helfer für das Einsatznachsorge-Team sollten die Grundausbildung abgeschlossen haben und über Einsatzerfahrung verfügen. Bevor sie endgültig ins Team aufgenommen werden, durchlaufen sie ein Auswahlverfahren und eine einjährige Probezeit.4

 

Was gilt als außergewöhnliche Belastungen

 

Die Wahrnehmung und Verarbeitung eines Ereignisses ist individuell verschieden. Wie hoch und andauernd die Belastung ist, hängt von jedem selbst ab. Es gibt aber Ereignisse, die häufig als belastend empfunden werden. Dazu zählen mehrere Verletzte oder Tote, Leid, Verletzung und Tod von Kindern, die Verletzung oder der Tod eines Kollegen sowie die Verletzung oder Lebensgefahr des Helfers selbst. Auch das Gefühl, nicht helfen oder die eigenen Kompetenzen nicht einbringen zu können, wird als stark belastend wahrgenommen. Unklare Führungsstrukturen und ein unklares, unzutreffendes Meldebild belasten die Helfer ebenso in größerem Maße.6

 

Welche Symptome können nach einem außergewöhnlichen Einsatz auftreten?

 

Körperlich kann sich ein außergewöhnlicher Einsatz z.B. durch Zittern, Schwitzen, Übelkeit, Herzrasen und einen nervösen Magen bemerkbar machen. Der Helfer kann sich stark erschöpft fühlen und Schlafstörungen mit Alpträumen haben. Der Einsatz geht dem Helfer einfach nicht aus dem Kopf. Er vermeidet zwar, an ihn erinnert zu werden. Aber schon ein Geräusch, ein Geruch, der Rettungswagen, ein Kollege und die inneren Bilder, die unvermittelt auftauchen, erinnern immer wieder an das Geschehene und lassen den Betroffenen nicht los. Er ist in dauernder Anspannung, schreckhaft und kann sich nur schlecht konzentrieren. Je nach Ereignis kann der Helfer sich Vorwürfe machen und Schuldgefühle haben. Typisch ist das Gefühl, neben sich zu stehen, nichts mehr zu spüren, wie in einem Film oder Traum zu sein. Der Betroffene hat keine Freude mehr am Leben, ist völlig teilnahmslos. Auch Traurigkeit, Wut und Angst vor Konsequenzen sind möglich. In Kontakt mit dem Umfeld zeigen sich Reizbarkeit, Überempfindlichkeit, Desinteresse an Kontakten. Der Betroffene zieht sich zurück und sagt nicht viel. Auch das Ess-, Trink- und/oder das Rauchverhalten können sich ändern.5,6

 

Direkt nach einem außergewöhnlichen Einsatz sind Reaktionen dieser Art normal. Gewöhnlich nehmen sie in ihrer Heftigkeit innerhalb von ein paar Tagen ab. Falls sie aber nach einer Woche immer noch gleich stark ausgeprägt sind, sollte der Helfer die Einsatznachsorge in Anspruch nehmen.5  

 

Wie können sich Einsatzkräfte nach einem schwierigen Einsatz selbst helfen?

 

Einsatzkräfte haben nach etwas Erfahrung schon ihren Weg gefunden, wie Sie mit belastenden Ereignissen umgehen. Um ihre Schutzmechanismen weiter zu stärken, sollten sie ihre Reaktionen und Gefühle akzeptieren: Sie sind keine Schwäche, sondern Resultat ihrer Leistung beim Einsatz. Sie können ihre innere Anspannung und Unruhe mit aktiven Entspannungsmethoden wie Sport und Spazierengehen lösen. Pausen und Auszeiten ermöglichen es, Abstand zum Geschehen zu gewinnen. Betroffene sollten sich Zeit nehmen, um das Erlebte zu verarbeiten. Mit vertrauten Menschen darüber sprechen oder einfach zusammen zu sein, hilft dabei genauso, wie das Aufschreiben dessen, was gerade innerlich abläuft oder des Erlebten.

Die gewohnten Alltags- und Freizeitaktivitäten beizubehalten, erdet und stabilisiert zusätzlich.6 Der Betroffene weiß, was ihm gut tut, was ihn stärkt und auf den Boden der Ruhe zurückbringt. Der gewohnte Tagesablauf zählt sicher dazu. Alkohol dagegen nicht! Auch wenn er im ersten Moment eine entspannende Wirkung haben sollte. Er hilft nicht bei der Verarbeitung, sondern verzögert sie nur und kann bei regelmäßigem Genuss neue Probleme schaffen.


Die Anspannung und Reizbarkeit bleiben dem Umfeld nicht verborgen. Am besten teilt der Betroffene seine Situation mit und dass es noch etwas dauern kann, bis nach diesem Ereignis wieder innere Ruhe eingekehrt ist. Falls es länger dauert, steht jederzeit die professionelle Hilfe der Einsatznachsorge zur Verfügung.7

 

Was können Angehörige und Freunde tun?

 

Sie können da sein für Gespräche oder ein stilles Miteinander, je nachdem was der Betroffene gerade braucht. Wichtig ist, sich durch seine Reizbarkeit und Stimmungsschwanken nicht persönlich angegriffen zu fühlen. Der Betroffene braucht auch keine klugen Ratschläge. Er weiß vom Kopf her, wo er steht und was er benötigt. Und das sind u.a. vertraute Menschen in seiner Nähe.7

 

Welche Spätfolgen können unverarbeitete Traumata haben?

 

Unverarbeitete Traumata können zu Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen und einer erhöhten Gefahr, Selbstmord zu begehen, führen. Am häufigsten folgt die Posttraumatische Belastungsstörung mit fortgesetztem Wiedererleben des Traumas, emotionalem und sozialem Rückzug sowie vegetativer Übererregtheit. Diese zeigt sich als Schlafstörungen, innerer Unruhe, Schreckhaftigkeit und Konzentrationsschwäche.8

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Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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