© Marco Herrndorff

Rezeptfälschungen. Eine „Never Ending Story“.

Kommentar schreiben Dienstag, 22. Januar 2019

Rezeptfälschungen sind seit Jahren ein wiederkehrendes und trauriges Thema für Versandapotheken, Apotheken und Krankenkassen.

 

Gefälschte Rezepte, die nicht von den niedergelassenen Ärzten ausgestellt wurden, falsche Patientendaten enthalten oder fälschlich eingereicht wurden, verursachen Schäden in Millionenhöhe. Betroffen sind entweder Krankenkassen oder Apotheken, die im Falle einer Retaxation auf den aufgewendeten Kosten für ein Medikament oder ein Hilfsmittel sitzen bleiben.

 

Was ist Rezeptbetrug?

 

Eine Rezeptfälschung gilt laut Strafgesetzbuch § 267 als Urkundenfälschung. Damit sind Rezeptfälschungen keine lässlichen Irrtümer, sondern strafbare Delikte. „Den Tätern droht laut Strafgesetzbuch (StGB) eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe, in besonders schweren Fällen kann eine Haftstrafe bis zu zehn Jahren verhängt werden“, betont eine Pressereferentin des AOK-Bundesverbands. Eine Rezeptfälschung wird in der Regel von Krankenkassen oder Apothekern zur Anzeige gebracht. Die Ermittlungen übernimmt dann die Staatsanwaltschaft.

 

Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen betrifft viele denkbare Varianten: „Rezeptfälschungen, Abrechnungen von nicht erbrachten Leistungen, Einsatz von nicht qualifiziertem Personal, Versichertenkartenmissbrauch – die Möglichkeiten von Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen sind vielfältig“, legt ein Sprecher der DAK dar. 

 

Wie häufig kommt es zu Rezeptfälschungen?

 

Besonders häufig kommt es aktuell zur Rezeptfälschung von Medikamenten, die einen Einfluss auf das zentrale Nervensystem zeigen. Dazu zählen insbesondere Psychopharmaka, Antidepressiva, starken Schmerzmittel, Benzodiazepine oder Wirkstoffe zu Doping- oder Bodybuildingzwecken.

 

Da die meisten Rezeptfälschungen von aufmerksamen Apothekern und PTA erkannt werden können, versuchen die Krankenkassen bei gehäuften Rezeptfälschungen einer bestimmten Art die Apothekerverbände für die Fälschungen zu sensibilisieren.  „Das Deutsche Apothekenportal beispielsweise gibt dazu regelmäßig Merkblätter mit Hinweisen auf mögliche Fälschungen heraus, darunter fehlende Rezeptangaben, eine fehlende Magnetcodierung oder falsche Angaben im Arztstempel“, beschreibt ein Sprecher der Barmer Ersatzkasse das Zusammenspiel von medialer Information, Apothekenmitarbeitern und Krankenkassen. Der Apotheker vor Ort ist und bleibt auch eine Schlüsselfigur. Er sei „die wichtigste Person, wenn es darum geht, gefälschte Rezepte zu erkennen“, betont der Sprecher der Barmer.

 

Apotheken wird der Schwarzen Peter zugeschoben

 

Die Rechtslage ist in Deutschland so, dass Apotheken ein erkennbar gefälschtes oder missbräuchliches Rezept keinesfalls bedienen dürfen. Bei erkennbarem Arzneimittelmissbrauch ist dem Kunden laut Apothekenbetriebsordnung „die Abgabe von Arzneimitteln zu verweigern“ (§17, Absatz 8 ApBetrO). Apotheker sind außerdem zur Sorgfaltspflicht verpflichtet. Ähnlich wie bei Identitätsdokumenten müssen Sie die Echtheit der Rezepte genau prüfen.

 

Bei Bedienung eines gefälschten Rezeptes erlischt auch der Vergütungsanspruch der Apotheke seitens der Krankenkasse.  Vereinfacht ausgedrückt: Die Apotheke bleibt auf den Kosten für das eingelöste Rezept sitzen, da es sich nicht um eine gültige Verordnung handelt.

 

Abwägung der Schweigepflicht gegen das „Persönlichkeitsrecht“

 

Doch die Rechtslage in Bezug auf den Umgang mit gefälschten Rezepten ist noch komplexer: Der Apotheker obliegt nämlich gemäß des Strafgesetzbuches § 203 der Schweigepflicht (Abs. 1 Nr. 1).

 

So macht er sich strafbar, wenn er unbefugt ein Geheimnis offenbart, dass ihm als Apotheker anvertraut worden oder  bekanntgeworden ist (§ 203 StGB). Die mit der Berufsausübung des Apothekers zusammenhängenden Kenntnisse umfassen selbst Informationen über Straftaten.

 

Apothekenmitarbeiter können also nur gegen ihre Schweigepflicht verstoßen, wenn sie von dieser entbunden wurden oder „die Offenbarung zum Schutze eines höherrangigen Rechtsgutes erforderlich ist“ (§ 203 StGB). Das Persönlichkeitsrecht des Kunden kann nur dann zurücktreten, wenn eine Gefährdung für Leib, Leben und Gesundheit Dritter erwartet wird.

 

Deshalb ist vor einer Anzeige bei Rezeptfälschung abzuwägen, ob eine Anzeige für den Apotheker straffrei bleibt, weil der Apotheker damit höheres Rechtsgut wie die Gesundheit einer dritten Person schützt.

 

So verhalten Sie sich bei gefälschten Rezepten

 

Die Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz hat eine Checkliste veröffentlicht, wie sich Apothekenmitarbeiter im Ernstfall verhalten sollen. „Leib und Leben“ der Mitarbeiter habe in solchen Fällen stets Vorrang. Idealerweise sollen Apotheker und PTA das Arzneimittel unter einem Vorwand verweigern.

 

Geeignet dafür ist beispielsweise das Argument, dass der Artikel nicht auf Lager oder momentan vergriffen ist. Beweise rund um die Personenbeschreibung, das Rezept oder die Rezeptkopie sollten sichergestellt werden. Gegebenenfalls sollte eine polizeiliche Anzeige unter „Verdacht auf Rezeptfälschung“ gestellt und die Landesapothekerkammer  oder umliegende Apotheken benachrichtigt werden.

 

Rezeptfälschungen sind schwieriger zu erkennen

 

Dass die Krankenkassen jedem Hinweis auf eine fehlerhafte Abrechnung auch nachgehen, betont die DAK auf Anfrage von apomio. „Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts auf 'betrügerisches' Handeln stellen sie konsequent Strafanzeige und arbeiten eng mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen“, schildert Florian Kastl, ein Sprecher der DAK-Gesundheit, das Prozedere.

 

Nicht unerwähnt lässt Kastl hierbei, dass die Erkennbarkeit gefälschter Verordnungen „aufgrund der heute technischen Möglichkeiten immer schwieriger“ werde. „Nicht selten wird die Polizei hier auch von aufmerksamen Apothekern eingeschaltet“, lobt der Sprecher stellvertretend für seine Kasse und gibt weiter zu bedenken, dass jeder Hinweis geprüft und dabei kontrolliert werden müsse, ob dahinter möglicherweise eine betrügerische Absicht gesteckt habe. Ein Lichtschimmer am Ende des Fälschungstunnels ist jedoch erkennbar: Das geplante E-Rezept soll zukünftig die Fälschung eines Rezepts mittels digitaler Merkmale erschweren.

 

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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