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Das Krankheitsbild des chronischen Schmerzes

Kommentar schreiben Aktualisiert am 28. November 2016

Etwa Zweidrittel der Menschen in Europa leiden mindestens einmal in der Woche unter Schmerzen. Wenn der Schmerz nicht mehr als Symptom einer Erkrankung, sondern als eigenständiges Krankheitsbild betrachtet wird, spricht man von chronischen Schmerzen. Welche Ursachen für chronische Schmerzen gibt es? Welche Risikofaktoren bestehen? Besteht eine Eigenverantwortung im Hinblick auf den Verlauf von chronischen Schmerzen? Wissenswertes im folgenden Beitrag.

Gesundheit und Krankheit

Der Zustand der Gesundheit kann auf unterschiedliche Weise definiert sowie interpretiert werden: Einen Einfluss auf Gesundheit nehmen psychische, physische und soziale Faktoren; diese können sich individuell auf das Wohlbefinden auswirken und auch das subjektive Erleben von Krankheiten kann unterschiedlich wahrgenommen werden. Der Verlauf von Krankheiten lässt sich in drei Formen einteilen: Die Remission, das Rezidiv und die Chronifizierung. Von einer Remission spricht man, wenn eine temporäre oder dauerhafte Abschwächung von Symptomen einer Krankheit vorliegt, ohne dass eine vollständige Heilung erreicht wird. Ein Rezidiv ist das Wiederauftreten einer Krankheit, nachdem diese bereits geheilt war. Bei einer Chronifizierung handelt es sich um den Übergang einer Erkrankung in einen dauerhaften Zustand. Die Chronifizierung wird im folgenden Beitrag weiter erläutert.

Was ist ein chronischer Schmerz?

Die Wahrnehmung des Schmerzes ist lebenswichtig, um den Körper vor Gefahren und Verletzungen zu warnen: Sensoren, sogenannte Nozirezeptoren sind freie Nervenendigungen und befinden sich in fast jedem Gewebe des Organismus, die den Schmerzreiz registriert und über afferente Schmerzfasern ins Gehirn leitet. Bei einem bestehenden chronischen Schmerz rückt die Schutzfunktion des Schmerzes in den Hintergrund; es gibt kein sinnvolles Alarmsignal mehr, das auf eine Schädigung des Körpers hindeutet. Der chronische Schmerz hat einen selbstständigen Krankheitswert, man spricht von einer eigenständigen Schmerzkrankheit. Ein chronischer Schmerz ist im Folgenden definiert: Wenn seit mindestens drei bis sechs Monaten ein Schmerz fast immer vorhanden ist bzw. häufig wiederkehrt, liegt ein chronischer Schmerz vor. Zudem beeinträchtigt der vorherrschende Schmerz den Betroffenen körperlich, beispielsweise durch Beweglichkeitsstörung oder Funktionseinschränkung, körperlich-kognitiv in Form von Denken, Befindlichkeit und Stimmung und sozial, wie Einschränkungen im Alltag, Privat- und Berufsleben. Begleitende Beschwerden können auch sein: Reizbarkeit, depressive Verstimmung, Schlafstörungen, Appetitmangel.

Ursachen und mögliche Erkrankungen eines chronischen Schmerzes

Chronische Schmerzen können auftreten als

  • Begleitsyndrom einer körperlichen Belastung
    • die Schmerzen treten begleitend zu einer körperlichen Erkrankung, wie zum Beispiel Rheuma oder Nervenschädigungen auf
    • sogenannte Phantomschmerzen nach einer Amputation werden auch zum Begleitsyndrom einer körperlichen Belastung gezählt; hierbei ist der Schmerz langanhaltend, regional und intensiv
  • Körperliche Schmerzen, die zum Teil erklärbar sind, mit psychischer Begleiterkrankung
    • Beispiel: Ein durch einen Bandscheibenvorfall hervorgerufener ausstrahlender Schmerz ins Bein kann durch eine unzureichende Krankheitsbewältigung eine Angststörung oder depressive Störung verschlimmern
  • als Ausdruck einer primär psychischen Erkrankung
    • das in Erscheinung Treten von chronischen Schmerzen kann im Zusammenhang mit depressiven Störungen, Angststörungen, posttraumatischer Belastungsstörung und anderen psychischen Erkrankungen zustande kommen (beispielsweise Bauchschmerzen ohne organische Ursache) 

Folgende Schmerzformen können einen chronischen Verlauf annehmen:

  • Kopfschmerzen (chronische Migräne)
  • Rückenschmerzen
  • Gelenkschmerzen
  • Muskelschmerzen
  • Tumorschmerzen

Was ist ein Schmerzgedächtnis?

„Der Körper vergisst nicht!“ – eine alt bekannte Redensart. Und tatsächlich spielen gedächtnisähnliche Prozesse bei Schmerzkrankheiten eine sehr entscheidende Rolle. Der Körper kann ein sogenanntes Schmerzgedächtnis entwickeln, wenn Schmerzen lange Zeit andauern und leider unbehandelt bleiben. Die Nervenbahnen, welche den Schmerzimpuls durch den Körper leiten, werden ständig gereizt bis zu dem Zeitpunkt, dass sie sich verselbstständigen und spontanaktiv werden. Es reicht nur noch ein kleiner, sensibler Reiz, wie beispielsweise eine Berührung, Wärme oder Dehnung und der Schmerzimpuls wird registriert und als unangenehm betrachtet. Aus dem akuten Schmerz ist nun ein chronischer Dauerschmerz geworden. Das heißt: Unter Umständen meldet die Nervenzelle dem Gehirn, dass nach wie vor etwas weh tut, obwohl unter Umständen gar keine Entzündung mehr an der betreffenden Körperstelle vorliegt, sprich der eigentliche Auslöser fehlt, aber der Schmerz bleibt.

Risikofaktoren einer Chronifizierung von Schmerzen

Ein chronisches Schmerzsyndrom kann aus akuten Beschwerden hervorgehen und zudem auch von weiteren Faktoren begünstigt werden:

  • Angst und Depressionen in der Vorgeschichte
  • anhaltende psychovegetative Spannung
  • länger andauernde Stresserfahrungen
  • ständiges Ignorieren von Belastungsgrenzen, ständiges Durchhalten
  • unzureichende Schmerzbehandlung, als die Schmerzen zum ersten Mal aufgetreten sind
  • familiäre Konflikte
  • Schmerzkranke in der Familie
  • soziale Probleme im Umfeld / am Arbeitsplatz
  • finanzielle Probleme

Therapie bei chronischen Schmerzen

Für die Betroffenen bedeutet chronischer Schmerz dauerhaften Stress, Angst, Frustration, Verzweiflung – Negative Gedanken können die Schmerzen verstärken und das Wohlbefinden verschlechtern. Aus dem Grund können Entspannungstechniken dazu beitragen, den Teufelskreis zu durchbrechen und mit Autogenem Training, Yoga, Meditation die Schmerzwahrnehmung zu beeinflussen und die Selbstheilungskräfte des Körpers zu fördern. Da bei chronischen Schmerzen häufig auch psychosoziale Faktoren eine Rolle spielen, sind auch entsprechende Behandlungsansätze unverzichtbar Der Einsatz psychologischer Therapien hilfreich. Zu den invasiven Behandlungen gehören Spritzentherapien, Nervenstimulationen sowie das Einsetzen einer Schmerzmittelpumpe, die bei sehr starken Schmerzen eingesetzt wird und die Gabe von Schmerzmitteln direkt in den Epiduralraum ermöglicht.

Einen Arzt aufzusuchen empfiehlt sich, wenn Schmerzen anhaltend oder wiederkehrend sind, sie schlimmer werden und ohne eindeutige Ursache auftreten sowie das Alltagsleben und die Lebensqualität enorm beeinträchtigen. Eine Chronifizierung akuter Schmerzen kann individuell sehr unterschiedlich schnell oder langsam eintreten; häufig ist der Übergang von einem akuten Schmerz zu chronischem fließend. Aber nicht alle anhaltenden Schmerzen müssen chronisch werden: Es kommt nämlich immer darauf an, wie sehr ein Patient mit seinen Beschwerden umgehen kann – physische, psychische Verfassungen und die sozialen Lebensumstände sind hierbei immer entscheidend.

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J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

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