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Unkontrollierbare Essanfälle: die Binge Eating-Störung

Kommentar schreiben Aktualisiert am 17. November 2020

Ganz ehrlich: Wer von uns hat sich nicht schon einmal buchstäblich „überfressen“? Ein besonders köstliches Abendessen, ein Frühstücksbuffet, das keine Wünsche offenließ, Omas wunderbarer Schokoladenkuchen – da greifen wir gerne mehrfach zu, und am Ende halten wir uns stöhnend den Bauch und verlangen nach einem Schnaps oder wenigstens einem Verdauungsspaziergang. Nach solch genussvollem Schlemmen sprechen wir dann gerne auch selbstironisch-heiter davon, dass wir eine „Fressattacke“ hatten, gegessen haben, bis wir nicht mehr konnten. Das allerdings hat rein gar nichts mit krankhaften Essanfällen zu tun, die Tausende von Menschen Tag für Tag erleben: „Binge Eating“ nennt sich eine Form der Essstörung, bei der die Betroffenen vollkommen die Kontrolle über ihre Nahrungsaufnahme verlieren.

 

„Binge Eating“ ist der englische Begriff für übermäßiges und exzessives sowie unkontrolliertes Essen. Die Binge Eating-Störung (medizinisch „psychogene Hyperphagie“, verbreitet auch „Essanfallserkrankung“ genannt) gehört zu den ernstzunehmenden Essstörungen. Sie kann vielfältige negative Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit haben und sollte dringend behandelt werden.

 

„Binge“ bedeutet auf Deutsch „Gelage“ – vor allem jüngere Leute werden den Ausdruck vom verbreiteten „Binge Watching“ („Komaglotzen“) kennen. Damit ist gemeint, sehr viele Folgen einer beliebten Serie quasi „bis zum Koma“ hintereinander anzuschauen.

 

Inhaltsverzeichnis

 

Zentrales Merkmal der Binge Eating-Störung: Kontrollverlust

 

Entsprechend stehen im Zentrum der Binge Eating-Störung immer wiederkehrende Essanfälle, bei denen die Betroffenen in unkontrollierter und unkontrollierbarer Weise sehr große Mengen an Nahrung in sich hineinschlingen. Auf Dauer haben sie das Gefühl, gegenüber ihrem Essverhalten komplett machtlos zu sein. Sie können einfach nicht aufhören zu essen, auch wenn sie längst keinerlei Hungergefühl oder Appetit mehr haben. „Mit Hunger haben die Essanfälle beim Binge-Eating nur vordergründig zu tun. Die eigentliche Ursache liegt in einer gestörten Gefühlsregulation“, erklärt der Arzt Marian Grosser in einem „Netdoktor“-Artikel1. Tatsächlich ist Essen bei Binge Eatern vor allem eine Befriedigung von emotionalen Bedürfnissen, die ansonsten unerfüllt bleiben. „Mit so einem Essanfall stopfe ich das Loch in mir“, so ein Betroffenen-Zitat auf der Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)2. Experten wissen: Ob Stress, Ängste, Trauer, Wut oder andere negative Gefühle – mit übermäßigem Essen wird versucht, damit fertig zu werden.

 

Menschen mit einer Binge Eating-Störung wissen durchaus, dass die Fressattacken ungesund sind und ihnen alles andere als guttun. Und nicht nur das: Meist empfinden sie Scham- und Schuldgefühle und entwickeln einen regelrechten Ekel vor sich selbst. Doch sind sie, solange sie sich keine Hilfe suchen und ihre Erkrankung nicht effektiv bekämpfen, diesen Attacken regelrecht ausgeliefert. Eine betroffene Person wird von der BZgA mit diesen Worten zitiert:

 

„Ich ging in den Supermarkt, nein, lief fast immer, so schnell es nur ging, und hatte ich den Einkaufswagen in der Hand, wurde plötzlich alles mechanisch und ich hatte das Gefühl, neben mir selbst zu stehen und mit mir selbst zu streiten: Nein, tu es nicht, ich will nicht, ich will nicht mehr fressen, ich habe überhaupt keinen Hunger, und die andere Stimme sagte: Du tust es doch, weil du musst, weil du ein Versager bist. Ich war bei diesem Wortspiel immer ganz weggetreten und legte dabei ein Lebensmittel nach dem anderen in den Wagen.“2

 

Bislang ist Binge Eating nur wenig erforscht

 

Offiziell ist die Binge-Eating-Störung seit 1994 bekannt. In diesem Jahr wurde sie erstmals als eigenständiges Krankheitsbild im amerikanischen Klassifikationssystem psychiatrischer Störungen beschrieben. Erforscht ist sie bislang wenig, weshalb die Anzahl der Betroffenen nur geschätzt werden kann. Der Schweizer Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Lars Wöckel geht in einem Artikel der „Apotheken Umschau“3 von eineinhalb bis dreieinhalb Prozent der Bevölkerung aus, davon etwas mehr Frauen als Männer. Meist tritt sie im Alter zwischen 20 und 30 Jahren zum ersten Mal auf, auch 40- bis 50-Jährige sind recht häufig von ihr betroffen. Selbst Kinder mit einer Binge Eating-Störung wurden schon behandelt, jedoch in nur sehr seltenen Fällen.

 

„Die Binge-Eating-Störung wurde lange Zeit nicht als eigenständige Erkrankung eingestuft, deshalb existieren noch immer wenige Studien zum Thema", erklärt Facharzt Dr. Wöckel. Laut „Apotheken Umschau“ rechnen Experten zudem mit einer hohen Dunkelziffer, da sich die Störung oft schleichend entwickle und im persönlichen Umfeld lange verheimlicht werde. Die Scham der Betroffenen halte sie zudem davon ab, sich professionelle Hilfe zu suchen. 

 

Binge Eating: weder„Überessen“ noch Bulimie

 

Manche mögen vielleicht denken, bei dieser Form von „Fressattacken“ handele es sich um nichts mehr als ein „Überfressen“, das ja vielen Menschen – gerade bei dem reichhaltigen Angebot an Nahrungsmitteln in den reichen Industrieländern – immer mal wieder „passiert“. Doch ist die Binge Eating-Störung damit keinesfalls zu vergleichen. Die Betroffenen empfinden keinerlei Genuss beim Essen. Vor allem aber ist diese Essstörung von einem totalen Kontrollverlust gekennzeichnet. „Betroffene wissen in diesem Moment nicht mehr, was sie tun. Das erklärt auch den ganz besonderen Leidensdruck dieser Menschen: Sie fühlen sich machtlos und ferngesteuert, können sich teilweise nicht mal richtig an den Anfall erinnern“, so Dr. Simone Munsch, Lehrstuhlinhaberin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Fribourg (Schweiz), in einem „Stern“-Artikel4.

 

Ein Maßband auf einer WaageAuch mit der Bulimie, der Ess-Brech-Sucht, ist Binge Eating nicht zu vergleichen. Binge Eater bringen sich in der Regel nach dem Essen nicht zum Erbrechen und sie versuchen auch nicht durch andere Mittel, die übermäßige Kalorienzufuhr wieder auszugleichen, etwa durch exzessives Sporttraining, Abführmittel oder Hungerphasen. Deshalb kommt es bei den Betroffenen von Binge Eating auch sehr häufig zu massivem Übergewicht bis hin zur krankhaften Fettleibigkeit (Adipositas).

 

Verlauf und Schwere der Binge Eating-Störung sind ganz unterschiedlich

 

Krankhafte Essanfälle kann man also sehr gut von anderen Essstörungen abgrenzen und charakterisieren. Neben dem zentralen Merkmal, dem Kontrollverlust, gibt es folgende Kriterien:

  • Die Attacken dauern meist nur einen bestimmten Zeitraum an, etwa eine oder zwei Stunden.
  • Es werden dabei teils Mengen verzehrt, die sich „normale“ Esser bei Weitem nicht vorstellen können, und dabei wird meist geschlungen, also schneller als normalerweise gegessen.
  • Das natürliche Sättigungsgefühl kommt völlig abhanden; die Betroffenen hören erst auf, wenn sie sich unangenehm voll fühlen.
  • Die Betroffenen essen nicht in Gesellschaft, sondern alleine, und meist heimlich.
  • Im Anschluss an den Essanfall kommen negative Gefühle wie Scham, Schuld und Ekel vor der eigenen Person auf.

 

Dabei kann der Verlauf dieser Erkrankung sehr unterschiedlich sein: Manchmal wechseln sich längere Zeiträume, in denen es zu keinen Anfällen kommt, mit völlig exzessiven Phasen ab. Zwischen den Essanfällen versuchen viele Betroffene, ihr Verhalten mit (teils übermäßiger) Disziplin, z.B. strengen Diäten, zu kompensieren. Auch daran lässt sich erkennen, dass es sich beim Binge Eating um eine Erkrankung handelt, die man durchaus mit anderen stofflichen oder nicht-stofflichen Süchten vergleichen kann.

 

Binge Eater ziehen sich häufig mehr und mehr aus ihrem sozialen Umfeld zurück, da sie sich stark schämen und ihr Verhalten verstecken wollen. Typisch ist auch, dass sie sehr viel über ihr Gewicht, ihre Figur und ihre gesamte Lebenssituation nachdenken und sich dabei absolut hilf- und machtlos fühlen. Nicht selten kommt es auch zu Geldsorgen, da Menschen mit dieser Störung regelmäßig enorm große Mengen an Lebensmitteln einkaufen (müssen).

 

Die körperliche und seelische Gesundheit nimmt Schaden

 

Natürlich treten durch die Binge Eating-Störung, vor allem wenn sie lange andauert, diverse gesundheitliche Probleme auf, daneben geraten die Betroffenen meist auch psychisch stark aus dem Gleichgewicht. Durch die riesigen Kalorienmengen, oft auch gekoppelt an den Verzehr stark fett- und zuckerhaltiger Nahrungsmittel, entsteht unweigerlich Übergewicht – das grundlegende Problem für viele Folgeerkrankungen. „Ein Großteil der Betroffenen gilt als fettleibig mit einem Body Mass Index über 30", sagt Experte Dr. Lars Wöckel in der „Apotheken Umschau“3. Bekanntlich steigt damit das Risiko für viele körperliche Erkrankungen stark an, besonders für Herz-Kreislauf-Störungen wie Arteriosklerose, Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt oder Schlaganfall, für Diabetes sowie für Erkrankungen des Bewegungsapparates. Außerdem haben stark Übergewichtige oft mit Schlaf- und Atemstörungen zu kämpfen.

 

Dazu kommen vielfältige psychische Störungen und Erkrankungen, von denen Binge Eater besonders häufig betroffen sind, etwa Angst- und Panikstörungen und Depressionen. Diese sind bei Betroffenen mitunter schon vorhanden und werden durch die Essstörung noch verstärkt. Durch ihre Scham- und Schuldgefühle, starkes Übergewicht und ein meist geringes Selbstwertgefühl bis hin zu regelrechtem Selbsthass geraten nicht wenige Betroffene ins soziale Abseits. Dazu kommt, dass schätzungsweise jeder zehnte Binge Eater eine begleitende stoffliche Suchtkrankheit hat, z.B. Alkoholsucht1.

 

Ist die Binge-Eating-Störung besonders ausgeprägt und langanhaltend, so kann sie durchaus tödlich enden. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist das Sterberisiko im Vergleich zu Gesunden 1,5 Mal höher. Wird die Essstörung von einer anderen psychischen Erkrankung begleitet, steigt vor allem das Selbstmordrisiko. 

 

Binge Eating: die Ursachen

 

Ein kleines Mädchen isst ein Eis.Wie eine Binge-Eating-Störung entsteht, lässt sich nicht eindeutig festlegen. Experten glauben, dass es sich bei den Ursachen um einen Mix aus unterschiedlichen biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren handelt, die zusammenwirken und sich gegenseitig beeinflussen. Deutliche Hinweise gibt es darauf, dass Menschen, die bereits als Kinder oder Jugendliche stark übergewichtig waren, ein abnormes Essverhalten aufwiesen, immer wieder Diät hielten sowie emotionale Probleme hatten, später leichter zum Binge Eater werden. Generell gelten familiäre Aspekte im Zusammenhang mit der Binge Eating-Störung als bedeutsam. So wurde untersucht, dass sich bestimmte, sehr strenge Ernährungspraktiken der Eltern negativ auf das Essverhalten von Kindern auswirken können. Kinder, bei denen die Eltern bestimmten, wie viel und was sie essen dürfen, entwickeln wohl nur schwer ein natürliches Verhältnis zu Gefühlen wie Hunger oder Sättigung und können diese folglich nur schwer regulieren. Auch gilt eine allgemeine Anfälligkeit für psychische Störung als begünstigender Faktor, etwa durch entsprechende Erkrankungen in der Familie oder belastende bzw. traumatisierende Erfahrungen.

 

Ein gewisser Einfluss wird auch bestimmten Eigenschaften zugeschrieben. Impulsive Menschen gelten z.B. als anfälliger für solche Essstörungen als stets wohlüberlegt handelnde Personen. Des Weiteren können psychische Erkrankungen, aber auch bestimmte Entwicklungsfaktoren eines Menschen nicht nur als Folge einer Binge Eating-Störung auftreten, sondern auch mit ursächlich für diese sein, z.B. ein niedriges Selbstwertgefühl, Ablehnung des eigenen Körpers oder überzogene Schönheitsideale. Menschen, deren Gedanken ständig um ihre Figur, ihr Aussehen und ums Abnehmen kreisen, geraten oft in einen regelrechten Teufelskreis: Durch ständiges Fasten und Hungern kommt es zu Heißhunger- und Fressattacken, die wiederum zur Ablehnung der eigenen Person führen, denen sie wiederum nur durch unmäßiges Essen begegnen können.

 

Auch eine genetische Veranlagung für Essstörungen wird als mögliche Ursache in Betracht gezogen, dies ist aber bislang noch nicht ausreichend untersucht. „Es hat sich allerdings herausgestellt, dass Betroffene besonders anfällig für seelische Störungen wie Depressionen oder Angstzustände sind“, sagt die Therapeutin Simone Munsch im „Stern“4, „zudem scheinen Betroffene häufiger eine Veranlagung für Übergewicht in ihren Genen zu tragen.“

 

So wird die Binge Eating-Störung diagnostiziert

 

Wo immer die Ursachen im individuellen Fall liegen – um die Diagnose einer manifesten Binge Eating-Störung zu erhalten, müssen Betroffene, die merken, dass sie unter einer Essstörung leiden, natürlich zuerst einmal den Mut aufbringen, einen Arzt oder eine Beratungsstelle aufzusuchen. Und das tun sie oft erst nach Jahren – Scham, Angst, Verdrängung halten sie davon ab.

 

Erste Anlaufstelle könnte z.B. der Hausarzt des Vertrauens sein, oder gleich eine psychotherapeutische Beratungsstelle oder ein niedergelassener Therapeut.

 

Für die Diagnose Binge Eating-Störung müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, die der Arzt entsprechend genau abfragen wird, etwa wie häufig und über einen wie langen Zeitraum hinweg die Essanfälle auftreten, ob gegessen wird, bis es buchstäblich nicht mehr geht, und ob unabhängig von Hungergefühlen gegessen wird. Vor der Diagnosestellung wird der Arzt auch sämtliche relevanten persönlichen, familiären und sozialen Umstände abfragen. Auch eine umfassende körperliche Untersuchung ist für die Bestimmung der Diagnose ganz wichtig. So wird der Arzt den Body Mass Index berechnen und mittels Blut- und anderer Untersuchungen eventuell bereits vorhandene Folgeerkrankungen feststellen. Ausschließen kann er dadurch auch mögliche rein organische Ursachen für die Essanfälle. So könnte z.B. ein seltener Tumor der Bauchspeicheldrüse zu den Essattacken führen: Diese (meist gutartige) Geschwulst löst eine übermäßige Insulinproduktion und damit Heißhunger aus.

 

Wenn sich der Verdacht auf eine Binge Eating-Störung erhärtet, dann sollte ein geeigneter Facharzt oder klinischer Psychologe die detailliertere Diagnostik und anschließende Behandlung in die Hand nehmen. Es folgen dann noch weitere Befragungen und Tests, mit deren Hilfe schließlich eine genaue Diagnose am Ende steht. Dadurch kann ggf. auch festgestellt werden, ob bei dem Betroffenen der Essstörung noch weitere psychische Störungen oder Erkrankungen vorhanden sind.

 

Binge Eating: die Therapie

 

Steht die Diagnose fest, sollte sofort die geeignete Behandlung der Binge Eating-Störung beginnen. In Frage kommen dafür niedergelassene Therapeuten oder auch eine Fachklinik, in der Betroffene – je nach Art und Schwere der Störung – ambulant oder stationär behandelt werden können. Für die Therapie existieren inzwischen spezifische Leitlinien.

 

Je früher die Binge Eating-Störung behandelt wird, desto besser sind die Chancen auf eine Verbesserung und Heilung und umso geringer ist das Rückfallrisiko. Allerdings braucht jeder individuelle Fall seine eigene Zeit, manchmal sind das deutlich mehr als zehn Jahre. Laut „Netdoktor“1 haben Untersuchungen gezeigt, dass der Krankheitsverlauf kurzfristig günstiger ist als bei der Bulimie, insbesondere aber deutlich besser als bei der Anorexie (Magersucht). Ebenso hat sich herausgestellt, dass es bis zu 79 Prozent aller Patienten ein Jahr nach Beendigung ihrer Therapie deutlich besser geht. Schätzungsweise 70 Prozent der Betroffenen haben ihre Esssucht nach rund zwölf Jahren besiegt; die Rückfallquote liegt bei etwa sechs bis acht Prozent. 

 

Ambulant oder stationär, allein oder in der Gruppe

 

Wie die Therapie nun genau aussieht, das hängt natürlich vom jeweiligen individuellen Fall und der Schwere der Erkrankung ab. Üblicherweise besteht die Behandlung der Binge Eating-Störung – ob in der Therapeutenpraxis oder in der Fachklinik – aus mehreren Bestandteilen. Die Psychotherapie – durchgeführt in Einzelsitzungen oder als Gruppentherapie – wird zunächst den Blick der Patienten auf ihre Essstörung schärfen, ihnen alle Einzelheiten und Verhaltensmuster bewusst machen und ihnen helfen, die dabei auftretenden Gefühle zu benennen. Im Anschluss wird es darum gehen, die Selbstakzeptanz der Patienten zu erhöhen und auf dieser Basis geeignete Strategien zur Vermeidung der Essattacken zu entwickeln. Begleitet wird die Psychotherapie in der Regel von einer Ernährungsberatung, oft mit dem Fokus auf eine gesunde Gewichtsabnahme. Dazu werden Übungen vermittelt, mit deren Hilfe die Patienten lernen können, ihren Körper besser zu akzeptieren und mittels positiver Affirmationen ihr gewohntes negatives „Gedankenkarussell“ zu stoppen.

 

Manchmal kann es auch nötig sein, die Therapie mit Medikamenten zu unterstützen, bei Depressionen vor allem mit Antidepressiva. Depressive Patienten wären andernfalls meist gar nicht in der Lage, ihre Binge Eating-Störung an der Wurzel zu packen und sie zu überwinden.

 

Unbedingt die Nachsorge sicherstellen

 

Um Rückfälle nach Abschluss der Therapie zu vermeiden, ist auch eine gute Nachsorge unverzichtbar. Diese kann zum Beispiel in Wohn- oder Selbsthilfegruppen erfolgen, oder auch dadurch, dass ein Patient nach dem Klinikaufenthalt weiter ambulant zu einem Therapeuten geht. 

 

Fazit: Die Binge Eating-Störung ist eine schwere Erkrankung mit tragischen, manchmal sogar tödlichen Folgen. Wichtig ist, dass auch die Gesellschaft solche Erkrankungen kennt und ernstnimmt – und vor allem die Betroffenen nicht stigmatisiert und verurteilt. Denken wir alle daran, wenn wir z.B. das nächste Mal eine fettleibige Person sehen und uns ein spöttischer Spruch schon auf den Lippen liegt – wir könnten einen „Binge Eater“ vor uns haben, der Verständnis und Unterstützung benötigt. Betroffene dieser Essstörung sollten sich so frühzeitig wie möglich professionelle Hilfe suchen, um die durchaus guten Heilungschancen zu nutzen. Vielfältige Behandlungsmöglichkeiten sind ebenso vorhanden wie zahlreiche Anlaufstellen.

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Helga Boschitz
Autor: Helga Boschitz

Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.

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