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Außerklinische Entbindung - Was für eine Geburt zuhause oder im Geburtshaus spricht

Kommentar schreiben Aktualisiert am 06. März 2019

Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit. Das hat 1985 sogar die Weltgesundheitsorganisation WHO festgestellt. Sie rät dazu, die Betreuung der Schwangeren in die Hände einer Hebamme zu geben. Von klar definierten Ausnahmen abgesehen, könnte man deshalb die Entbindung in vielen Fällen wieder dahin zurückverlegen, wo sie lange genug mit Erfolg stattfand und für die werdende Mutter und das Baby auch am angenehmsten ist: in die eigenen 4 Wände oder auch in ein von Hebammen geleitetes Geburtshaus. Aber die außerklinische, natürliche Geburt ist seit Jahren selten geworden. Ihr Anteil bewegt sich zwischen 1 und 2 Prozent. Warum ist das so? Was sind die Voraussetzungen und Ausschlusskriterien für eine natürliche Geburt? Was sind die Vor- und Nachteile? Wie wird den Hebammen das Leben schwer gemacht? Wann bezahlt die gesetzliche Krankenkasse?

 

Wie werden Schwangere medizinisch betreut?

 

Schwangere werden oft betreut, als ob sie alle eine Risikoschwangerschaft hätten. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass 99 % der Schwangeren mehr Untersuchungen erhalten, als es die Mutterschaftsrichtlinien vorschreiben. Das verstärkt das Gefühl, dass Schwangerschaft eine behandlungswürdige Krankheit ist, und schürt Ängste, auch wenn sie nicht berechtigt sind.

 

Wie sieht es zurzeit mit Entbindungen in Deutschland aus?

 

Jedes dritte Kind kommt mit Kaiserschnitt auf die Welt. Laut Experten sind das 10-15 % mehr als medizinisch notwendig. Aber: Ein Kaiserschnitt ist planbar, kostet weniger Personal und bringt 1000 Euro mehr ein. Eigentlich war der Kaiserschnitt als Notfalloperation gedacht, wenn das Leben von Mutter oder Kind gefährdet ist. z.B. bei der Gefahr, dass die Mutter verblutet, oder wenn sich die Plazenta zu früh ablöst, das Baby quer im Bauch liegt oder sich die Herztöne des Kindes verschlechtern. Ein Mal Kaiserschnitt heißt auch nicht mehr immer Kaiserschnitt. Geburtshelfende Ärzte lernen gar nicht mehr, mit schwierigen Geburten umzugehen, wenn gleich das Skalpell gezückt wird. Kaiserschnitt ist ein Notfall-Instrument und nicht der sicherste Weg: Er kann wie jede OP Thrombosen und Wundheilungsstörungen mit sich bringen und bei den Kindern Allergien und Asthma begünstigen. Neben der „Kaiserschnitt-Epidemie“ (WHO) kommt der Notstand an Hebammen dazu.

 

Was ist eine natürliche Geburt? 

 

Bei einer natürlichen Geburt werden keine technischen Hilfsmittel angewendet. Sie sind echten Notfällen vorbehalten. Der Geburtsvorgang wird nicht durch ständige Untersuchungen gestört. Die Gebärende nimmt instinktiv die Position ein, die Ihr gut tut. Statt der Rückenlage ist das meist die aufrechte Position: Alles zieht und drückt nach unten. Die Wehen sind effektiver, die Geburt geht schneller, Dammrisse sind seltener.

 

Was sind die Vorteile einer natürlichen, außerklinischen Geburt?

 

Die Gebärende bestimmt das Programm. Sie gestaltet sich eine Umgebung, in der sie sich wohl und geborgen fühlt. Das sind die Örtlichkeit selbst, die Hebamme, mit der sie schon ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat, und die Menschen, von denen sie möchte, dass sie in ihrer Nähe sind. Der Partner kann stärker in den Geburtsvorgang einbezogen werden. Die werdende Mutter braucht nicht mehr den Ort zu wechseln. Sie ist aktiver, beteiligter, selbstbestimmt. Sie hat keinen Zeitdruck. Das Baby kommt in seinem familiären Umfeld zur Welt und kann sich gleich dort einfinden.

 

Welche Nachteile hat eine außerklinische Geburt? 

 

Die Hebamme ist zwar für bestimmte Notfälle, z.B. mit einem Sauerstoffgerät, ausgerüstet. Sie kann und darf auch einen eventuellen Dammriss nähen und die 1. Untersuchung (U1) durchführen. Bei schweren Komplikationen muss die Gebärende jedoch ins Krankenhaus gebracht werden. Dort hat sich die Schwangere der Klinikroutine und dem Schichtwechsel der Hebammen zu unterstellen. Ein Gefahrenpunkt ist auch der Kontakt mit Krankenhauskeimen.

 

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

 

Hebammen, die eine außerklinische Geburt begleitet, braucht eine entsprechende Qualifikation, die zwar theoretisch innerhalb der Hebammen-Ausbildung gefordert, aber in der Praxis nicht optimal durchgeführt werden kann: Die außerklinischen Unterrichte müssen von den Lehrkräften selbst organisiert und kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Deshalb bietet der Deutsche Fachverband für Hausgeburtshilfe e.V. zusätzliche Fortbildungen an, die neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit traditionellem Wissen verknüpfen. Adressen der so qualifizierten Hebammen finden Sie auf dfh-hebammen.de. Weitere Anlaufstellen mit Adressen von Hebammen sind auf hebammenverband.de zu finden.
Ansonsten müssen Mutter und ungeborenes Kind gesund und die Schwangerschaft unauffällig verlaufen sein. Das Umfeld zuhause sollte hygienisch, ruhig und harmonisch sein, wovon sich die Hebamme vorher überzeugt.

 

Wann ist eine außerklinische Geburt nicht möglich?

 

Komplikationen in der Schwangerschaft, wie Blutungen, Wehen, Diabetes oder Bluthochdruck wie auch Zwillinge oder Mehrlingen sprechen gegen eine Hausgeburt. Auch ein sehr großes oder zu kleines Baby, bei einer falschen Lage des Kindes oder der Plazenta und bei Risikoschwangerschaften sollte in einer Klinik entbunden werden.

 

Was ist in einem Geburtshaus anders als bei der Hausgeburt?

 

Ein Geburtshaus wird von mehreren Hebammen geleitet und bietet auch Kurse zur Geburtsvorbereitung und Rückbildung an. Es ist nicht so steril wie ein Krankenhaus und für Frauen geeignet, die eine vertraute Atmosphäre wünschen, aber nicht zuhause entbinden wollen. Adressen von Geburtshäusern finden Sie beim Deutschen Hebammenverband.

 

Wie ist die Situation von Hebammen in Deutschland? 

 

Schwierig. Hebammen können sich in Kliniken anstellen lassen und verdienen dann meist zu wenig. Besser sind sie freiberuflich gestellt, mit Belegbetten im Krankenhaus. Allerdings hat die gesetzliche Krankenkasse „für die bessere Betreuung“ der Gebärenden beschlossen, dass Hebammen höchsten 2 Frauen gleichzeitig betreuen dürfen. Das erschwert ihre Lage. Auch der Nachwuchsmangel wird dadurch nicht besser.

 

Interessant ist, dass die angestellte Hebamme so viele gebärende Frauen betreuen kann, wie sie es sich zutraut. Ist hier die Qualität nicht so wichtig? Und was ist, wenn zu wenige Hebammen auf der Station sind und die freiberufliche Hebamme dringend für eine dritte Geburt gebraucht wird? Dann hat sie die Wahl: Unentgeltlich arbeiten oder der unterlassenen Hilfeleistung bezichtigt werden.
Auflagen der EU fordern eine akademische Ausbildung von Hebammen. Deutschland ist spät dran mit der Umsetzung. Es gibt inzwischen immerhin erste Hochschulen, die den Studiengang Hebammenkunde anbieten. Dazu ein Erfahrungsbericht einer Hebamme.

 

Wann bezahlt die gesetzliche Krankenversicherung eine außerklinische Geburt?

 

Absolute Ausschlusskriterien für die Kostenübernahme sind ein insulinpflichtiger Diabetes der Mutter oder andere schwere Komplikationen, z.B. eine Uterusruptur. Ein relatives Ausschlusskriterium ist das Überschreiten des errechneten Geburtstermins um 3 Tage. Dann muss die werdende Mutter einen Facharzt aufsuchen, der die Unbedenklichkeit einer außerklinischen Geburt bescheinigt, damit die Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet werden. Auch ansonsten hat die Schwangere das Recht auf die Kostenübernahme.

 

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Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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