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Nachgefragt bei Frau Helm: Verzicht - Ist weniger mehr?

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Verzicht ist in. Und das ist auch gut so. Sei es die Fastenzeit ab Aschermittwoch, Intervallfasten als gesunder Trendverzicht oder weniger Fleisch, weniger Essen wegwerfen, weniger Plastikmüll, weniger Zeit am Handy verdaddeln. Selbst im Kino wird mit dem Film 100 Dinge Minimalismus thematisiert. Was braucht der Mensch wirklich? Auf was kann er gut und gerne verzichten und Luft schaffen für etwas Neues?

 

Markt oder Discounter?

 

Was das Essen anbelangt, sind wir satt. Nur noch ca. 14 % des Einkommens wird in Deutschland für Nahrungsmittel ausgegeben. 1960 waren es noch 38 % (Statistik). Wenn gespart werden muss, dann an anderer Stelle. Die Frage beim Essen stellt sich hier eher nach der Qualität, Verpackung und Menge. Was ist besser: 1 Plastiksack mit Möhren, von dem die Hälfte entsorgt wird, weil ich sie nicht brauche und sie langsam im Gemüsefach vor sich hin gammeln, oder ein paar Möhren vom Markt, gerade so viele, wie ich wirklich essen werde? Preislich kommt es auf dasselbe heraus. Bei der zweiten Variante spare ich mir Plastiktüte und Wegwerfen.

 

100 Gegenargumente

 

Es klingt so einfach und schlüssig. Und trotzdem muss ich mich immer wieder überwinden und 100 Gegenargumente in meinem Kopf entkräften, bis ich mich aufs Rad setze, um zu dem Markt in meiner Nähe zu fahren. Dort angelangt, bin ich total glücklich über die Produktauswahl von kleinen Betrieben aus der Gegend. Einfach zugreifen, was ich wirklich brauche. Nicht mehr und nicht weniger. Warum mache ich das nicht immer? (zu träge, zu bequem, zu weit von meinem inneren Gefühl entfernt, zu nahe zu Fuß am Discounter)

 

Abhängigkeiten checken und herunterfahren

 

Im Sucht-Bereich wird der Verzicht natürlich ganz schwierig. Verständlicherweise. Und süchtig auf Handy & Co sind wir alle. Ich habe mich gerade mal wieder dabei ertappt: Dieses Jahr soll es nach Australien gehen. Es gibt viel vorzubereiten, zu planen, die Etappen auszuwählen, Hostels und Inlandsflüge zu buchen, aber die ganz große Frage ist natürlich: Wie können wir sicherstellen, sofort am Flughafen in Sidney Netz fürs Handy zu haben? Ganz wichtige Sache!
Jetzt bin ich am überlegen, wie viel Verzicht ich mir in dem Urlaub auferlegen werde. Womöglich das iPad daheim lassen und nur mit dem kleinen Monitor vom Handy für fast 2 Wochen auskommen? Nur vorm Frühstück und am Abend online gehen? Im Moment verdränge ich diese schwerwiegenden Entscheidungen noch. Mal sehen, wie weit ich mich zugunsten von mehr Aufmerksamkeit für den 5. Kontinent einschränken kann. Zeit spare ich auf jeden Fall ohne Ende, wenn ich das Gerät tagsüber mal auslasse.

 

Etwas verzichte ich ja schon

 

Seit 2 Jahren rauche ich nicht mehr, sondern dampfe nur noch: Glycerin als Basisliquid plus Nikotin. Kein Aroma, also die ganz karge Nummer. Ich verzichte auch nebenbei auf eine Vielzahl von kanzerogenen Stoffen, u.a. auf Teer, der jahrelang meine Flimmerhärchen und mein feines Lungengewebe verklebt und mir einen Raucherhusten beschert hatte. Der Husten war gleich weg, durchatmen kann ich auch wieder und der Lungenfunktionstest beim Gesundheitscheck vor ein paar Wochen war perfekt. Okay, wir hätten da noch das Nikotin. Aber nobody is perfekt. Und ich bin sehr zufrieden mit meinem Wechsel.

 

Kippen ja, E-Zigarette nein!? Verbot am falschen Platz!

 

Im Zuge meiner Reisevorbereitungen habe ich mich informiert, wie es mit E-Zigaretten in Oman, wo wir uns nur 4 Stunden im Transit aufhalten, und in Australien aussieht. Kurz gesagt: schlecht. Ich habe sogar extra bei der Botschaft der Vereinigten Emirate angerufen: In Oman herrscht E-Zigaretten-Verbot auf der ganzen Linie. Jetzt kann ich das Teil nicht mal unauffällig im Koffer unterbringen, da die Akkus weltweit ins Handgepäck müssen, wo sie schwerlich verborgen werden können. In Australien ist Dampfen auch ein schwieriges Thema, aber das ist nicht mehr relevant, da ich beim Zwischenstopp schon ausgebremst werde. Es gibt diverse Länder mit Dampf-Verbot. Und ich verstehe nicht warum. Zigaretten sind überall erlaubt: Man darf weltweit rauchen, stinken, sich mit krebserregenden Stoffen vollpumpen und Berge von Kippen in die Umwelt schnippen und sie gleich mit vergiften. Keinen stört’s. Aber die saubere, zwar  nicht gesundheitsfördernde, aber doch weniger belastende Alternative ist streng verboten. Immerhin werde ich zu noch mehr Verzicht gezwungen: Die Auswahl besteht aus Nikotinkaugummis und Nikotinpflastern. Ich denke, ich nehme die Pflaster. Das bekomme ich hin.

 

Wie wäre es mit 3 Wochen ohne Online-Shopping?

 

Durch unzählige Seiten surfen, um online einkaufen zu können – ich will nicht wissen, wie viel Zeit ich dafür schon aufgewendet habe. Eigentlich suche ich XY und komme dann über ZZ und AB, ganz zu schweigen von LG zu KL. Meine Entscheidung im Reduktionsprozess: Noch 1 Chance, das wirklich Wesentliche online zu bestellen, das nur online gekauft werden kann. Dann 3 Wochen am Kalender abzählen und den Tag als Termin eingeben, an dem Online-Shoppen und auch Einkaufsbummel in der Stadt wieder erlaubt sind. Ich freue mich wie ein Schneekönig auf die ganze Zeit, die ich spare, und das Geld!

 

Und bevor der Konsum wieder losgeht: die Frühlings- und Sommergarderobe minimieren. 3 Wochen lang nichts kaufen und alles aussortieren, was seit mindestens 1 Jahr nicht getragen wurde. Das schafft Luft für einen Neuanfang. Häuten Sie sich mithilfe des Verzichts auf Einkaufen und bei dem Aussortieren Ihrer Kleidung. Ein neuer Mensch durch Reduktion!

 

Worauf wir gut verzichten können: Seelische Altlasten und negative Gedanken

 

Auch das ist leichter gesagt als getan. Aber beides sind Energie- und Zeiträuber. Sie kreieren Verhältnisse, die durch das gebetsmühlenhafte Wiederholen negativer Gedanken und das ständige Aufwärmen und Reproduzieren seelischer Verletzungen auch nur so sein können, wie sie sind: negativ und verletzend. Erlösender Verzicht erreiche ich nur durch regelmäßige Zen-Meditation und Yoga-Übungen. Die innere Reinigung, der Stopp für das Gedankenkarussell und die negative Haltung passieren dann garantiert und wie von selbst. Also worauf warte ich noch? Kurze Auszeiten, die inneren Augen für das öffnen, was aktuell da ist. Loslassen, was bremst und schwächt. Dankbar sein für das, was nährt. Platz schaffen für etwas Neues, das erfrischt und belebt.

 

Jeden Monat etwas Geld weglegen

 

Auch wenn Sie vielleicht gerade etwas knapp bei Kasse sein sollten: Wählen Sie eine Ihrem Einkommen entsprechende Höhe als Sparbetrag. Überweisen Sie den Betrag zuverlässig jeden Monat auf ein zweites Girokonto. Noch besser: Lassen Sie den Betrag, egal wie klein er ist, auf das zweite Konto überweisen. Nur so ist kontinuierliches Sparen gesichert, bei mir zumindest.

 

Last but not least: Auf Kilos verzichten

 

Das leidige Thema. Je mehr ich mich in den Wald von Studien zum Thema vertiefe, umso mehr zeigt sich: Es gibt keine ideale Methode für alle. Wie auch sonst im Leben, muss jeder für sich seinen individuellen Weg finden. Der Eine schwört auf Reduktionskost und es funktioniert, der nächste auf Intervallfasten und nimmt ab, und wieder ein anderer legt den Schwerpunkt auf Bewegung und die Pfunde purzeln.
Eine Studie sagt jedoch, dass Sport nicht unbedingt schlank machen muss. Eine andere widerlegt die These, dass der Tag mit einem reichhaltigen Frühstück beginnen sollte, um den Stoffwechsel in Schwung zu bringen. Das Krebsforschungsinstitut Heidelberg hat in einer Untersuchung gerade gezeigt, dass man in 12 Wochen mit Intervallfasten ca. 7 % abnimmt, mit Reduktionskost ca. 5 % und in der Kontrollgruppe, die sich nicht einschränken, sondern nur ausgewogen ernähren sollte, ca. 3 %. Nach einem Jahr hatten sich die Abnehmquoten von Intervallfasten und Reduktionskost relativ angeglichen (beide ca. 5 %). Die Kontrollgruppe lag nach 1 Jahr immerhin auch noch bei 1,7 % Gewichtsverlust. Das ist spannend: Die Kontrollgruppe nimmt allein dadurch ab, dass sie auf ihre Ernährung achtet, also bewusst wahrnimmt, was sie isst, und dadurch wohl achtsamer damit umgeht, was so vertilgt wird, wenn der Tag lang ist. Das finde ich beachtlich.

 

Ich für meinen Fall: Intervallfasten und Low Carb

 

Ich bin auch gerade mit der Reduktion des Winterspecks beschäftigt. Ich esse lieber wenig als viel Sport zu treiben, sage ich ganz ehrlich. Ich bin mehr der Yoga- als der Jogging-Typ. Einzig Radfahren dient mir noch zur körperlichen Ertüchtigung mit Cardio-Training. Ich habe mich für Intervallfasten mit Low-Carb entschieden. Es klappt gut. 4 Kilo sind schon herunter. 2 hätte ich gerne noch weg. Ach ja, noch eine Studie, die mir begegnet ist: Low Carb hilft, das reduzierte Gewicht zu halten. Da ist doch mal eine klare Ansage für alle.

 

Kurzer Leitfaden für mehr Spaß am Verzicht

 

Hier jetzt noch eine kurze Anleitung, wie ich mir Maßnahmen zum Verzicht gut verkaufen kann. Denn Verzicht klingt ja erst mal nicht so gut. Ich bekomme etwas weggenommen. Wer will das schon? Das geht doch nicht lange gut! Deshalb konzentriere ich mich auf die Vorteile, den Output des Verzichts. Was habe ich davon? Was gewinne ich dadurch, dass ich auf dies und das verzichte. Wie sieht mein Leben aus, wenn ich den Verzicht geleistet habe? Diese Frage beantworte ich mir immer wieder mit den positiven Effekten. Der Verzicht muss seinen Reiz haben, verlockend sein, eine angenehme Veränderung versprechen. Seine positiven Seiten müssen immer größer, weiter, detaillierter vor meinem inneren Auge entstehen. Dann bekomme ich richtiggehend Lust, diese schönen Seiten zu erleben und bin voll motiviert. Probieren Sie es aus!

 

Auch das motiviert: Sich an gute Erfahrungen mit Verzicht erinnern

 

Sicher haben Sie schon mal beabsichtigt oder unfreiwillig auf etwas verzichtet und dieser Verzicht hat wunderbare Früchte getragen. Mit Sicherheit! Es macht wirklich Sinn und stärkt die Motivation, wenn Sie sich an Verzichtsmomente zurückerinnern, die schwer gefallen sind oder vielleicht schmerzhaft waren, aber aus denen eine erfolgreiche Entwicklung in Ihrem Leben ergeben hat. Ohne diese Reduktionskost im finanziellen, beruflichen oder privaten Bereich und dem, was sie bei Ihnen bewirkte, was sie an Reserven aus Ihnen herausgeholt hat, würden Sie nicht dastehen, wo Sie heute sind!

 

Eigentlich hat der Exkurs zum Verzicht richtig Spaß gemacht. Hier und da Zeit, Energie, Verschwendung, Müll, Einkäufe, Geld, Altlasten in Geist und Seele und Kalorien eingespart und schon steigt die Lebenslust und die Konzentrationskraft auf das Wesentliche. Verzicht kann reinigen, klären, neue Seiten ans Licht bringen, Kraft freisetzen, die Gesundheit fördern, guttun. Ich genieße sie, die Fastenzeit. Auch zu anderen Zeiten im Jahr, wenn es gerade dran ist.

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Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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