Habe ich Depressionen? Und was kann ich dagegen tun?
Die Zahl an depressiven Störungen nimmt stetig zu. Auch die Pandemie hat ihren Beitrag dazu geleistet. Und Ärzte prognostizieren, dass immer mehr Menschen daran erkranken. Dabei trifft es vor allem immer mehr Jüngere.
Inhaltsverzeichnis
Was ist eine Depression?
Jeder hat mal einen schlechten Tag, an dem er alles negativ sieht und für manches keinen Ausweg weiß. Doch oft ist am nächsten Morgen schon wieder alles anders. Dann sind das Stimmungsschwankungen, die von äußeren Lebensfaktoren beeinflusst werden. Eine Depression dagegen ist eine psychische Erkrankung, die sich durch diverse Symptome wie z.B. anhaltend gedrückte Stimmung zeigen kann. Denken, Fühlen und Handeln von Betroffenen werden dabei stark beeinflusst. Durch das oft nicht eindeutig abgrenzbare Krankheitsbild wird die Depression auch von vielen Hausärzten oft nicht gleich erkannt.
Es gibt vor allem zwei Formen der Depression:
Die Unipolare, d.h., es gibt einzelne und wiederkehrende depressive Episoden. Sie sind die häufigsten Depressionsdiagnosen. Die Dauer einer depressiven Episode kann unterschiedlich lang sein – von einigen Wochen bis zu mehreren Monaten. Treten im Verlauf eines Lebens mehrere wiederkehrende depressive Störungen auf, spricht man von „rezidivierender (wiederkehrender) depressiver Störung“. Das ist bei den meisten Patienten der Fall. Bei einem Teilbereich, der dysthymischen Störung, sind die depressiven Symptome weniger stark ausgeprägt, aber über einen langen Zeitraum vorhanden. Für die Diagnosestellung müssen die Symptome mindestens zwei Jahre lang vorliegen.
Die zweite Variante ist die Bipolare Depression. Hier kommt es neben den depressiven Episoden auch zu „manischen Episoden“. Manische Phasen zeichnen sich durch Tatendrang, Ruhelosigkeit, fehlendes Schlafbedürfnis, übersteigertes Selbstwertgefühl oder auch unvernünftiger Risikobereitschaft aus. Sie können aber quasi über Nacht wieder in eine depressive Phase kippen. Bipolare Erkrankungen sind deutlich seltener als die unipolare Depression. Das oft bittere Ende bei beiden Varianten: Viele Betroffenen spielen früher oder später mit dem Gedanken, sich das leben zum nehmen. 10 bis 15 Prozent aller Patienten mit schwer ausgeprägten depressiven Phasen sterben durch Suizid.
Es trifft immer mehr – und jüngere
Laut Weltbericht der WHO zur psychischen Gesundheit, der im Juni 2022 veröffentlicht wurde, haben Depressionen und Angstzustände im ersten Jahr der Pandemie um 25 Prozent zugenommen. Dadurch ist die Zahl der Menschen, die eine psychische Erkrankung haben, weltweit auf fast eine Milliarde gestiegen. In Deutschland sind insgesamt im Laufe eines Jahres 8,2 % der Bevölkerung erkrankt. Das entspricht 5,3 Mio. Durch die Pandemie sind zusätzlich 477.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren von depressiven Symptomen betroffen. Bei weiblichen Jugendlichen kam es demnach zu einem Anstieg depressiver Symptome von 13 auf 35 Prozent in der Pandemie, bei den männlichen Jugendlichen zu einem Anstieg von sieben auf 15 Prozent. Oft liegt das am Leistungsdruck und den mangelnden Sozialkontakten, die nicht übers Internet erfolgen. Pro Jahr erkranken insgesamt etwa 1 bis 2 Personen von 100 neu. Die Depression trifft dabei alle Altersklassen, der Erkrankungsgipfel liegt allerdings zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Depressionen sind unabhängig von Geschlecht und sozialem Status.
Welche Symptome gibt es?
Die Symptome bei Depressionen sind vielseitig. Eine dauerhaft gedrückte Stimmung ist am meisten verbreitet, dazu können auch Schlaflosigkeit und Appetitstörungen kommen. Erste Anzeichen einer beginnenden Depression, die sich über Monate immer schwerer entwickeln kann, können auch unspezifische Bauch- und Kopfschmerzen sein, ständige Müdigkeit, nachlassendes sexuelles Interesse, Reizbarkeit, Angst und Apathie. Viele Betroffene sprechen aber auch von Konzentrationsstörungen. Oft ist Patienten am Anfang gar nicht klar, dass sie eine Depression haben. Sie verbinden das mit einem speziellen Ereignis, das sie frustriert und müde macht oder einfach nur mit zu viel Arbeit. Das kann gefährlich werden. Denn eine Depression kann sich schnell steigern. Einige Betroffenen schaffen es oft nicht mehr, Ziele zu verfolgen, sie vernachlässigen sich selbst und die Familie sowie auch den Beruf. Sogar Nahrungsaufnahme und Hygiene werden zu viel. Deshalb ist es auch typisch, dass Patienten mit Depressionen Gewicht verlieren. Bei 70 bis 80 Prozentder Patienten tritt die Depression in Verbindung mit Angstgefühlen bis hin zu Angststörungen auf. Im Extremfall kommt es zu Wahnideen, aber auch Verlangsamung der Reaktionen, Bewegungen und Sprache, Mimik und Gestik können sogar ganz starr wirken. Auch Denken und Auffassungsgabe leiden. In manchen Fällen wird deshalb oft erstmal eine Demenz vermutet. Die schlimmste Auswirkung einer Depression ist die Suizid-Gefahr.
Was sind die Ursachen?
Als Ursachen kommen neben traumatischen Erlebnissen und Verlusterlebnissen auch genetische Faktoren als Ursachen in Frage. Generell kann auch die Hormonumstellung nach einer Geburt oder in den Wechseljahren bei Frauen von depressiven Störungen begleitet werden. Aber auch durch ein Ungleichgewicht im Hormonhaushalt und der Botenstoffe in bestimmten Hirnregionen kann die depressive Stimmung ausgelöst werden. Darüber hinaus Medikamente, Alkohol und Drogen können ein Auslöser sein. Oft stellt man bei Erkrankten fest, dass es Menschen sind, deren Persönlichkeit sich durch Selbstunsicherheit, Überkorrektheit, Ordentlichkeit, Leistungsbetonung und Aufopferungsbereitschaft auszeichnet. Auch der frühe Verlust eines Elternteils, eine Störung der Mutter-Kind-Beziehung oder mangelndes Selbstwertgefühl seit frühester Kindheit können zu einer besonderen Verletzlichkeit gegenüber Enttäuschungen führen.
Wie stellt man die Diagnose?
Man muss nicht gleich in Panik verfallen, wenn man für einen kurzen Zeitraum gedrückter Stimmung ist. Das kommt bei jedem Menschen mal vor. Man darf nur nicht vergessen, dass die Übergänge fließend sein können. Beobachten Sie sich und Ihren Tagesablauf. Sind Sie unsicher, machen Sie bitte zuerst einen Termin bei Ihrem Hausarzt aus. Ein ausführliches Gespräch aber auch die Beantwortung standardisierter Fragebögen kann schon ersten Aufschluss geben. Dazu zeigt eine Untersuchung des Blutes bezüglich der Schilddrüsen-, Leber- und Nierenwerte erste Hinweise, genauso wie wie eine neurologische Untersuchung, um beispielsweise Migräne, Epilepsie Morbus Parkinson oder andere neurologische Erkrankungen auszuschließen. Auch bei regelmäßiger Einnahme bestimmter Medikamente kann der Arzt erkennen, ob sie die Ursache für eine mögliche Depression sein können. Darüber hinaus muss eine bipolare Störung vom Arzt ausgeschlossen werden.
Diese Therapie-Formen gibt es
Erst einmal die wunderbare Nachricht: In den letzten Jahren haben sich die Therapien stark weiterentwickelt. So kann 80 Prozent der Erkrankten dauerhaft erfolgreich geholfen werden. Aber welche Therapieformen gibt es eigentlich?
1. Akuttherapie:
Sobald eine Krankheitsphase auftritt, wird der Patient medikamentös eingestellt, bekommt aber auch zusätzlich eine Psychotherapie verordnet. Sie wird so lange fortgesetzt, bis sich der Zustand deutlich verbessert hat und dauert so im Durchschnitt vier bis acht Wochen.
2. Erhaltungstherapie:
Sie schließt sich an die Akkuttherapie an und soll dafür sorgen, dass der depressive Patient auch auf Dauer stabil bleibt. Ziel ist es, den Erkrankten mindestens vier bis sechs Monate symptomfrei zu halten und Rückfälle frühzeitig zu erkennen. Der Arzt begleitet diese Zeit, um gleich eingreifen zu können.
3. Medikamente:
Medikamente können dafür sorgen, dass der Erkrankte nicht in eine Klinik muss, sondern ambulant behandelt werden kann. Hier kommen sogenannte Antidepressiva zum Einsatz. Antidepressiva (es gibt hier verschiedene Wirkstoffe) greifen chemisch in den Hirnstoffwechsel ein und beeinflussen bestimmte Botenstoffe. Dabei handelt es sich zumeist um Serotonin und Noradrenalin. Diese sollen in engem Zusammenhang mit depressiven Erkrankungen stehen. Die Medikamente hellen die Stimmung auf und verringern gleichzeitig die körperlichen Symptome. Ihre Wirkung können sie allerdings erst nach der Einnahme von Wochen entwicklen. Bei leichten depressiven Störungen reichen natürliche Mittel meist aus. Oft wird dann beispielsweise Johanniskraut oder Baldrian verschrieben.
4. Psychotherapeutische Verfahren:
Ziel ist es hier, dem Patienten Strategien zur Bewältigung der trüben Stimmung an die Hand zu geben. Man baut gemeinsam neues Selbstvertrauen auf und vermittelt ihm, dass er eine Krankheit hat und die Symptome nicht selbstverschuldet sind. Es gibt ganz verschiedene Methoden, mit denen Patienten je nach individuellen Bedürfnissen
behandelt werden können. Bei der Verhaltenstherapie legt man zugrunde, dass jedes erlernte Verhalten auch wieder verlernt werden kann. Der Patient wird positiv gestärkt. Zuvor bekommt der Arzt heraus, welche Bedingungen zu welchen Reaktionen beim Patienten führen. Die aktive Mitarbeit des Patienten ist hier ganz wichtig. Bei einer Spezialform, der Kognitiven Therapie, wird dem Patienten beigebracht, wie er sich selbst beobachtet und seine Denk- und Verhaltensmuster positiv umdeutet. Er kann so mehr Selbstkontrolle in schwierigen Situationen entwickeln, die eine depressive Störung auslösen können. Dazu kommen vorbeugende Tools und das Erlernen des Umgangs mit Rückschlägen.
5. Systemische Therapie:
Bei dieser Therapieform stehen nicht nur die Patienten im Zentrum der Behandlung, sondern auch ihr gesamtes Umfeld. In den Gesprächen mit den Therapeuten geht es unter anderem um Beziehungen zu anderen Menschen und Konflikte mit der Familie, um ihre Bedeutung für die seelische Krankheit zu verstehen. Daher schließt die Behandlung nach Möglichkeit auch Familienmitglieder oder andere wichtige Bezugspersonen ein, wie Ehepartner, Kinder oder Freunde. Ziel ist es, Beziehungsmuster und Verhaltensweisen zu ändern. Dafür gibt es verschiedene Techniken und Methoden. Die Behandlung erstreckt sich meist über nicht mehr als 25 Therapiesitzungen. Sie kann als Familien-, Gruppen- oder Einzeltherapie durchgeführt werden. Sogar eine Langzeittherapie ist möglich. Studien erbrachten Hinweise, dass die Systemische Therapie zur Verbesserung von Depressionen beitragen kann.
6. Interpersonelle Therapie:
Vor allem bei älteren Menschen kann diese Therapie viel bewirken. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass innere und/oder soziale Konflikte in kritischen Lebenssituationen begründet, verdeutlicht und entsprechend gelöst werden müssen. Die Interpersonelle Therapie steht vor allem in Verbindung mit dem Verlust von geliebten Menschen und somit Trauer, zwischenmenschlichen Konflikten, Abschluss von Lebensabschnitten und sozialer Isolierung. Meist werden positive Veränderungen hier im Rollenspiel geübt.
7. Gesprächspsychotherapie:
Die Gesprächstherapie nach Carl R. Rogers konzentriert sich vor allemdarauf, dass der Patient lernt, seine Gedanke und Gefühle in Worte zu fassen, sie so ins Bewusstsein zu bringen und die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Darüber hinaus gibt es noch einige Sonderformen von Therapien wie die Lichttherapie, die vor allem bei einer Winterdepression eingesetzt wird. Grundsätzlich gilt: Körperliche Bewegung kann Ihnen gut helfen. Besonders Ausdauersportarten wie Joggen, Schwimmen oder Radfahren sind geeignet. Auch Teamsportarten wie Fußball können die Stimmung aufhellen.
Prognose und Heilungschancen
Die meisten depressiven Phasen bilden sich bei entsprechender Behandlung innerhalb weniger Monate zurück. In 15 bis 20 Prozent der Fälle kann es aber auch ein ganzes Jahr dauern. Bei zwei Drittel aller Patienten sind die depressiven Phasen abgegrenzt, bei einem Drittel tritt nur eine teilweise Besserung ein, maximal 15 % bleiben schon nach er ersten Episode chronisch depressiv.
Was können Angehörige tun?
Wichtig für alle Angehörigen ist es erstmal, die Symptome als Krankheit anzuerkennen. Vorwürfe sind hier völlig fehl am Platz. Ziehen Sie dann schnellstmöglich einen Arzt zu Rate. Für den Patienten, aber auch für sich selbst. Denn man muss lernen, sich und den Patienten nicht zu überfordern, sich mit Ratschlägen zurückzuhalten und geduldig zu bleiben. Nehmen Sie auch Ihre eigenen Gefühle, beispielsweise Ängste oder Frust ernst, und besprechen Sie das möglichst auch mit einem Therapeuten. Ganz wichtig: Äußert der Erkrankte Selbtstötungsabsichten, nehmen Sie die unbedingt ernst und alarmieren Sie den behandelnden Arzt.
Wichtige Adressen:
www.depression-diskussion.de
Suchen Sie eine Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe? Die finden Sie unter: www.nakos.de
www.wege-zur-psychotherapie.org
Telefonseelsorge rund um die Uhr und kostenfrei unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222.
https://www.mut-tour.de/die-mut-tour/
Die MUT-TOUR ist ein Aktionsprogramm, bei dem Menschen mit und ohne Depressionserfahrung
zusammenkommen, um sich für einen offenen Umgang mit dem Thema Depression stark zu
machen.
Deutsche Depressions-Hilfe:
Info-Telefon Depression
0800 / 33 44 533
Mo, Di, Do: 13:00 – 17:00 Uhr
Mi, Fr: 08:30 – 12:30 Uhr
Weiterführende Informationen zum Thema Depressionen bekommen Sie unter:
• www.gesundheitsinformation.de
• www.psychenet.de
• www.stiftung-gesundheitswissen.de
• www.wissenwaswirkt.org

Andrea Rodat ist seit 30 Jahren als Journalistin mit dem Schwerpunkt Gesundheit und Psychologie tätig. Sie war auch für verschiedene Magazine als Chefredakteurin und Stellvertretende Chefredakteurin verantwortlich. Seit zwei Jahren arbeitet sie als freie Autorin sowie Life und Business Coach. Sie unterstützt seit 2022 auch die Apomio-Redaktion als freie Autorin.