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EMDR - Effektive Traumatherapie? - Was steckt dahinter

Kommentar schreiben Aktualisiert am 06. November 2018

EMDR ist eine einfache und hocheffektive Therapie zur Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Im Mittelpunkt steht die bilaterale Stimulation. Bei ihr wird durch Augenbewegungen, Töne oder Berührungen die Blockade gelöst, die den Patienten bisher von der Verarbeitung des traumatischen Geschehens abgehalten hat. Das Ereignis bleibt zwar in Erinnerung. Es hat aber keine belastende Wirkung mehr. EMDR verschafft schnell Linderung. Die international anerkannte Methode wird von den Krankenkassen bezahlt. Sie ist auch für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen geeignet. Erfahren Sie hier, was EMDR genau ist, wie die Therapie abläuft, woher sie kommt und bei welchen seelischen Störungen sie noch eingesetzt werden kann.

 

Was ist ein Trauma?

 

Wenn ein Erlebnis tief erschüttert, ist der Mensch nicht in der Lage, es im Gehirn zu verarbeiten. Er ist wie betäubt, steht neben sich und kann weder fühlen noch handeln. Die Erinnerung daran wird eingefroren. Auch nach Jahren noch kann sie, durch Trigger (Schlüsselreize) wie ein Geruch, Geräusch oder Bild ausgelöst, als Flashback wieder auftauchen und erneut überwältigende seelische und körperliche Symptome hervorrufen. Man unterscheidet zwischen Einzeltraumatisierung durch Gewalt oder Unfall und komplexen Trauma-Erkrankungen, z.B. durch Misshandlung oder Missbrauch in der Kindheit oder im Krieg.

 

Wie zeigt sich eine Posttraumatische Belastungsstörung?

 

Symptome eines unverarbeiteten Traumas, die unter dem Begriff Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zusammengefasst werden, sind z.B. Angst, Panik, Herzrasen, Zittern, Schwindel, Übelkeit, Durchfall und Schweißausbrüche. Der Betroffene versucht, das Geschehen zu verdrängen und zu vergessen. Die unverarbeitete, „eingefrorene“ Erinnerung hinterlässt eine ständige subtile Alarmbereitschaft mit Nervosität, Angst, Reizbarkeit und Schlafstörungen. Gleichzeitig verliert der Trauma-Patient durch die starke Energieblockade seine Vitalität, das Interesse am Leben und sozialen Kontakten. Er stumpft emotional ab, fühlt sich fremd, lässt keinen mehr an sich heran und kann die Kontrolle über plötzlich auftauchende Aggressionen verlieren. Unbehandelt kann es zu Suchtproblemen und Depressionen kommen. 

 

Was ist EMDR? 

 

EMDR oder Eye Movement Desensitization and Reprocessing ist eine visuell-konfrontative Methode, um die eingefrorenen Erinnerungen an ein Trauma zu verarbeiten und zu integrieren. Ziel ist, mit der Erinnerung neu umgehen zu können, so dass sie nicht mehr belastet. Die Bilder der Erinnerung verblassen. Die Gefühle dazu bedrängen den Patienten nicht mehr. Er fühlt sich nach der Behandlung entspannt und befreit.

 

Was ist das Besondere an EMDR?  

 

EMDR wirkt schnell und effektiv. Es werden 40 % weniger Behandlungsstunden benötigt wie bei anderen Traumatherapien. Der Patient muss nicht alles erzählen, was ihn vor einer Retraumatisierung schützt. Es wird von Anfang an ein positiver Gegenpol zur Panik aufgebaut durch einen Satz, z.B. „Ich kann die Angst besiegen,“ und durch die Visualisierung eines sicheren, inneren Ortes, zu dem man in Gefahrensituationen immer zurückkehren kann.

 

Wer hat EMDR entwickelt?

 

EMDR wurde von der klinischen Psychologin Francine Shapiro 1987 in Kalifornien entdeckt und zu einer strukturierten Therapieform entwickelt. Shapiro hatte gerade eine Krebserkrankung besiegt. Bei einem Spaziergang im Park, bei dem sie über die schwierige Zeit der Krankheit nachdachte, bemerkte sie eine Entlastung von Ängsten und schwermütigen Gedanken, wenn sie ihre Augen seitlich hin und her bewegte. Sie untersuchte den Effekt in einer Studie und veröffentlichte ihre Ergebnisse 1989. Shapiro entdeckte weitere Stimulationsmethoden wie Töne und Handberührungen und bezog kognitive Komponenten mit ein. So konnte sie 1991 EMDR als Behandlungsmethode vorstellen.

 

Wer führt EMDR-Behandlungen durch?

 

EMDR-Behandlungen werden von ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten mit einer Zusatzausbildung in EMDR durchgeführt. Die Zertifizierung erfolgt in Deutschland durch EMDRIA. Sie ist Voraussetzung für die Erstattung durch die Krankenkassen. Zertifizierte Therapeuten finden Sie unter www.emdria.de/therapeuteninnen 

 

Was sind die 8 Behandlungsschritte in einer EMDR-Sitzung?

 

  1. Anamnese: Es wird die Vorgeschichte erzählt und geklärt, wie der Patient bisher mit dem Trauma umgegangen ist. Der Therapeut stellt die Diagnose und plant mit dem Patienten die Behandlung. Voraussetzung ist die geistige und körperliche Belastbarkeit des Btroffenen.
  2. Stabilisierung: Der Therapeut erklärt die Methode und prüft, ob und wie der Patient vor der Behandlung noch stabilisiert werden muss. Dazu gehört die Einführung in den „sicheren inneren Ort“, der immer als Fluchtmöglichkeit zur Verfügung steht.
  3. Bewertung: Patient und Therapeut finden eine einzelne Erinnerung, die genaues Abbild des Geschehens ist. Das kann ein Gedanke, Gefühl, Bild oder eine körperliche Empfindung sein. Der Patient bewertet auf einer Skala von 0-10, wie stark die Belastung gerade ist. 0 heißt keine Belastung, 10 das Schlimmste, das er sich vorstellen kann.
  4. Bilaterale Stimulation und Verarbeitung: Jetzt findet die Desensibilisierung statt: Der Patient konzentriert sich ca. 30 Sekunden auf die ausgewählte Erinnerung, während der Therapeut Zeige- und Mittelfinger vor seinen Augen schnell und rhythmisch nach rechts und links bewegt. Der positive Satz zu dem Bild wird innerlich gesprochen. Die Augen gehen mit der Bewegung mit. Alternativ können Töne, das Schnippen der Finger oder kurze Berührungen eingesetzt werden, um die Verarbeitung im Gehirn auszulösen und zu beschleunigen. Dabei können sich intensive Gefühle entladen, die aufgrund der Blockade bisher verdrängt waren. 
  5. Verankerung: Der positive Gedanke zu der Erinnerung und das Wahrnehmen des Bildes ohne Angst werden durch weitere Augenbewegungen gefestigt.
  6. Körpertest: Der Patient geht mit seiner Aufmerksamkeit durch den Körper. Wenn noch an einer Stelle Unruhe herrscht, wird sie mithilfe der Augenbewegungen bearbeitet.
  7. Abschluss: Die Sitzung wird reflektiert, die Bewertung auf der Skala von 0-10 erfragt. Sie liegt meist bei 0.
  8. Nachbefragung nach 1 Woche: Wie weit ist die Verarbeitung? Wenn keine negativen Gefühle und keine neuen Aspekte zum Ereignis mehr auftreten, wird die Behandlung abgeschlossen. Das ist meist schon nach wenigen Behandlungen der Fall.

 

Worauf beruht die Wirkung von EMDR? 

 

Man geht davon aus, dass die sichere Umgebung während der Konfrontation mit dem Trauma eine neue, positive Verknüpfung schafft. Der Patient entspannt. Die Angst wird weniger. Die Augenbewegungen beim EMDR entsprechen denen in der REM-Phase im Schlaf, in der während des Träumens Erinnerungen sortiert und abgespeichert werden. Das erleichtert die Verarbeitung. Die Stimulierung durch die Augenbewegungen fördert die Entspannung. Manche Therapeuten unterstützen diesen Prozess durch die Berührung der Arme.

 

Bei welchen Anwendungsgebieten neben der Traumatherapie ist EMDR noch wirksam?

 

EMDR wird auch bei Angststörungen, Phobien, Depressionen, Schmerzerkrankungen wie Phantomschmerzen und bei Trauer nach Verlusterlebnissen eingesetzt. Auch bei belastungsbedingten Verhaltensstörungen bei Kindern, zur Suchtprävention und zur Senkung der Rückfallquote bei Alkoholkranken hat sich EMDR bewährt.

 

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Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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