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Anti-aging, das unter die Haut geht: Micro Needling

Kommentar schreiben Aktualisiert am 11. Februar 2019

Aua! Hunderte feine Nädelchen, die über Gesicht, Hals oder Dekolleté rollen und in die Haut stechen – das klingt nach einer schmerzhaften Prozedur. Wer schön sein will, muss leiden? Beim Micro Needling, einer angeblich hautverjüngenden und faltenreduzierenden Methode der Hautbehandlung, scheint sich diese alte Weisheit wieder mal zu bestätigen. Doch: Ganz so schlimm kann es nicht sein, denn die pieksende Prozedur ist bei immer mehr Frauen schwer angesagt. Längst sind es nicht mehr nur Hollywood-Stars, die auf die Anti-aging-Wirkung dieser Behandlung schwören. Auch hierzulande bieten Kosmetikstudios und Hautarztpraxen mit zunehmendem Erfolg das Micro Needling an und versprechen, dass sich die Haut durch die Behandlung quasi selbst erneuert und dadurch das Hautbild verfeinert wird, dass das Needling Falten glättet und sogar unschöne Narben unauffälliger werden lässt. Anti-aging-Wunder – das sei vorab schon mal festgehalten – kann das begehrte Nadelstechen jedoch nicht bewirken!

 

Das Micro Needling wurde in Frankreich entwickelt und ist ein Teil der sogenannten Mesotherapie. Diese bezeichnet alle Behandlungen, die bestimmte Wirkstoffe in die obersten Haut­schichten einbringen. Beim Micro Needling „stanzen“ die feinen Nädelchen kleine Eintrittswege in die Hautoberfläche. Durch diese Wege werden dann bestimmte, je nach Anwendungsgebiet unterschiedliche Wirkstoffe in die Haut geleitet, sodass z.B. antioxidative und antientzündliche Substanzen, Feuchtmacher oder Proteine direkt unter der Hautoberfläche und von dort aus bis in tiefere Hautschichten ihre Wirkung entfalten können. Oft wird konzentrierte Hyaluron­säure als Wirkstoff in die Haut eingebracht, ggf. noch zusätzlich mit körpereigenen Proteinen angereichert.

 

Vor allem das medizinische Micro Needling, das meist von entsprechend qualifizierten Hautärzten, aber auch von speziell ausgebildeten Kosmetiker/-innen durchgeführt wird, basiert auf dem hauteigenen Prozess der Wundheilung: Die feinen Nadeln, die in die Haut eindringen, lösen kleinste Verletzungen aus. Der Organismus fängt sofort an, diese Wunden zu heilen: Bestimmte Botenstoffe und Substanzen, die das Zellwachstum anregen, werden in der Haut ausgeschüttet, die Bildung der hautstraffenden Stoffe Kollagen, Elastin und Hyaluronsäure wird gefördert. Daraus soll sich dann die wundheilende, straffende und festigende Wirkung des Needling ergeben.

 

Indikationen: Von ersten Fältchen bis zu schweren Hautproblemen

 

Klassischerweise wird die Haut von Gesicht, Hals und Dekolleté mit dieser Methode behandelt. Man setzt sie vorrangig ein bei unterschiedlichen beginnenden Zeichen der Hautalterung, vor allem gegen Fältchen und Falten, Cellulite und Schwangerschaftsstreifen, bei erschlafftem und schwachem Bindegewebe sowie bei Pigmentstörungen und Akne-, Verbrennungs- und anderen Narben. Wird das Micro Needling zur Behandlung von erheblichen Narben eingesetzt, etwa nach Verbrennungen, übernimmt häufig auch die Krankenkasse die Kosten. Ansonsten müssen diese privat getragen werden – sie beginnen in der Regel ab etwa 100 Euro pro Behandlung und können, je nach Methode und Behandler, um ein Vielfaches höher liegen. Ein nicht unwesentlicher Faktor bei eher schmalerem Geldbeutel: Für die Produktion von neuem Kollagen und die Bereitstellung neuer Zellen, die hauteigenen Prozesse also, die das Micro Needling fördern soll, braucht die Haut ihre eigene Zeit. Deshalb bleibt es in aller Regel nicht bei einer Behandlung. Kosmetiker/-innen und Hautärzte empfehlen in der Regel insgesamt etwa sechs bis acht Behandlungen, die zunächst einmal in der Woche oder 14-tägig, später dann etwa alle acht Wochen stattfinden sollten. Mit ersten sichtbaren Veränderungen kann, wie es heißt, nach etwa 12 Wochen bis spätestens sechs Monaten gerechnet werden.

 

Zwischen den professionellen Behandlungen ist es übrigens möglich, ein Micro Needling zuhause durchzuführen, vor allem um die Haut auch bei längeren Behandlungspausen mit ausreichend Feuchtigkeit zu versorgen. Dafür gibt es Micro Needling-Roller mit kürzeren Nadeln, die man z.B. in Kombination mit einem Hyaluron-Serum kurartig anwenden kann. Ob diese Do-it-yourself-Behandlung geeignet ist oder vielleicht sogar schaden kann, das sollte in jedem individuellen Fall mit der Kosmetikerin oder dem Hautarzt abgeklärt werden. Zudem versteht sich, dass man gründlich in die Anwendung des Heim-Geräts eingeführt werden sollte. In jedem Fall gilt: Eine Selbstbehandlung muss immer besonders vorsichtig, ohne Druck auf die Haut auszuüben, durchgeführt werden. Auch sollte man besonders auf die Hygiene achten, also das Gerät beispielsweise nie mit jemand anderem teilen.

 

Micro Needling im Kosmetikstudio oder in der Hautarztpraxis: So läuft es ab

 

Die Behandlung wird im Sitzen oder Liegen durchgeführt. Zunächst wird das zu behandelnde Hautareal desinfiziert und, damit es nicht zu schmerzhaft wird, leicht betäubt, meist mit einer lokalanästhetischen Creme, die erst einmal einwirken muss. Je nach Eindringtiefe der Nadeln wird auch eine intensiver wirkende lokale Betäubung verabreicht – das ist meistens bei den medizinischen Anwendungen der Fall, bei denen die Nadeln nicht nur in die äußerste, sondern auch in die zweite Hautschicht gelangen. Der „Aua-Faktor“ hängt von der Tiefe des Needling, aber auch von der individuellen Schmerzempfindlichkeit des oder der Behandelten ab.

 

Ist die Betäubung wirksam, werden – je nach Methode – Nadelwalzen (auch Derma-Roller genannt) eingesetzt oder ein sogenannter Derma-Pen. Dabei handelt es sich um einen vibrierenden Stift mit vielen feinen Nädelchen an der Spitze. Die Walze oder der Stift wird mehrfach, immer in unterschiedlichen Richtungen, über die gestraffte Haut gerollt. Beim medizinischen, tiefergehenden Needling blutet es etwas. Deshalb sorgen, während die jeweils genutzten Wirkstoffe in die Haut eindringen, blutstillende Kochsalz-Kompressen dafür, dass das austretende Blut sofort aufgesaugt wird und auf den kleinen Wunden keine Krusten entstehen.

 

Kosmetisches oder medizinisches Needling?

 

Es gibt zwei Formen des Micro Needlings: die kosmetische und die medizinische Behandlung. Der Unterschied liegt, wie schon erwähnt, in der Tiefe, in der die Nadeln in die Haut eindringen – wobei die Tiefe auch den Grad der Wirksamkeit bestimmt.

 

Beim eher oberflächlichen rein kosmetischen Micro Needling erreichen die Nadeln eine Tiefe von maximal 0,3 Millimeter, das bedeutet, dass sie nur bis in die Epidermis, also die oberste Hautschicht, dringen. Experten sind sich weitgehend einig, dass der Effekt hierbei relativ gering ist – die Kollagenproduktion wird dadurch allenfalls minimal angeregt. Nennenswerte sichtbare Anti-aging-Effekte sind hierbei also keinesfalls drin, allerdings kann sich die Haut durch die Behandlung durchaus positiv verändern. Erfahrungsberichte sprechen von einem insgesamt frischeren, besser durchbluteten Hautbild, und auch erste feine, nicht allzu tiefe Fältchen sollen sich dadurch glätten lassen. Viele Hautexperten befürworten das kosmetische Micro Needling jedoch vor allem als vorbereitende Methode, mit der die Haut besser durchlässig für pflegende und heilende Wirkstoffe gemacht werden kann.

 

Beim tiefer gehenden medizinischen Micro Needling wird dagegen vor allem auf die Stimulierung der Kollagenproduktion und die Bildung neuer Hautzellen abgezielt; es erfolgt sozusagen eine „Hauterneuerung von selbst“. Für diesen Prozess müssen die Nadeln weit tiefer in die Haut eindringen als das beim rein kosmetischen Needling der Fall ist. Sie gelangen in eine Tiefe von ein bis drei Millimeter, wobei bereits ab 0,5 Millimeter Tiefe die Schicht der Lederhaut (Dermis) erreicht wird. Das bedeutet, dass sich durch die Förderung der Hautregeneration in den tieferen Schichten auch stärkere Falten, z.B. auf der Stirn oder um die Augen, reduzieren lassen. Dadurch, dass das medizinische Micro Needling die Haut zur Produktion von straffendem Kollagen anregt und die Entstehung neuer Hautzellen fördert, können auch größere Narben oder Schwangerschafts- und Dehnungsstreifen verringert, die Haut gefestigt und ein insgesamt verjüngter, strafferer Teint erzielt werden. Allerdings ist auch ein tief gehendes, medizinisches Micro Needling weitgehend wirkungslos bei in die Haut eingegrabenen Falten und nachhaltig erschlafftem Gewebe.

 

Welche Nebenwirkungen kann es geben?

 

Die möglichen Nebenwirkungen eines Micro Needlings sind zwar in der Regel harmlos, können aber durchaus unangenehm sein. In den ersten Stunden läuft aus den Einstichkanälen eine helle Wundflüssigkeit ab; dies ist normal und klingt schnell wieder ab. Relativ häufig treten nach der Behandlung leichte Rötungen und/oder Schwellungen an den entsprechenden Stellen auf; diese Erscheinungen verschwinden aber meist nach einigen Stunden von selbst wieder. Seltener kommt es zu länger anhaltenden Rötungen und Schwellungen, zu Ödemen und Pigmentflecken, und auch eine Infektion der kleinen Wunden oder punktuelle Blutungen mit nachfolgender Krustenbildung sind grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Allerdings sind unerwünschte Neben- und Nachwirkungen wie Infektionen und Krustenbildung normalerweise vermeidbar, wenn alle nötigen Hygiene- und Vorbeugungsmaßnahmen während der Behandlung durchgeführt wurden.

 

Das A&O des Micro Needlings – was man unbedingt beachten sollte ...

 

Ganz klar: Ob beim Kosmetikstudio oder beim Hautarzt – wer immer ein Micro Needling anbietet, sollte fundiertes Fachwissen aufweisen können und viel Sorgfalt bei der Durchführung walten lassen. Dazu gehört schon vor der Behandlung eine umfassende Beratung inklusive gründlicher Hautanalyse. Elementar wichtig ist auch eine einwandfreie Hygiene im Studio und in der Praxis, um Infektionen der Haut zu vermeiden: Desinfektion von Haut und Geräten, Verwendung von Einmal-Materialien und das Tragen eines Mundschutzes beim Behandler sind Pflicht. Ein Zeichen von Qualität ist es auch, wenn man sich für die Vorbesprechung und -behandlung sowie für die Behandlung selbst viel Zeit nimmt. Ein „Schnell-schnell-Needling“, das weniger als 30 Minuten dauert, ist meist nicht wirklich seriös.

 

Und nach dem Needling? Falls draußen die Sonne scheint, muss die Haut direkt nach der Behandlung sehr gut vor UV-Strahlung geschützt werden – ein Lichtschutzfaktor von mindestens 50 ist dann Pflicht, andernfalls drohen Pigmentflecken. Viele Experten sprechen sich deshalb dafür aus, Needlings eher in den sonnenarmen Jahreszeiten durchzuführen. Auch sollte man 12 Stunden nach dem Needling kein Make-up auftragen und jegliche Schweißbildung vermeiden – also sind direkt nach der Behandlung Sport, Sauna und anderweitige körperliche Anstrengungen strikt tabu!

 

... und wann es besser ist, ganz darauf zu verzichten

 

Micro Needling kann übrigens in bestimmten Fällen auch schaden, daher ist zumindest Vorsicht angezeigt, wenn die Haut sehr trocken ist oder wenn eine Rosacea oder Couperose vorliegt und die Haut dadurch zu Rötungen neigt. Und natürlich gibt es darüber hinaus auch noch Faktoren, die strikt gegen ein Micro Needling sprechen. Patienten mit Hautveränderungen wie Leberflecken, Herpesbläschen oder Warzen, mit aktiver Akne, Ekzemen, Schuppenflechte, Neurodermitis und Hautwunden sollten auf eine solche Behandlung ebenso verzichten wie Personen mit akuten Infektionen, unkontrolliertem Diabetes, Hautkrebs oder einer vorangegangenen Chemotherapie.  

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Lisa Vogel
Autor: Lisa Vogel

Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.

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