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Telepharmazie: Per App und Videochatfenster Kunden modern beraten

Kommentar schreiben Montag, 28. Juni 2021

Laut § 17 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ist es Apotheken seit 22. Oktober 2019 zulässig, die Beratung auch “im Wege der Telekommunikation” zu absolvieren.1 Damit ist automatisch die Telepharmazie per Videochat erlaubt, die ebenfalls ein Telefonat darstellt. Die Videoberatung ermöglicht sogar mehr, weil sie den Patienten nicht nur akustisch, sondern auch optisch erfahrbar macht. Bislang bieten laut Aponet.de bereits 350 Apotheken diesen Dienst an.2 Die Tendenz zeige sich steigend. Dazu schreibt die ABDA: “Auf www.aponet.de gibt es eine Suchmöglichkeit, um teilnehmende Apotheken (Stichwort Telepharmazie in der rechten Spalte) zu finden.”3

 

 

Bisherige Telepharmazieangebote

Seit 2020 wurden vier telepharmazeutische Videoplattformen in Deutschland gelauncht. Die Coronapandemie war sicherlich ein Katalysator für die digitale Verlagerung der Apothekenberatung in das World-Wide-Web. Bislang werden vier Telepharmazieangebote großflächiger in Deutschland genutzt. Dazu zählen die Plattformen Apomondo, Clickdoc von CompuGroup Media, Zoom und Apotheken.de. Ihnen gemeinsam ist der Vorteil, dass sich Apothekenkunden via Videosprechstunde von einer Apotheke beraten lassen können. Das ermöglicht besonders immobilen, akut kranken, gestressten und familiär eingebundenen Kunden, von den Vorteilen des digitalen Zeitalters zu profitieren. Für Apotheken, die eine Videosprechstunde anbieten, bietet sich so die Gelegenheit, einen großen Schritt auf unflexiblere Kunden zuzugehen – und dadurch auf lange Sicht Stammkunden einschließlich deren Familien an sich zu binden.

 

Telepharmazie: Per App und Videochatfenster Kunden modern beraten | apomio.de | Telepharmazeutische Videoplattformen in Deutschland

 

Videoberatung: Eher obligatorisch als fakultativ

Die Pandemie hat Videoberatung mehr als salonfähig gemacht. Inzwischen konsolidieren sich bereits mehrere Telepharmazieanbieter auf dem Markt. Laut Wiwo.de (WirtschaftsWoche) verzeichneten beispielsweise Onlineärzte im Jahr 2020 rund 40 Prozent mehr Behandlungen als noch im Jahr 2019, Tendenz steigend.4 Etwa der Telemedizinanbieter ZAVA berichtete der WirtschaftsWoche gemäß über knapp fünf Millionen Videobehandlungen von Patienten in Deutschland, Frankreich, Irland und Großbritannien. David Meinertz, Gründer und CEO von ZAVA, gab dort als Prognose an, dass in rund fünf Jahren knapp die Hälfte aller Arzt-Patienten-Kontakte online geschehen werden.5

Wegen der zunehmenden Digitalisierung der Kunden ist jetzt eigentlich die perfekte Zeit, sich für die Telepharmazie zu entscheiden. Sämtliche telepharmazeutischen Anbieter haben mit der Coronakrise gestartet, um ihren Dienst auf dem Markt anzubieten. Apotheken sollten mit der Zeit gehen und technische Services anbieten.

 

Für welche Apotheken ist die Telemedizin dringlicher als für andere?

Die Dringlichkeit, wann eine Apotheke in welchem Maße diese zusätzliche Dienstleistung anbietet, ist sicherlich stark vom Kundenmodell der Apotheke abhängig: Es gibt Apotheken, die eine starke Anzahl an Laufkunden und prinzipiell wenig Zeit für zusätzliche technische Dienste haben. Dann gibt es wiederum beispielsweise Stadtrandapotheken oder Landapotheken, die um eine recht kleine Kundschaft ringen und deshalb unbedingt nach neuen Marktnischen und Services Ausschau halten sollte. Wie bereits betont: Wenn sich anhand der Kundenbedürfnisse zeigt, dass technische Services und der damit verbundene Komfort gerne genutzt wird, sollte eine Apotheke die Telepharmazie bald in ihr Aufgabenprofil einbauen.

 

Telepharmazie: Per App und Videochatfenster Kunden modern beraten | apomio.de | Laptop und kleines Paket mit Pillen, Tabletten und Medikamenten

 

Indikator: Nutzung des Botendienstes

Es gibt jedoch einen Indikator für eine Apotheke, ob dieser wirtschaftliche Zweig eine wertvolle Zusatzeinnahme darstellen kann: Dort, wo der Botendienst stärker nachgefragt wird, kann man das Beratungssegment wahrscheinlich ideal um die Videoberatung erweitern. Wahrscheinlich wird auch nach der Coronapandemie das Bedürfnis der Kunden bleiben, sich bequem vom Sofa aus Medikamente liefern zu lassen. Denn besonders jüngere Kunden, die Stammkundschaft von morgen, gehören der sogenannten Generation Y und Z an. Sie rücken Freizeit und Work-Life-Balance stärker in den Fokus. Und auch die ältere Kundschaft ist in der Regel bereits länger digitalisiert und macht sich die Vorteile des technischen Zeitalters gerne zu Nutze.

 

Lässt sich Telepharmazie bislang abrechnen?

Bis jetzt bieten Apotheken Videogespräche mit ihren Kunden noch kostenfrei an. Dieses Instrument bietet aktuell also hauptsächlich zwei nutzbare Momente: Kundenbindung und Zusatzverkäufe. Abrechnungstechnischen bieten die bisherigen Plattformen mithilfe ihrer Software zwar administrative Tools an, die das Abrechnen erleichtern sollen. Doch bislang können Sie während des Videogesprächs nur Daten in das Endgerät eingeben, die anschließend exportiert werden können. Eine klassische Honorierbarkeit wie bei der Lauertaxe, wonach Sie dem Privatkunden oder der gesetzlichen Krankenkasse das Beratungsgespräch in Rechnung stellen können, ist bei den Softwareanbietern bereits in Arbeit. In wenigen Monaten dürfte die Telepharmazie bereits abrechenbar sein. Dann dürfte zwischen Krankenkassen und Apotheken verhandelt sein, wie viel Honorar die Apotheken je stattgefundenem Kundengespräch verrechnen können.

 

Telepharmazie: Per App und Videochatfenster Kunden modern beraten | apomio.de | Laptop und Medikamente aus der Apotheke ausgebreitet auf einem Tisch

 

Apomondo, Clickdoc, Apotheken.de oder Zoom?

Alle bisherigen Plattformen für Telepharmazie bieten zunächst eine hervorragende Bild- und Tonqualität. Diese Parameter sind für eine hervorragende Beratung entscheidend, darauf insistierte auch die ABDA in einer Pressemitteilung vom 9. April 2021: „Das Angebot richtet sich vor allem an Patienten, die nicht selbst in die Apotheke kommen können (...). Anders als am Telefon kann sich der Apotheker oder die PTA (…) den Hautzustand des Patienten ansehen oder das Apothekenteam zeigt die Anwendung von Arzneimitteln wie Asthmasprays oder Insulinpens, um auf mögliche Anwendungsfehler aufmerksam zu machen.“6

Die Apomondo GmbH aus vier befreundeten bayerischen ApothekerInnen operiert mittels einer kostenfreien App (Apomondo Free) und einer kostenpflichtigen Upgrade-App (Apomondo Plus, 49 Euro monatlich).7 Seit Frühling 2020 bietet auch die Clickdoc Videoberatung der Firma Compugroup eine Software für die Videoberatung aus der Apotheke an. Im Gegensatz zu Apomondo ist das Konzept von Clickdoc durchweg kostenpflichtig und bietet abhängig vom Beitrag die reine Videoberatung oder zusätzlich eine Softwarelösung für den Mail-und-Sale-Botendienst oder für die SmartCourier®-Botendienstversorgung mit Rezeptabholung, Serienfahrt und Echtzeit-Tracking.8

Im Gegensatz zu diesem Drittanbieter bieten Apomondo und Apotheken.de ihre Softwarelösungen für die eigene Berufsgruppe an, sodass keine externe Berufsgruppe von Apothekeneinnahmen profitiert. Auch Apotheken.de ist ein bundesweit größerer Zusammenschluss von Apotheken. Ihre Videoberatung wird seit August 2020 zum Preis von monatlich rund 25 Euro angeboten.9 Wie Apomondo erfordert auch Apotheken.de lediglich einen internetfähigen Computer oder Handy. Der Dialog mit dem Apotheker wird von beiden Anbietern mit Hilfe eines zugesandten Codes vor dem Videogespräch individualisiert. Datenschutzrechtlich gehen alle Anbieter auf Nummer sicher. Besonders Apotheken.de achtete von Anfang an darauf, dass die Softwarelösung datenschutzkonform erfolgt. Projektleiter Thomas Koch betonte gegenüber DAZ.online, dass ihr Projekt Ende-zu-Ende verschlüsselt und die Server in Deutschland stünden.10 Hinzu komme, dass Apotheken.de grundsätzlich keine Patientendaten speichere.11 Auch Zoom, Skype, WhatsApp, Apple Facetime und andere Plattformen ermöglichen es Apotheken prinzipiell browserbasierten und kostenfreien Zugang zur Videotelephonie zu erhalten. Da hier jedoch datenschutzrechtliche Mängel vorliegen – die Server in der Regel nicht in Deutschland oder Europa liegen – könnten hier die besonders sensiblen Gesundheitsdaten missbraucht werden. Aufgrund der in Deutschland geltenden DSGVO-Datenschutzgrundverordnung sollten Apotheken von diesen Anbietern in jedem Fall absehen.

 

Telepharmazie: Per App und Videochatfenster Kunden modern beraten | apomio.de | Ältere Dame sitz mit Kopfhörern am Laptop und winkt

 

Wie funktionieren Videosprechstunden?

Nachdem der Inhaber oder Leiter einen oder mehrere Rechner oder Laptops durch IT-Experten abgesichert hat, kann die Videoberatung beginnen. Dafür entscheidet sich der Verantwortliche für eine datenschutzrechtlich zuverlässige Videotelefonie-Plattform. Die heiklen Gesundheitsdaten, die der Patient während der Videotelefonie preisgibt, müssen haftungstechnisch in einem sicheren Raum bleiben. Apotheken registrieren lediglich ihre Daten beim Softwareanbieter. Bucht der Patient auf der jeweiligen Plattform Apomondo, Apotheken.de oder bei Clickdoc einen Termin, erhält er vor dem Videochat einen Code, mit dem er Zugang zum Beratungsgespräch erhält. Die browserbasierte Telepharmazie kommt bei sämtlichen Plattformen bisher ohne zusätzlich notwendige EDV aus. Das bedeutet, dass Installationen sowie Downloads nicht nötig sind. Die ABDA beschreibt das Vorgehen recht anschaulich wie folgt: “Grundlage bildet eine App, die sich die Patienten auf ein Handy, Tablet oder den Laptop/PC herunterladen können. Wichtig sind eine Kamera und ein Mikrofon.” Lediglich ein internetfähiges Endgerät jeglicher Form wird demnach benötigt.12

 

Handhabung während des Gesprächs bei Telepharmazie-Anbietern oft ähnlich

Während des Gesprächs kann der Apotheker je nach Softwarelösung, zumindest bei Upgrade auf die kostenpflichtigen Zusatzleistungen, den Patienten über Arzneimittel beraten oder gemeinsam mit ihm Medikationslisten zu erstellen. Ebenso lassen sich gemeinsam mit dem Kunden pharmazeutische Informationen zu einem Artikel aus der Lauertaxe analysieren. Clickdoc hebt sich von bisheriger Telepharmazie ab, indem es ebenfalls Videoberatung für Ärzte und andere Gesundheitsdienstleister anbietet. Im Fokus steht hier offenbar, zukünftig die Telemedizin mit der Telepharmazie zu verknüpfen. So gibt das Unternehmen CompuGroupMedical (CGM) in einem Erklärvideo bekannt, dass sich Apotheker auf ihrer Videoplattform mit Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen bezüglich geeigneter Hilfsmittel und Pflegeutensilien auszutauschen können - oder sich gemeinsam mit dem Arzt per Videoberatung Medikationspläne von Apothekenkunden bearbeiten lassen.13

Dieses Tool lasse sich freilich auch für die Kommunikation mit Kollegen in Homeoffice oder einer Filialapotheke nutzen.14 Doch auch TeleClinic und das TeleClinic-Konkurrenzunternehmen ZAVA kooperieren offenbar mit Versandapotheken (DocMorris, Shop Apotheke) oder Präsenzapotheken (an Noventi angeschlossene Apotheken), die das während der Sprechstunde verschriebene Medikament zeitnah beraten und ausliefern.15

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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