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Apotheken-Stärkungsgesetz

Kommentar schreiben Dienstag, 25. Juni 2019

Der Referentenentwurf zum Apothekenstärkungsgesetz des Bundesgesundheitsministeriums sieht einen Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht mehr vor. Das Gesetz möchte vielmehr Vor-Ort-Apotheken finanziell und strukturell stärken. Vorrangiges Ziel ist es, das Boni-Urteil des Europäischen Gerichtshof durch eine SGBV-Klausel unwirksam zu machen. Dafür will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Rezept-Boni verbieten, ebenso wie  Arznei-Automaten und unlautere Rezept-Botendienste. Dagegen fordert der Entwurf höhere Apotheker-Honorare, Apotheker-Impfungen und Mehrmals-Verschreibungen.

 

Boni-Verbot bei angedrohten Sanktionen

 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will Rezept-Boni wie bereits angekündigt durch eine Überführung der Arzneimittelpreisverordnung ins fünfte Sozialgesetzbuch verbieten. Bei einem Verstoß gegen die AMVV sollen in- und ausländische Apotheken mit „Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro“ oder einem Versorgungsausschluss „bis zur Dauer von 2 Jahren“ sanktioniert werden.

 

Das Bundesgesundheitsministerium begründet den nationalen Alleingang Deutschlands damit, dass ein Preiswettbewerb bei verschriebenen Arzneimitteln „sozialrechtlich in dieser Form aber nicht vorgesehen“ sei. Der Europäische Gerichtshof hatte am 19. Oktober 2016 zugunsten des europäischen Wettbewerbs auf dem verschreibungspflichtigem Arzneimittelmarkt entschieden. Damit bot sich Arzneimittelhändlern wie Doc Morris ein Einfallstor, um rezeptpflichtige Arzneimittel unter Gewährung von Boni und Rabatten nach Deutschland zu versenden.

 

GKV-Spitzenverband fordert stärkeren Wettbewerb unter Apotheken

 

Zum geplanten Gesetzesentwurf äußert sich der GKV-Spitzenverband (Bund der Krankenkassen) in einer Stellungnahme vom 6. Mai erwartungsgemäß verhalten. Der Kassenverband hält die  Verankerung im Sozialgesetzbuch V für „europarechtswidrig“. Schließlich sei die Bundesrepublik auch bei der Ausgestaltung der Gesundheitssysteme „an die Grundfreiheiten des AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) gebunden“ und könne nicht in den freien europäsichen Warenverkehr eingreifen.

 

Prinzipiell begrüßt der GKV-Spitzenverband zwar die Absicht, die Notdienste in ländlichen Regionen besser zu vergüten. Allerdings zeige das Honorargutachten des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aus dem Jahr 2017, dass die gesetzlichen Kassen mehr vergüten als zur Kostendeckung nötig. Aus Sicht der Versichertengemeinschaft solle „ein Rosinenpicken“ bei den Ergebnissen des BMWi bei den niedergelassenen Apotheken vermieden werden. Ausschließlich Vergütungserhöhungen für die Apotheker seien der falsche Weg. Mit deutlichen Worten positioniert sich der GKV-Spitzenverband in seiner Stellungnahme für stärkeren Wettbewerb mit neuartigen Apothekenmodellen: „Mit seinem geringen Marktanteil hat der Versandhandel aus dem EU-Ausland keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von inländischen Apotheken“, so der GKV-Spitzenverband. „Stattdessen müssen durch einen stärkeren Wettbewerb bei der Vergütung Anreize für eine intensivere Beratung und die Entwicklung neuer patientenorientierter Versorgungsformen gesetzt werden“, heißt es.

 

Mehr Geld für Apothekendienstleistungen

 

Der Entwurf zum Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken sieht vor, mehr Geld für Dienstleistungen von Apotheken bereitzustellen. Ziel ist es, die pharmazeutische Kompetenz zu stärken – im Nebenzug komme dies „den Patientinnen und Patienten noch besser zugute“, so das Bundesgesundheitsministerium.

 

Insgesamt werden jährlich Mehrausgaben von zirka 205 Millionen Euro zugunsten der Vor-Ort-Apotheken veranschlagt. Für einen erhöhten Notdienst-Festzuschlag werden 40 Millionen, für zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen 150 Millionen und für Betäubungsmittel-Dokumentationen rund 15 Millionen Euro zusätzlich honoriert.

 

Zudem sollen neuartige Apothekenleistungen eingeführt werden. Geplant sind Grippe-Impfungen der regionalen Bevölkerung durch geschulte Apotheker. Diese Maßnahmen sollen vorab ärztlich geschult und angemessen honoriert werden.

 

Daneben sollen wiederholte Verschreibungen, sogenannte „Mehrmals-Verschreibungen“, entbürokratisiert und automatisiert werden. Bis zu drei zusätzliche Abgaben pro Packung derselben Größe darf der verschreibende Arzt wiederholt abgeben. Dazu ist ein entsprechender Vermerk auf dem Rezept notwendig.

 

Für Betäubungsmittel und Arzneimittel mit den Wirkstoffen Lenalidomid, Pomalidomid und Thalidomid ist geplant, dass Apotheker neben der Umsatzsteuer einen Beitrag von 4,26 Euro anstelle von 2,91 Euro erheben. Auch der bislang meist unrentable Notfalldienst von Apotheken erhält eine bessere Vergütung. Für im Notdienst abgegebene Fertigarzneimittel darf der Apotheker dann ergänzend zu Festzuschlag und Pauschale 21 Cent für „pharmazeutische Dienstleistungen“ aufschlagen.

 

Keine Versorgung ohne pharmazeutische Beratung

 

Der Entwurf zum Apothekenstärkungsgesetz verdeutlicht, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) offenbar wenig Freude an Modellen wie in Hüffenhardt hat. Der niederländische Versender Doc Morris hatte in der baden-württembergischen Gemeinde Hüffenhardt einen Arzneimittel-Automaten aufgestellt. Das Argument des Versenders, eine Versorgungslücke in der nur knapp 2000 Einwohner starken Region zu schließen, knöpft sich der Politiker nun vor: „Eine Bereitstellung und Abgabe von Arzneimitteln mittels automatisierter Ausgabestation ist unzulässig, soweit die Ausgabestation nicht unmittelbar mit den Apothekenbetriebsräumen verbunden ist und nicht ausschließlich der Abholung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dient.“

 

Auch Botendienst-Zustellungen von Vor-Ort-Apotheken ohne pharmazeutische Beratung bei der Abgabe werden mit dem geplanten Gesetz aus einer Grauzone geholt. Prinzipiell erklärt das Bundesgesundheitsministerium den Botendienst von Apotheken für „zulässig“. Eine Erlaubnis nach § 11 des Apothekengesetzes sei nicht erforderlich.

 

Für Zustellungen von verschreibungspflichtigen Medikamenten ist aber zukünftig zwingend pharmazeutisches Personal erforderlich. Dies gilt für Fälle ohne vorliegende Verschreibung oder vorherige Beratung in der Apotheke. Im Wortlaut heißt es: „Die Verschreibung muss dann spätestens bei der Aushändigung der Arzneimittel übergeben werden und die Beratung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aushändigung erfolgen“. Die Beratung könne abweichend auch im Wege der Telekommunikation aus der Apotheke erfolgen.

 

Ebenso muss zukünftig die Kühlkette bei temperaturempfindlichen Arzneimitteln „durch mitgeführte Temperaturkontrollen“ nachgewiesen werden. Dies verhindert, dass empfindliche Insuline oder Impfstoffe beim Transport witterungsbedingt verderben.

 

 

Quellen:

Referentenentwurf vom 08.05.2019 zum Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_

Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/A/Apotheken-vor-Ort-staerken_RefE_080419.pdf

Stellungnahme vom 06.05.2019 des GKV-Spitzenverbands zum Referentenentwurf zum Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken:

https://mail.google.com/mail/u/0/#search/presse%40gkv-spitzenverband.de/KtbxLxGcFwcjpjwlSCvclvfzWVzzjBJcgV?projector=1&messagePartId=0.0.1

Nachricht der Deutschen-Apotheker-Zeitung zum Thema Abgabe-Automaten in Hüffenhardt:

https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/04/09/spahn-will-neuen-apotheken-alternativen-den-hahn-abdrehen

 

 

 

 

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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