© Alfonsodetomas - Fotolia.com

Die Reizblase: Ursache, Diagnose und Therapie von permanentem Harndrang

Kommentar schreiben Aktualisiert am 21. Oktober 2017

Permanenter Harndrang, Schmerzen beim Wasserlassen und dabei eine geringe Urinmenge? Die Symptome einer Reizblase ähneln denen einer Blasenentzündung. Doch bei einer hyperaktiven Blase sind nicht etwa Bakterien die Auslöser: Emotionaler Stress, körperliche Überlastung und verschiedene Grunderkrankungen können eine Reizblase verursachen. Die Therapie? Verhaltenstraining für die Blase.  Der Harndrang kommt plötzlich. Von einem auf den anderen Moment wird der Drang auf die Toilette zu gehen unaushaltbar. Bis zu 20 Mal müssen Betroffene täglich auf die Toilette - ohne dabei eine volle Blase zu haben. Etwa 10 bis 20 Prozent der Erwachsenen leiden an der sogenannten Reizblase. Die Symptome ähneln dabei denen einer Blasenentzündung. Doch hier sind keine Bakterien im Spiel: Die Ursachen für eine permanent gestresste oder gereizte Blase sind vielfältig. Bei einer Reizblase ist die Funktion der Harnblase gestört. Bei einem gesunden Erwachsenen fasst die Blase etwa einen halben Liter Urin. Der Urin wird in den Nieren gefiltert und anschließend vor der Ausscheidung in der Blase gesammelt. Ab einer Menge von etwa 300 Millilitern melden Rezeptoren in der Blase dem Gehirn, dass eine baldige Entleerung ansteht – es entsteht Harndrang.

Reizblase: gestörte Impuls-Weiterleitung verursacht Harndrang

Bei einer Reizblase ist dieser Mechanismus gestört. Die Ursache für die hyperaktive Blase ist noch nicht restlos geklärt. Es liegt keine körperliche Veränderung vor, die den permanenten Harndrang verursacht. Es wird vermutet, dass es zu einer fehlerhaften Weiterleitung von nervlichen Impulsen kommt und so fälschlicherweise das Gefühl einer vollen Blase an das Gehirn vermittelt wird. Daraus folgt, dass der Blasenmuskel seine Wahrnehmung verändert und immer schneller Alarm schlägt – ein Teufelskreis entsteht. Mediziner beschreiben dieses Krankheitsbild auch als primäre Reizblase. Von einer sekundären Reizblase sprechen Ärzte, wenn eine andere Krankheit die Reizblase verursacht. Tumore in der Blase, Multiple Sklerose, ein Schlaganfall oder Parkinson können zu einer hyperaktiven Blase führen. Auch Erkrankungen des Nervensystems und Schädigungen des Rückenmarks können das urologische Leiden verursachen.

Die Symptome einer Reizblase: permanenter Harndrang, wenig Urin

Jeder kann vom Krankheitsbild der Reizblase betroffen sein, Die meisten Patienten sind allerdings weiblich und im Alter zwischen 30 und 60 Jahren. Es wird vermutet, dass eine Veränderung des Östrogenspiegels während der Wechseljahre (Klimakterium) ein Risikofaktor für eine hyperaktive Blase ist. Doch auch Männer sind betroffen. Zunächst stellt sich immer häufiger Harndrang (Pollakisurie) ein. Der Druck auf die Blase wächst immer schneller, die Phasen zwischen den Toilettengängen werden kürzer. Der permanente und vor allem auch sehr plötzliche Drang auf die Toilette zu gehen ist für Betroffene sehr unangenehm. Zusätzlich kann es sein, dass mit gesteigertem Harndrang der Urin nicht mehr (ganz) in der Blase gehalten werden kann. Zunächst gehen ein Paar Tröpfchen in akuten Situationen wie beim Niesen, Lachen oder Heben von schweren Gegenständen in die Hose, später kann der Urin gegebenenfalls gar nicht mehr gehalten werden. Eine Harninkontinenz entsteht. Die Situation ist für Betroffene sehr belastend und kann zu sozialem Rückzug und Isolation führen. Auch psychische Probleme können sich anschließen.

Diagnose Reizblase per Ausschlussverfahren

Treten die oben genannten Symptome auf, sollte zunächst der Hausarzt aufgesucht werden. Er kann mit einer ausführlichen Patientenbefragung (Anamnese) die Verdachtsdiagnose Reizblase stellen. Da es keinen Test gibt, der das Krankheitsbild bestätigt, müssen zunächst einige andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. Dazu gehört vor allem die Blasenentzündung. Eine Urinprobe gibt Aufschluss darüber, ob das Leiden durch Krankheitserreger verursacht wird. Der Hausarzt wird den Patienten zur genauen Abklärung der Symptome und für weitere Tests an einen Urologen und eventuelle einen Gynäkologen überweisen. Dort wird der Urogenitaltrakt genau untersucht. Eine Ultraschalluntersuchung kann zeigen, ob die Blase auf der Toilette vollständig entleert werden kann oder ob Urinreste zurück bleiben und so Volumen rauben. Mit Hilfe von Sonden Elektroden kann der Arzt den Blasendruck und die muskuläre Funktion überprüfen. Eine Blasenspiegelung dient dem Mediziner, um einen Tumor in der Blase zu erkennen oder eben auszuschließen. Bei Frauen wird der Gynäkologe einen Abstrich aus der Harnröhre nehmen und den Östrogengehalt untersuchen. Bei vielen Patientinnen ist der lokale Östrogengehalt in Harnblase und Scheide vermindert. Auch die Gebärmutter wird auf Veränderungen untersucht. Bei Männern wird zusätzlich die Prostata untersucht. Häufig ist eine gutartige Vergrößerung der Prostata die Ursache für die gereizte Blase. Auch seelische Traumata oder psychischer Stress können eine Reizblase verursachen. Daher sollte bei der Untersuchung auch auf die aktuelle Lebenssituation des Patienten und seinen emotionalen Zustand eingegangen werden. Gegebenenfalls ist ein Gespräch mit einem Therapeuten angebracht.

Behandlung der Reizblase: Training  des Muskels möglich

Da für viele Patienten mit einer Reizblase die Lebensqualität deutlich abnimmt ist es wichtig die Krankheit zu erkennen und entsprechend zu behandeln. Viele Betroffene scheuen sich vor dem Arztbesuch – dabei kann die Reizblase behandelt werden. Eine „Heilung“ ist unwahrscheinlich, doch mit der richtigen Methodik können die Symptome deutlich gemindert werden und ein Stück Lebensqualität zurückgewonnen werden. Das Training des Blasenmuskels ist eine effektive Möglichkeit um die Beschwerden zu minimieren. Dabei sollen die Intervalle zwischen den Klogängen vergrößert, das Entleeren der Blase herausgezögert werden. Beckenbodentraining in Kombination mit Elektrostimulation der Muskulatur hat sich in vielen Fällen bewehrt. In der Anfangsphase der Therapie kann ein sogenanntes Miktionstagebuch helfen den Körper besser zu verstehen. Hier werden Trinkmenge, Harndrang und Blasenentleerung täglich protokolliert. Der Patient wird im Zuge des Trainings den auftretenden Harndrang unterdrücken und zu vorab festgelegten Zeiten auf die Toilette gehen. Durch die ständige Entleerung ist die Blase geschrumpft und fasst nicht mehr die ursprüngliche Menge an Flüssigkeit. Durch das Halten des Urins wird die Blase wieder gedehnt und erlangt nach und nach die Ausgangsgröße. Das Training des Blasenmuskels ist für den Patienten anstrengend, aber lohnenswert.

Entspannungstechniken gegen Harndrang

Das Blasentraining kann durch Entspannungsübungen wie autogenes Training und Muskelentspannung nach Jacobsen ergänzt werden. Ist der Harndrang unangenehm und allgegenwärtig können die Übungen dabei helfen den Körper zu beruhigen und den Drang auf die Toilette zu gehen zu unterdrücken. So kann die Effektivität des Blasentrainings meist gesteigert werden da körperliche Ruhe und Entspannung zuträglich ist.

Medikamentöse Behandlung der Reizblase: keine dauerhafte Lösung

Der Arzt kann auch Medikamente gegen die Reizblase verschreiben. Hier kommen vor allem Anticholinergika oder Spasmolytika zum Einsatz. Diese Mittel helfen dabei den Blasenmuskel zu entspannen und das Nervensystem zu beruhigen. Auch östrogenhaltige Salben oder Zäpfchen kommen – natürlich nur bei Frauen – zum Einsatz. Die Anticholinergika haben meist erhebliche Nebenwirkungen und können nicht von jedem Patienten eingenommen werden. Daher wird der behandelnde Arzt vermutlich in der Anfangsphase der Therapie zu diesen Mitteln greifen, sie aber nach und nach reduzieren und schließlich wieder absetzen. Eine eigenständige Veränderung der Medikation oder das Absetzen der Präparate auf eigene Faust ist nicht empfehlenswert – es kann zu erheblichen Nebenwirkungen kommen. Verstopfung, Mundtrockenheit, Wahrnehmungsstörungen und Beeinträchtigungen der Augen können die Folge sein. Die Medikation erfolgt daher individuell und wird auf jeden Patienten einzeln abgestimmt. Sollten Nebenwirkungen auftreten sollte gemeinsam mit dem behandelnden Arzt nach einer Alternative zum verwendeten Präparat gesucht werden.

Stimulation der Nerven: Reizstrom gegen Reizblase

Schlagen sowohl das Blasentrainings als auch die verabreichten Medikamente nicht wie gewünscht an, kann eine Therapie mit Reizstrom zum Einsatz kommen. Dabei werden die Blasenmuskeln des Betroffenen mehrmals die Woche über ein halbes Jahr hinweg mit leichtem Reizstrom stimuliert. Dadurch soll die Muskelfunktion verbessert und die Symptome so gemildert werden. Die Steigerung der Therapie ist die elektrische Stimulation des sakralen Nervenplexus (Kreuzbein-Nervenknoten), auch Neuromodulation genannt. Die Blase soll dadurch gehemmt werden. In Fällen mit ausgeprägten Symptomen und einer großen Einschränkung des alltäglichen Lebens kann eine Operation als letzte Therapie versucht werden. Dabei wird die Blase angehoben oder komplett entfernt. Hierbei muss eine neue Ableitung des Urins gelegt werden.

Die Therapie sinnvoll ergänzen: Verständnis der Krankheit ist wichtig

Liegt eine psychische Ursache der Reizblase zugrunde muss dieses Trauma von einem Spezialisten behandelt werden. Nur wenn die seelischen Beschwerden gelöst sind, kann die Therapie Erfolge erzielen. Wenn Patienten ihre Krankheit verstehen, schlägt die Therapie meist besser an und es gibt weniger frustrierende Rückschläge. Denn die Therapie einer Reizblase ist anstrengend und benötigt Zeit. Ein wichtiges Mittel zur Verbesserung der Situation ist eine gute Intimpflege. Dadurch wird das Auftreten von Infekten verringert und das verhindert eine Verschlechterung der unangenehmen und peinlichen Symptome. Auch Veränderungen der täglichen Routine können kleine Erfolge erzielen. Vor dem Schlafengehen sollten keine größeren Mengen an Flüssigkeit mehr getrunken werden, damit der Harndrang nachts nicht übermäßig oft einsetzt. Auch harntreibende Getränke wie Kaffee oder schwarzen Tee sollte grundsätzlich verzichtet werden. Bei vielen Betroffenen wirkt sich eine Alkoholabstinenz positiv auf die Symptomatik aus. Liegt eine andere Grunderkrankung vor, die die Reizblase verursacht, verschwinden die Symptome häufig, wenn diese Krankheit erfolgreich behandelt wird.

Beiträge die Sie auch interessieren könnten

Lisa Vogel
Autor: Lisa Vogel

Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.

Schreib einen Kommentar

help
help
help

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Zu unseren Datenschutzbestimmungen.