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Wirkung ohne Wirkstoff: der Placebo-Effekt

Kommentar schreiben Aktualisiert am 26. Januar 2016

Gesund durch Glauben: Was wie ein Märchen klingt ist inzwischen in der Schulmedizin weitgehend anerkannt. Der Placebo-Effekt hat einen nachweislichen Einfluss auf die Körperfunktionen und das Wohlbefinden – trotz wirkungsloser Pillen oder Tabletten mit äußerst geringem Wirkstoffgehalt tritt nach der Einnahme eine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes auf. Wichtig für die Entstehung des Effekts sind nach aktuellen Studien positive Erfahrungen mit Medikamenten in der Vergangenheit, die Erwartungshaltung und das Vertrauen zum behandelnden Arzt. Auch eine genetische Disposition kann nicht ausgeschlossen werden. 

Die echte Wirkung eines scheinbaren Mittels ist nichts Neues. Bereits im zweiten Weltkrieg begann die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema des Placebo-Effekts. Das Morphin war knapp und der Militärarzt Henry Beecher verabreichte einem verwundeten Soldaten stattdessen eine Spritze mit einfacher Kochsalzlösung. Obwohl die Kochsalzlösung keinerlei schmerzstillende Stoffe enthält, ging es dem Verletzten deutlich besser. Auf dieses Ereignis geht das heutige Studienschema von Arzneimittel zurück: die Doppelblindstudie. Weder der behandelnde Arzt noch der Patient weiß dabei, dass es sich bei dem Medikament um ein Placebo handelt. Eine positive Wirkung wird trotzdem sichtbar.

Placebo-Effekt: Ursache nicht ganz klar

Eine genaue Ursache für den enormen Effekt auf den Körper konnte bislang nicht eindeutig ausgemacht werden. Eine ganze Reihe von Faktoren spielt wohl zusammen. Zum einen basiert die heilende Wirkung von wirkstofffreien Präparaten auf den Erfahrungswert des Körpers. Hat ein Patient bereits in der Vergangenheit beispielsweise gut auf Schmerzmittel reagiert, ist seine Erwartungshaltung erhöht. Allein das Schlucken der Pille wird dann mit dem schmerzlindernden Prozess assoziiert und die Beschwerden klingen ab. Patienten, die eine geringe Erwartungshaltung haben, sprechen auf Placebos nicht so gut an. Auch der Ort der Behandlung kann eine Rolle spielen: Der Organismus hat gelernt, dass in dieser Umgebung mit diesen Gerüchen und Geräuschen etwas Positives passiert und eine Besserung kann sich einstellen.

Auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient spielt bei der Entstehung des Effekts eine Rolle: Fühlt sich der Patient in guten Händen, kann alleine der Besuch beim Doktor zur Linderung der Beschwerden beitragen. Nimmt sich der Mediziner ausreichend Zeit und geht auf die Beschwerden seines Gegenübers ein, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich nach dem Arztbesuch eine Besserung einstellt. Vor allem bei Heilpraktikern und Homöopathen greift dieser Effekt: Sie nehmen sich in der Regel mehr Zeit für ihre Patienten und können so eine Beziehung auf Vertrauensbasis aufbauen.

Eine genetische Veranlagung und die Ausprägung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale können ebenfalls ein Grund für die Entstehung des Effekts sein. So sprechen extrovertierte und optimistische Personen eher auf ein Placebo an. Die Umstände sind allerdings noch nicht ausreichend erforscht.

Funktion des Effekts: Dopamin und Endorphine werden ausgeschüttet

Nimmt ein Patient eine wirkstofffreie Tablette ein, kommt es trotzdem zu einer Reaktion im Gehirn. Dabei wird etwa vermehrt das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet, das die Weiterleitung von Schmerzen im Nervensystem unterbindet. Obwohl das Präparat nicht „echt“ ist, kommt es zu einer echten körperlichen Reaktion.

Bei Parkinson Patienten konnte nach der Behandlung mit einem Placebo das typische Zittern der Hände deutlich reduziert werden. Es wurde vermehrt Dopamin gebildet, das bei der Erkrankung im Organismus fehlt. Die Nerven beruhigten sich und das Zittern ließ nach.

Die Ursache fußt auf den Selbstheilungsprozessen des Körpers. Sie werden durch die Einnahme von Medikamenten angeregt. Bei Alzheimer-Patienten tritt kein Placebo-Effekt ein. Die Gehirnstrukturen verändern sich so, dass sich der Patient nicht an frühere Erfahrungen erinnert und dadurch der Placebo-Effekt nicht stattfinden kann.

Aussehen und Form der Mittel hat Einfluss auf Placebo-Effekt

In verschiedenen Studien hat sich gezeigt, dass das Aussehen und die Form des verabreichten Placebos einen Einfluss auf dessen Wirksamkeit haben. Große und sehr kleine Tabletten haben einen größeren Effekt auf den Organismus als mittelgroße. Beruhigungstabletten vertraut der Patient besser wenn sie blau gefärbt sind, Mittel gegen Depressionen wirken besser, wenn sie gelb sind und Schmerztabletten sollten rot sein.

Allgemein gilt, dass eine Spritze wesentlich wirksamer ist als eine Tablette. Die Tablette ist aber immer noch besser als eine Tinktur oder Tropfen. Egal bei welchem Präparat und welcher Darreichungsform: Lobt der Arzt das Medikament, tritt häufiger eine Placebo-Wirkung ein.

Gegenteil: Nocebo

Das ist nicht immer nur von Vorteil. Erwähnt ein Arzt Nebenwirkungen, können auf ein völlig unbedenkliches Medikament mit Wirkstoff oder ein Placebo körperliche Reaktionen folgen. So wurden Allergikern beispielsweise in einer Studie Kochsalzlösung injiziert mit dem Hinweis, es sei ein Allergen enthalten. Viele Probanden hatten dann mit allergischen Reaktion zu kämpfen – ohne dass ein Auslöser enthalten war.

Auch das Lesen der Nebenwirkungen in der Packungsbeilage kann zu dem Entstehen von Nebenwirklungen führen. Sie sollte daher zwar aufmerksam gelesen, aber nicht überbewertet werden.

Placebo wirkt trotz Wissen

Ein neuer Kenntnisstand der Wissenschaft besagt, dass ein Placebo wirkt, auch wenn der Patient weiß, dass es sich um ein Placebo handelt. Ist der Arzt offen und ehrlich, beeinträchtigt das die Wirkung des Mittels nicht zwingend. Er kann dem Patienten sagen, dass es ein Placebo ist, damit trotzdem gute Ergebnisse erzielt wurden und es bei vielen Patienten hilft. Geht der Betroffene optimistisch an die Behandlung, kann diese trotz des Wissens zu einem Erfolg führen.

Auf diese Weise wird das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht belastet. Der Arzt muss so seinen Patienten nicht täuschen und dieser fühlt sich nicht hintergangen. Lange galt der Placebo-Effekt nur dann für möglich, wenn der Patient im Dunkeln tappt.

Placebo-Effekt auch bei OP

Auch Chirurgen können sich den Placebo-Effekt zu Nutze machen. Bei einer Knie Spülung reichte es in Versuchen aus, lediglich die OP-Umstände nachzustellen, den Patienten zu sedieren und mit dem Skalpell die Haut etwas einzuritzen und anschließend zu vernähen. Der Patient bekommt von dieser Prozedur nichts mit und ist der Meinung, der Eingriff wurde durchgeführt. Bei allen Probanden führte die Schein-Operation zu ähnlichen Ergebnissen wie die echte OP: Die Schmerzen im Gelenk ließen nach und die Beschwerden gingen langfristig zurück. Ganz ohne Eingriff.

Doch diese Methode ist nicht sehr verbreitet. In Deutschland werden solche Schein-Eingriffe aus ethischen Gründen bislang nicht vorgenommen.

Auch im Alltag spürbar

Doch nicht nur in der Medizin funktioniert die Täuschung des Gehirns. Ist eine Person der Meinung sie trinkt Alkohol, verändern sich Wahrnehmung, Reflexe und Körperfunktionen – ganz ohne Alkohol im Blut. So können sich alkoholfreie Drinks (ohne das Wissen der betroffenen Person) auf das Verhalten und insbesondere auf das Fahrverhalten auswirken. Wer der Meinung ist, er sei alkoholisiert, fährt auch schlechter.

Für die Wissenschaft ist diese Erkenntnis nicht bahnbrechend, doch andere Forschungsansätze in der Placebo-Forschung können dabei helfen das Mysterium des Zusammenhangs von Körper und Geist zu entschlüsseln.

Lisa Vogel
Autor: Lisa Vogel

Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.

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