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Karpaltunnelsyndrom, wenn der Nerv klemmt!

Kommentar schreiben Aktualisiert am 06. September 2019

In Deutschland ist beinahe jeder sechste im Erwachsenenalter vom Karpaltunnelsyndrom betroffen. Obwohl moderne Therapieverfahren heute in den meisten Fällen zu einer völligen Beschwerdefreiheit führen können, sind Anzeichen einer fortgeschrittenen Krankheit in den Praxen noch häufig anzutreffen.

 

Welche Ursachen führen zu einem Karpaltunnelsyndrom?

 

Beim Karpaltunnelsyndrom handelt es sich um eine mechanische Schädigung des mittleren Handnerven (Nervus medianus). Damit die Nerven und Sehnen sicher vom Unterarm in die Hand geleitet werden können, sind diese im sensiblen Bereich des Handgelenks durch ein breites bindegewebiges Band geschützt. Zwischen diesem Band und Handwurzelknochen entsteht auf diese Weise eine Rinne, die Karpaltunnel genannt wird.

 

Wird der Raum in diesem Tunnel eng, können die nachfolgend aufgezählten Beschwerden entstehen. Am häufigsten führen wiederholte, einseitige Belastungen der Hand und des Unterarmes sowie Entzündungen des umgebenden Gewebes (zum Beispiel Sehnenscheiden) zum genannten Krankheitsbild. Ferner sind Brüche im besagten Bereich und rheumatische Erkrankungen als mögliche Auslöser bekannt.

 

Schwellungen als Folge von Wassereinlagerungen können bei Übergewicht und Diabetes als auch bei Schwangerschaften als Auslöser eines Karpaltunnelsyndroms auftreten. Bei Schwangerschaften bildet sich die Symptomatik des Karpaltunnelsyndroms nach der Entbindung meist wieder zurück. Eine erbliche Vorbelastung kann in vielen Fällen beobachtet werden. Frauen sind statistisch deutlich häufiger vom Karpaltunnelsyndrom betroffen, als dies bei Männern der Fall ist.

 

Wie kann ich ein Karpaltunnelsyndrom erkennen?

 

Als erstes Anzeichen berichten Patienten überwiegend von einem schmerzhaften Empfinden, wie es vom Einschlafen der Hände bekannt ist. Diese Beschwerden treten vorwiegend nachts auf, wenn eine Hand über einen längeren Zeitraum abgeknickt liegt.[1, 2]  Wenn dieses Kribbeln nach einer Änderung der Schlafposition nicht nachlässt und wiederholt auftritt, muss an ein Karpaltunnelsyndrom gedacht werden. In diesem Fall sollte bald möglichst ein Facharzt zurate gezogen werden.

 

Der Nervus medianus ist für die Versorgung des ersten bis vierten Fingers verantwortlich. Aus diesem Grund kommt es bei einem fortgeschrittenen Karpaltunnelsyndrom zu Taubheitsgefühlen vom Daumen bis zum Ringfinger. Nicht selten ist das Greifen mit der Betroffenen Hand erschwert und der Pinzettengriff  (Daumen und Zeigefinger) weniger kraftvoll.

 

Im Spätstadium kann es zu Lähmungen, überwiegend des Daumens und zum Abbau des Daumenballenmuskels kommen. Diese Erscheinungen sind in den seltensten Fällen umkehrbar. Die Erkrankung betrifft häufig beide Hände, muss hingegen nicht zeitgleich auftreten. Die führende Hand ist aufgrund der größeren Belastung meist stärker betroffen.

 

Doch muss nicht in jedem Fall ein Karpaltunnelsyndrom hinter den Anzeichen stehen. Gerade eine Schädigung des Nervenkanals im Bereich des sechsten oder siebten Halswirbels (C6/C7-Syndrom) stellt eine häufige Differenzialdiagnose dar. Der Nervus medianus kann gleichfalls im Unterarm eingeengt sein und zu einer ähnlichen Symptomatik führen. Hier handelt es sich um das sogenannte Pronator-Teres-Syndrom.

 

Mit welchen Untersuchungen kann der Arzt ein Karpaltunnelsyndrom feststellen?

 

Eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung führt den Arzt anhand der oben geschilderten Symptome rasch zum Verdacht eines Karpaltunnelsyndroms. Neben der Prüfung des Tastsinnes und der Sensibilität werden auch der sogenannte Hoffman-Tinel-Test durchgeführt sowie die Phalen-Zeichen überprüft. Zur Sicherung der Diagnose ist in jedem Falle die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit unerlässlich. Diese Untersuchung wird von den Patienten größtenteils als unangenehm empfunden ist aber wichtig, um andere Ursachen sicher auszuschließen.

 

Zwar kann der betroffene Nerv durch bildgebende Verfahren dargestellt werden, doch kommen diese aktuell nur bei schwer zu diagnostizierenden Krankheitsbildern zur Anwendung.

 

Welche Behandlungsmöglichkeiten eines Karpaltunnelsyndroms gibt es?

 

Bei leichten Verläufen kann eine konservative Behandlung durchaus zur Beschwerdefreiheit des Patienten führen. Wird der Leidensdruck indes sehr groß und könnte eine längere Arbeitsunfähigkeit resultieren, muss eine Operation angedacht werden.

 

Kann eine Schiene zur Heilung führen?

 

Das nächtliche Tragen einer Schiene über einen mehrmonatigen Zeitraum kann eine Linderung der Beschwerden bringen. Diese soll ein Abknicken des Handgelenks in der Nacht verhindern und so den Druck auf den Nerv vermeiden helfen. Manche dieser Schienen ermöglichen im Gegensatz zu einer starren Gipsschiene die Beweglichkeit der Finger beizubehalten. Ist das Krankheitsbild noch gering ausgeprägt, kann eine Schiene durchaus zur Genesung führen. Bei starken Schmerzen können entzündungshemmende Medikamente eine Erleichterung bieten. Auch eine Injektion solcher Substanzen direkt in dem Karpaltunnel wird diskutiert. [3]  Eine langfristige Anwendung von Medikamenten hingegen scheint keine heilende Wirkung zu zeigen. [4]  

 

Die Operation des Karpaltunnelsyndroms – ein notwendiger Eingriff?

 

Sollte die eingeleitete Behandlung nicht zum Erfolg führen, so ist eine Operation eine zielführende Alternative. Wird zu lange gewartet oder unterbleibt eine angemessene Therapie gänzlich, so sind die Erfolgsaussichten einer operativen Maßnahme deutlich vermindert. Bleiben die Sensibilitätsstörung, Schmerzen und das Taubheitsgefühl bestehen ist dies ein klarer Hinweis nicht länger zu warten.

 

Studien konnten aufzeigen, dass ein operatives Eingreifen gegenüber konservativen Heilmethoden vor allem langfristig einen klaren Vorteil bringt[5,6]  Dem Arzt steht zum einen die offene Operationstechnik zur Verfügung, bei der mit einem Schnitt an der Innenseite der Hand der Karpaltunnel eröffnet wird. Eleganter ist die sogenannte Schlüsselloch-Technik (endoskopisch), die lediglich einen kleinen Schnitt am Handballen notwendig macht. Diese Methode ist heute der offenen Technik gleichgesetzt[7]  

 

Welche Komplikationen sind beim Karpaltunnelsyndrom möglich?

 

In Deutschland werden mittlerweile 90 % der Eingriffe ambulant durchgeführt. [8]  Somit reduzieren sich die Komplikationen gerade bei älteren Menschen und bei Patienten mit Vorerkrankungen. [9]  Die Verletzung von Blutgefäßen und Nerven sowie Infektionen oder eine schlechte Narbenbildung können heute zwar häufig gering gehalten werden, gehören dennoch zu den möglichen Risiken eines jeden chirurgischen Eingriffes. Mit einer Verletzung des Nervus medialis ist im Wesentlichen nicht zu rechnen. Auch eine Versteifung des Gelenks oder großflächige Schwellungen kommen nur in Ausnahmefällen vor. Echte Komplikationen sind nur in weniger als einem Prozent wahrscheinlich.  Zudem spricht eine Erfolgsquote von deutlich über 90 % klar für eine Operation.  [10]

 

Wie sieht die Nachsorge aus?

 

Nach einer Operation muss für die ersten Tage ein Wundverband getragen werden, was bisweilen durch eine Schiene zur Ruhigstellung der Hand ergänzt wird. Es wird empfohlen die Hand, ebenso wie die Finger frühzeitig vorsichtig zu bewegen, um einer Steife der Gelenke vorzubeugen. Wenn der behandelnde Arzt die Freigabe erteilt, kann bereits in der ersten Woche mit ersten leichten Greif und Kraftübungen begonnen werden. Unmittelbar nach der Operation kann es zu meist leichten Wundschmerzen kommen, welche mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln behandelt werden können. Eine physiotherapeutische Behandlung wird nicht zwingend verschrieben. 

 

Wann kann ich die Hand wieder voll belasten?

 

Etwa zehn Tage nach der Operation können die Fäden entfernt werden. Die Narbe selbst ist bei komplikationsloser Wundheilung nach einem halben Jahr beinahe unsichtbar. Sportliche Aktivitäten, welche die Hand nicht beeinträchtigen, können nach wenigen Tagen aufgenommen werden. Die Ausübung anderer Sportarten sollte vorab mit dem Arzt besprochen werden. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung richtet sich nach Art der Tätigkeit. Innerhalb von zwei Wochen jedoch sollte eine Arbeitsaufnahme in den meisten Fällen wieder möglich sein.

Seit dem Jahr 2009 ist das Karpaltunnelsyndrom in Deutschland offiziell als Berufserkrankung anerkannt[11,12]

 

Welche alternativen Heilmethoden sind bekannt?

 

Neben den beschriebenen Therapieoptionen kann als Alternative nur das Weglassen des Auslösers zum Ziel führen. Wärme- oder Kältetherapie sind sinnvoll, können jedoch allenfalls der akuten Schmerzlinderung dienen. In einer kürzlich erschienenen Veröffentlichung [13] wird der Elektroakupunktur die mögliche Chance einer Heilung zugesprochen. Dies konnte allerdings nur bei Patienten mit einem schwach ausgeprägten Karpaltunnelsyndrom nachgewiesen werden.

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Jürgen Kressel
Autor: Jürgen Kressel

Sein beruflicher Werdegang hat sich in letzter Zeit mit persönlichen Vorlieben verbunden. Als Medizinisch technischer Assistent haben sich die Erfahrung und Ehrgeiz zu einem ganz ordentlichen Wissen auf einigen Gebieten entwickeln können. Fachlich ist er vor allem im Bereich der Allergologie (insbesondere Nahrungsmittelallergien), Endokrinologie (allgemein und Kinderwunsch) und Gastrologie versiert. Seine letzten Berufsjahre als MTA hat er in einem Notfalllabor eines großen Krankenhauses eingebracht.

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