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Hochbegabung bei Kindern erkennen und fördern

Kommentar schreiben Aktualisiert am 21. August 2019

Wenn sich das eigene Kind intellektuell deutlich vom Altersdurchschnitt abhebt, verunsichert das viele Eltern. Selbst Pädagogen wissen mit hochbegabten Kindern nicht immer richtig umzugehen. Zudem ist Hochbegabung nicht selten mit gesellschaftlicher Stigmatisierung verbunden. So gelten hochbegabte Kinder rasch als arrogant, altklug oder sozial schwierig. Doch was ist dran, an solchen Vorurteilen?

 

Dieser Artikel befasst sich mit der Thematik Hochbegabung im Kindesalter. Wie erkennt man eine besondere intellektuelle Begabung und welche Möglichkeiten gibt es, hochbegabte Kinder entsprechend zu fördern?

 

Was ist Hochbegabung?

 

Spricht man von Hochbegabung, meint man meist eine intellektuelle Hochbegabung. Dabei handelt es sich um eine stark überdurchschnittliche Ausprägung der Gesamtintelligenz. Ihr Ausmaß kann mit Hilfe spezieller Tests ermittelt werden. Eine intellektuelle Begabung schließt mehrere Bereiche ein: Abstraktionsvermögen, Auffassungsgabe, logisches Denken, mathematisches Verständnis, räumliches Vorstellungsvermögen oder sprachliche Fähigkeiten. In den einzelnen Gebieten kann die Begabung stark variieren. Aus diesem Grund ist es wichtig, bei Austestungen nicht nur den Intelligenzquotienten als Gesamtwert darzustellen, sondern ebenso ein Begabungsprofil zu erstellen. Neben der intellektuellen Hochbegabung, existieren auch andere Formen, beispielsweise musische oder sportliche Hochbegabungen.1

 

Hochbegabung bei Kindern: Was sagt die Statistik?

 

Mit Hilfe eines Intelligenztests ermittelt man einen statistischen Wert (Intelligenzquotient). Normalbegabte Menschen erreichen Punktwerte von 85-115, über 115 gilt man als überdurchschnittlich intelligent und bei einem Wert ab 130 spricht man von Hochbegabung. Warum manche Menschen hochbegabt sind, ist nicht zur Gänze geklärt. Man nimmt an, dass genetische Faktoren hier ebenso wie erworbene Faktoren/Umweltfaktoren wirken.2

 

Aktuell geht man davon aus, dass etwa 2-3 Prozent aller Kinder eines Jahrgangs als hochbegabt einzustufen sind. Circa 80 Prozent davon entwickeln die außergewöhnliche Begabung nur in bestimmten Bereichen, bei 20 Prozent zeigt sich das hohe intellektuelle Niveau universell.3 Bezogen auf Deutschland kann man also von etwa 300.000 hochbegabten Kindern ausgehen, weitere 1,2 Millionen Kinder gelten als überdurchschnittlich intelligent.4

 

Ist mein Kind hochbegabt?

 

Beobachtet man beim eigenen Kind altersuntypische Verhaltensweisen und stellt eine Kluft zu Gleichaltrigen fest, mag das verunsichern. Tatsächlich gibt es keinen Kriterienkatalog, von dem aus sich zweifelsfrei auf eine Hochbegabung schließen lässt. Einige Anzeichen können allerdings auf eine stark ausgeprägte intellektuelle Begabung hinweisen.

 

Typisch für intellektuell sehr begabte Kinder sind neben enormem Wissensdurst und Neugierde ebenso eine rasante Auffassungsgabe sowie ein hohes Sprachverständnis mit altersuntypischem Wortschatz.5 Auch ein ausgezeichnetes Gedächtnis, das eigenständige Erlernen von Dingen, ein gewisser Sinn für Humor, altersuntypische Interessen sowie ein besonders ausgeprägter Gerechtigkeitssinn können Hinweise auf eine Hochbegabung sein.6

 

In der Fachliteratur werden immer wieder Kriterienkataloge für Hochbegabung abgebildet. Zwar müssen individuelle Aspekte stets berücksichtigt werden, Hinweise können solche Kataloge aber dennoch liefern. Die gängigsten Anzeichen von Hochbegabung möchten wir deshalb ebenfalls darlegen:

 

Hochbegabung: Anzeichen

 

  • Entwicklungsphasen werden übersprungen (zum Beispiel das Krabbeln)
  • Kinder sprechen früh in ganzen Sätzen, wenden Grammatik richtig an und verfügen über einen großen Wortschatz
  • früher direkter Blickkontakt sowie Hand-Augen-Koordination
  • sehr gutes Gedächtnis/Beobachtungsgabe
  • frühes Interesse für Zahlen/Buchstaben/Symbole/Formen
  • Kinder haben einen großen Wissensdurst, stellen viele – auch altersuntypische – Fragen und geben sich mit Erklärungen nicht zwangsläufig zufrieden
  • Kinder suchen vermehrt Kontakt zu älteren Kindern und/oder Erwachsenen
  • frühes selbständiges Erlernen von Rechnen, Lesen und Schreiben
  • Kinder sind Gleichaltrigen intellektuell häufig deutlich voraus
  • Kinder entwickeln nachhaltige Interessen, auch in altersuntypischen Bereichen
  • ungewöhnliche Lösungswege für Probleme werden gesucht und gefunden7
  • Entscheidungen von Autoritäten werden hinterfragt
  • Kinder verfügen über viel Phantasie und sind bei intellektueller Herausforderung sehr initiativ
  • auffallende Sensibilität
  • geringes Schlafbedürfnis8

 

Hochbegabung: Welche Schwierigkeiten können auftreten?

 

Wenngleich ein Großteil der hochbegabten Kinder das Leben gut meistert, gibt es auch Fälle, in denen die Hochbegabung mehr als Last denn Segen empfunden wird. So sehen sich aufgeweckte Kinder, die ihr Umfeld mit Fragen löchern und aus ihrer Intelligenz keinen Hehl machen, durchaus mit Vorurteilen konfrontiert. Rasch gelten sie als Quälgeister, arrogant, vorlaut oder altklug. Auch wenig soziales Feingefühl sagt man ihnen nach. Das führt nicht selten dazu, dass Kinder sich nicht der Norm entsprechend empfinden. Sozialer Rückzug ist die Folge.9

 

Die Annahme, dass hochbegabte Kinder stets Bestleistung erbringen, ist außerdem nicht immer haltbar. Manchmal verbergen Kinder ihre Begabungen, um nur nicht aufzufallen. Oder sie zeigen wenig Interesse für Inhalte des Lehrplans und schöpfen ihr Potential folglich nicht entsprechend aus. (Mindestleister/Underachiever)10

 

Wie lässt sich eine Hochbegabung nachweisen?

 

Gewissheit über den Intelligenzquotienten liefern Intelligenztests. Das Problem bei der Diagnostik von Hochbegabung: Je jünger das Kind, desto unsicherer sind die Ergebnisse. Der IQ-Wert wird stets im Vergleich zu Gleichaltrigen gemessen und gerade bei kleinen Kindern gibt es häufig erhebliche Schwankungen in der Entwicklung. Bis ins Grundschulalter hinein kann ein IQ-Test demnach noch recht ungenau ausfallen, erst ab dem frühen Jugendalter liefert er halbwegs stabile Werte. Viele Fachleute empfehlen einen Intelligenztest bei kleinen Kindern demnach nur, wenn – beispielsweise aufgrund von Leidensdruck oder um einen Verdacht wie etwa Autismus auszuräumen – eine gesicherte Diagnose notwendig ist.11 Grundsätzlich ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass versehentlich ein zu hoher IQ ermittelt wird. Wahrscheinlicher ist, dass eine Hochbegabung nicht erkannt wird (zum Beispiel, weil sich das Kind zurücknimmt).12

 

Hochbegabte Kinder richtig fördern

 

Ob nun eine gesicherte Diagnose vorliegt oder nicht, Fakt ist: besonders begabte Kinder bedürfen besonderer Förderung! Begabten- und Hochbegabtenförderung hilft dabei, besonderes Potential zu entfalten und auszuleben. Wird sie verwehrt, drohen ungewollte Anpassung oder Rückzug. Je früher Förderung startet, desto besser!13

 

Im Prinzip stützt sich die Förderung für begabte Kinder auf das einfache Grundprinzip der Differenzierung. Wie jedes andere Kind auch, muss ein hochbegabtes Kind entsprechend seiner Interessen und Stärken gefördert werden, damit es sein Potential ungehindert entfalten kann.

 

Hochbegabung fördern: Das können Eltern tun

 

  • Lerneifer und Initiative nicht ausbremsen
  • Stärken sollten gefördert, an Schwächen sollte gearbeitet werden
  • Fragen sollten nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet werden
  • breitgefächertes Freizeitangebot zur Verfügung stellen (Museen, Konzerte, Theater, Büchereien, Sport, …)
  • das Kind auch selbst recherchieren lassen (Bücher, Internet, Zeitungen, …)
  • außerschulische Angebote nutzen (VHS-Kurse, Freizeitkurse, …), gerne auch in der Gruppe mit anderen (hoch-)begabten Kindern
  • bei Problemen (zum Beispiel in Kindergarten oder Schule) eingreifen und unterstützen
  • neben intellektuellen Fähigkeiten auch lebenspraktische Fähigkeiten fördern
  • mit dem Thema Begabung so offen und natürlich wie möglich umgehen, auch dem Kind gegenüber14

 

Hochbegabung fördern: Das können Pädagogen tun

 

  • Freiräume zugestehen (zum Beispiel darf das Kind auf Wiederholungen des Schulstoffes verzichten, auch einmal einem schwächeren Schüler etwas erklären oder in höheren Schulstufen „schnuppern“)
  • Aufgaben zur Verfügung stellen, aus denen gewählt werden darf beziehungsweise auch Sonderaufgaben machen lassen, die keinen „Schulcharakter“ haben (zum Beispiel „Knobelaufgaben“)
  • besonders begabte Kinder selbstverständlich in die Gemeinschaft integrieren, zum Beispiel, indem sie der Klasse ein bestimmtes Interessengebiet näherbringen dürfen → Begabung sichtbar machen
  • Förderstunden machen auch für besonders begabte Schüler Sinn15

Je nach individuellen Gegebenheiten können bestimmte pädagogische Konzepte (Begabtenklassen, spezielle Schulen, Drehtürmodell, …) ebenso Sinn machen wie eine frühere Einschulung oder das Überspringen einzelner Schulstufen/Verkürzung der Pflichtschulzeit.  

 

 

 

 

 

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Daniela Jarosz
Autor: Daniela Jarosz

Daniela Jarosz ist Sonder- und Heilpädagogin. Während des Studiums hat sie sich intensiv mit Inhalten aus Medizin und Psychologie auseinandergesetzt. Sie arbeitet seit vielen Jahren im psychosozialen Feld und fühlt sich außerdem in der freiberuflichen Tätigkeit als Autorin zuhause. Im redaktionellen Bereich hat sie sich auf die Fachrichtungen Medizin, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Work-Life-Balance sowie Kinder und Familie spezialisiert.

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