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Die Trotzphase stellt Eltern auf die Probe

Kommentar schreiben Aktualisiert am 04. Mai 2018

Wenn Kinder ihren eigenen Willen entdecken, wird das für die Eltern häufig zur Belastung. Zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr befinden sich die meisten Kinder in der sogenannten „Trotzphase“. Diese ist nicht selten anstrengend, aber für die Persönlichkeitsentwicklung unverzichtbar. Lesen Sie hier, wie sich der Charakter Ihres Kindes in dieser Phase formt und wie Sie am besten mit einem Trotzanfall umgehen sollten.  Von einem Moment auf den anderen kippt die Stimmung, das Kind wälzt sich über den Boden, schreit, weint und bringt die Eltern an den Rand der Verzweiflung. Kein seltenes Bild in der Trotzphase. Psychologen nennen diese Zeit auch „Prozess der Selbstverwirklichung“. Er setzt von alleine ein und ist der erste Schritt zu einem Individuum mit eigenem Willen und Zielen. Es handelt sich um einen Abnabelungsprozess, der zur Selbstständigkeit des Nachwuchses beiträgt.

Kindliche Entwicklung: Gründe für das Schreien ändern sich

In den ersten Lebenswochen schreien Babys, um ein simples Bedürfnis zu befriedigen. Sie schreien, wenn sie Hunger haben und die Mutter reagiert darauf. Mit der Zeit nehmen sie den Zusammenhang wahr und wissen, wenn sie schreien löst das eine bestimmte Reaktion der Umwelt aus. Mit circa vier Monaten können sich die Kleinen erste Zusammenhänge merken und so ihre Wünsche und Bedürfnisse gezielter erfüllen. Mit der Zeit lernen die Kleinen, was sie selbst können – Motorik und Sprache entwickelt sich und sie sind schließlich in der Lage Absichten anderer zu erkennen. Mit etwa eineinhalb Jahren sind sie in der Lage Pläne zu schmieden, um an ein bestimmtes Ziel zu gelangen. Allerdings fehlt ihnen noch das Hineindenken in eine andere Person: Sie können die Pläne und Ziele anderer nicht nachvollziehen – die ersten Trotzanfälle beginnen.

Ursache für Wut- und Trotzanfälle

Es gibt zwei verschiedene Ursachen für die Trotzattacken:

  • Das Kind muss etwas machen, das es nicht möchte
  • Das Kind will etwas machen, das nicht funktioniert

Das sind häufig die Ausgangssituationen für Tränen, Wut und Schreie. Kleinkinder sind nicht in der Lage ihre Wut oder andere Emotionen zu hemmen und werden von ihren eigenen Empfindungen in diesen Momenten überrollt. Haben sie etwa die Kekse im Küchenregal als Ziel im Auge, können sie nicht nachvollziehen, warum Mama oder Papa den Weg über die heiße Herdplatte verhindert – das Einfühlungsvermögen fehlt. Die Folge: Frustration über das nicht erreichte eigene Ziel nimmt Überhand und kann in Wut umschlagen. Es kann zu einem ausgewachsenen Wutanfall kommen. „Selber machen!“ ist sicher einer der am häufigsten gehörten Sätze in dieser Phase. Kinder entwickeln in diesem Alter ein Autonomiebedürfnis: Sie wollen selbständig Dinge erledigen, den Eltern helfen und etwas alleine schaffen. Dabei muten sich die Kleinen häufig zu viel zu und scheitern: Die Folge ist Enttäuschung und Frustration. Auch diese Situation kann einen Trotzanfall verursachen.

Wie können Eltern mit einem Trotzanfall umgehen?

Es strapaziert zwar die Nerven, wenn das Kind partout nicht hören will, immer wieder gegen vereinbarte Regeln verstößt und wegen Kleinigkeiten eine laute Szene macht, doch für die Eltern ist es wichtig auch in diesen Situationen Ruhe zu bewahren. Am besten ist es, nicht auf die Wut des Kindes einzugehen. Ignorieren Sie den Trotzanfall – ohne Publikum endet der eine oder andere Wutanfall sehr zügig. Bei älteren Kindern können sie den Raum kurz verlassen – natürlich nur, wenn sichergestellt ist, dass das Kind sicher und versorgt ist. Bei anhänglichen und jüngeren Kindern kann etwas räumlicher Abstand und „die kalte Schulter“ ausreichen. Lassen Sie ihr Kind nie über einen längeren Zeitraum alleine, der Nachwuchs muss immer das Gefühl haben, dass sie für ihn da sind und ihm Sicherheit geben. Das ist nicht immer einfach – wer in dieser Situation einmal mit den Nerven am Ende ist, muss sich dafür keinesfalls schämen. Wenn auch bei Ihnen Wut, Frust oder Verzweiflung aufkommt, verlassen sie kurz den Raum und reagieren sich ab. Auf das Gebrüll des Kindes selbst mit Schreien oder Drohungen zu reagieren ist zwecklos – sie können mit Worten nicht zu ihrem Kind durchdringen und verstärken den Ausbruch unter Umständen.

Verständnis zeigen: Emotionen benennen

Kinder fühlen sich mit ihren geballten Emotionen oft überfordert. Sie können gar nicht anders als sie ungefiltert rauszulassen. Dabei ist es wichtig, dass die Eltern ihrem Kind mit Verständnis begegnen. Am besten nennen sie den vermeintlichen Grund für den Wutausbruch und betiteln sie die ausgelöste Emotion. Etwa: „Du möchtest gerne auf den Tisch klettern, aber das gelingt dir nicht und das frustriert dich“. So lernen die Kleinen ihre Emotionen besser kennen und fühlen sich verstanden. Nach und nach lernen sie so, besser mit ihren Gefühlen umzugehen und können immer angemessener auf die Emotionen reagieren. Das ist ein wichtiger Schritt, um schließlich Empathie zu erlernen und im Kindergartenalter die Trotzphase hinter sich zu lassen.

Den Trotzanfall verhindern: Was können Eltern tun?

Damit es gar nicht erst zu einem ausgewachsenen Trotzanfall kommt, gibt es einige Strategien, die vielleicht helfen können. Kleiner Kinder lassen sich noch gut ablenken: Droht die Stimmung etwa beim Einkaufen zu kippen, kann ein Spielzeug aus der Jackentasche gezaubert kleine Wunder wirken. Das Anstimmen eines beliebten Kinderlieds kann den Nachwuchs so überraschen, dass die negativen Emotionen verfliegen. Der Kreativität sind hierbei keine Grenzen gesetzt: Probieren Sie ruhig verschiedene Methoden aus. Wichtig ist es auch, die Attacken der Kleinen nicht persönlich zu nehmen. Trotz und Ungehorsam sind kein Angriff auf die Eltern  - sie sind lediglich Katalysator für zu viele Emotionen für den kleinen Menschen.

Kinder müssen sich ausprobieren

In einer Welt, in der alles verboten ist, haben Kinder keine Freude. Natürlich müssen bestimmte Regeln aufgestellt werden, damit das Kind zu jeder Zeit sicher ist (z.B. „Nicht mit dem Fahrrad auf die Straße fahren“). Doch das eine oder andere Abenteuer muss man die Kleinen auch einmal wagen lassen. Natürlich ist die wackelige Leiter nicht geeignet, doch ein eigenständiger Spaziergang auf einem kleinen Mäuerchen sollte schon einmal möglich sein. So kann auf ein „Ich will aber!“ auch einmal ein „Ich kann“ folgen und das ist gut für die Entwicklung des Selbstbewusstseins. Durch das Erfolgserlebnis lernt das Kind sich selbst besser einzuschätzen und kann die eigenen Fähigkeiten in einen allgemeinen Kontext setzen. Kinder sollten altersgerecht Dinge selbst erforschen und ausprobieren dürfen – das kann einem Trotzanfall durch Frustration vorbeugen.

Richtig Trösten nach der Wutattacke

Die beruhigende Nachricht für alle Eltern: Jede Trotzattacke – egal wie lange sie dauert – endet irgendwann. Danach ist oft Trost gefragt. Auch wenn die Situation viele Nerven gekostet hat, sollten sie jetzt für ihr Kind da sein, es in den Arm nehmen und ihm zeigen, dass sie immer da sind. Durch die Zuneigung und den Körperkontakt kann die Anspannung verfliegen. Schimpfen und Bestrafung sind nicht angebracht – das Kind mit Drohungen oder gar Gewalt zur Vernunft zu bringen ist ein absolutes No-Go. Zeigen sie dem Nachwuchs lieber, wie er stattdessen seinen Gefühlen Luft machen kann. Ein wütendes Aufstampfen mit dem Fuß kann eine angemessene Reaktion auf eine frustrierende Situation sein – gehen Sie als gutes Vorbild voran und bringen sie Ihrem Kind so bei, wie es mit negativen Gefühlen umgehen kann.

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Lisa Vogel
Autor: Lisa Vogel

Von Juli 2014 bis März 2018 arbeitete Lisa Vogel als Werkstudentin in der Redaktion bei apomio.de und unterstützt das Team nun als freie Autorin. Sie hat ein Studium im Fach Ressortjournalismus mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften und Medizin an der Hochschule Ansbach mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Hier erlangte sie sowohl journalistische als auch medizinische Kenntnisse. Derzeit vertieft sie ihre medialen Kenntnisse im Master Studium Multimediale Information und Kommunikation.

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