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BHs: Stütze für den Alltag oder schädlich für den Busen?

Kommentar schreiben Aktualisiert am 27. August 2018

Ein schöner BH ist für viele Frauen – und natürlich auch Männer – etwas Wunderbares. Geschmückt und verziert mit Spitzen und Schleifchen kann er aus jeder Frau eine verführerische Femme fatal machen. Natürlich ist das aber noch nicht alles, was ein BH können sollte. Er muss die Brust stützen, das Dekolleté gut formen, vor allem beim Sport ausreichend Halt geben. Eine Auswahl an BHs für jede Situation ist also ein Muss für jede Frau – oder? In den vergangenen Jahren haben alarmierende Nachrichten Frauen weltweit immer wieder aufgeschreckt. Da wurde von wissenschaftlichen Studien berichtet, die belegt haben wollten, dass ein BH mehr schade als nütze, dass der Busen durch das Tragen von BHs eher schlaffer als fester würde, ja dass BH-Trägerinnen sogar ein erhöhtes Risiko hätten, an Brustkrebs zu erkranken. Die Verunsicherung ist groß – BH oder nicht, das ist hier die Frage.

 

Inhaltsverzeichnis:

 

 

Dass BHs das Muskelgewebe ausleierten, war das Ergebnis einer viel beachteten Studie französischer Sportmediziner, die vor wenigen Jahren durchgeführt wurde. Mehr als 300 Studienteilnehmerinnen zwischen 18 und 25 Jahren haben insgesamt 15 Jahre lang auf einen BH verzichtet. Während dieser Zeit wurde die Beschaffenheit und die Form ihrer Brüste kontinuierlich untersucht. Studienleiter Jean-Denis Rouillon von der Universität der Franche-Comté in Besancon berichtete, er habe zuvor Frauen beim Skitraining betreut und dabei bemerkt, dass sie bei Belastungsübungen meist keinen BH trugen. Auf Nachfrage hätten die jungen Sportlerinnen übereinstimmend ausgesagt, sie könnten ohne BH besser atmen und sich freier bewegen, zudem sei ihre Haltung ohne BH gerader. Rouillon vermutete daraufhin, dass permanent „eingepackte“ Brüste sich an das stützende Gefühl gewöhnten und die Brustmuskeln in der Folge immer schwächer würden. Das hieße, dass Frauen, die glaubten, dem Erschlaffen des Brustgewebes durch BH-Tragen vorbeugen zu können, irrten, ja dass ständiges BH-Tragen ihnen langfristig sogar schaden würde. So kam es zu der breit angelegten, lang dauernden Studie.

 

Schlaffer Hängebusen durch BHs? 

 

Die französischen Wissenschaftler fühlten sich durch die Studienergebnisse in ihrem Verdacht bestätigt. Nach längerer Zeit ohne BH war das Muskelgewebe der Frauen nachweislich straffer geworden. Außerdem war zu beobachten, dass sich die Brustwarzen hoben und die Brüste insgesamt eine festere Form annahmen. Ein Erschlaffen der Brüste ohne BH wurde nicht festgestellt – im Gegenteil. Verantwortlich für diese Ergebnisse ist laut der Studie die anatomische Struktur des Brustgewebes. Das stützende Gewebe, das für den natürlichen Halt des Busens zuständig ist, könne nur wachsen, wenn es nicht von einem BH eingezwängt sei.   

 

Ein weiterer Effekt brachte die Studie der Franzosen zutage: Viele Langzeit-BH-Trägerinnen hatten über wiederkehrende Rückenschmerzen geklagt – nach einer Weile „ohne“ berichteten viele, die Rückenschmerzen hätten deutlich nachgelassen. Zudem erklärten die meisten Teilnehmerinnen, dass sie während des Sports ohne den BH besser Luft bekämen.

 

Heißt das nun, dass Frauen, die ständig BH tragen, befürchten müssen, einen Hängebusen zu bekommen? Nach Ansicht des Studienleiters Jean-Denis Rouillon ist das so. Er vergleicht den Effekt, den ein BH auf die Brust hat, mit dem eines Korsetts. Würde man dies monatelang tragen und es dann ablegen, so meint er, hätte man mit Sicherheit eine krumme Haltung und der Rücken würde schmerzen, da das Gewebe und die Muskeln ja die natürliche Belastung nicht mehr gewohnt seien.

 

Die Wahrheit kennt am besten der eigene Körper 

 

Klingt logisch. Doch ein eindeutiger Beweis ist die Studie mitnichten, vielmehr wurde sie von anderen Wissenschaftlern vielfach kritisiert. Zum einen, weil es sich bei den meisten der Studienteilnehmerinnen um junge, sportliche Frauen mit eher kleinen und festen Brüsten handelte. Frauen, die Kinder geboren hatten, übergewichtige und unsportliche Frauen mit großen Brüsten kamen darin nicht vor. Was letztere betrifft, räumt Studienleiter Rouillon selbst ein, dass es bei vollbusigen Frauen wohl eher keine Wirkung bringen würde, die BHs wegzulassen, da bei solchen Brüsten der Fettanteil höher sei als der Anteil an Muskeln. Auch hinsichtlich der Teilnehmerinnenzahl war die Studie bei weitem nicht breit genug angelegt, um wirklich repräsentative Ergebnisse zu erzielen – für wissenschaftlich haltbare Belege müssten tausende weitere Probandinnen weltweit untersucht werden.

 

Dennoch: Die Ergebnisse der Studie können sich, das meinen zumindest viele Experten, für gewisse Verhaltensregeln nutzen lassen. Etwa, dass jede Frau versuchen sollte, ihr Brustgewebe und die Brustmuskulatur zu stärken – etwa durch gezielte sportliche Übungen, Wechselduschen und Massagen. Dabei kann es auch effektvoll sein, den BH immer mal wieder wegzulassen. Dies, so einige Experten, kann dem stützenden Gewebe helfen, sich nach und nach aufzubauen.

 

Den BH weglassen: bestimmt aber keine Option für Frauen, die einen großen und schweren Busen haben und, gerade wenn sie den stützenden BH weglassen, Beschwerden wie Rücken- oder Kopfschmerzen entwickeln. In diesen Fällen ist es sicherlich die beste Wahl, einen BH zu tragen – vorausgesetzt natürlich, dieser passt und sitzt perfekt und schnürt nicht ein.

 

Brustkrebs durch BHs? 

 

Ging es bei der beschriebenen französischen Studie „nur“ um die Festigkeit der Brüste, die eventuell unter dem dauernden BH-Tragen leiden müssen, haben andere Neuigkeiten wirklich schockiert. So wurden internationale Forschungsergebnisse in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht, die besagten, dass das Tragen von BHs das Brustkrebs-Risiko erhöhen würde.

 

Sollten also die BHs wieder mal massenhaft verbrannt werden, wie es die Frauenbewegung in den 1970er-Jahren – wenn auch aus anderen Gründen – propagierte? Absolut nicht, sagen amerikanische Forscher, die sich daran gemacht hatten, die ziemlich abenteuerlichen Thesen ihrer internationalen Kollegen zu widerlegen. Es gebe überhaupt keinen Grund für die regelrechte „BH-Panik“, die die genannten Studien bei vielen Frauen ausgelöst hatten. Vielmehr gebe es keinen Zusammenhang zwischen der Entstehung von Brustkrebs und dem Tragen von BHs gibt. Für die Studie, deren Ergebnisse in einer amerikanischen Krebs-Fachzeitschrift erschienen, wurden 1.500 Frauen mit und ohne Brustkrebs zu ihren BH-Gewohnheiten befragt. Benannt wurden unter anderem die Körbchen-Größe und die Art des BHs (Bügel oder nicht?), die Anzahl der Stunden pro Tag, in denen der BH getragen wird, in welchem Alter mit dem Tragen von BHS begonnen wurde usw. Nach der Auswertung stand für die Forscher fest: Die BH-Tragegewohnheiten haben nichts mit der Entstehung von Brustkrebs zu tun.

 

Viele Studien wurden widerlegt 

 

Die „Gegen-Forscher“ widerlegen in ihrer Untersuchung einige die zentralen Behauptungen, die in den letzten Jahrzehnten aufgestellt wurden. So hatte es etwa in einer 1991 erschienenen Studie der renommierten Harvard-Universität geheißen, dass Frauen, die keinen BH tragen, seltener Brustkrebs bekämen als Frauen mit großem Busen, die deshalb ständig BHs trügen. Die Studie habe jedoch die Tatsache, dass das Alter und das Körpergewicht der Frauen das Brustkrebsrisiko deutlich mitbestimmten, komplett außen vor gelassen. Ebenso wurde ein 1995 erschienenes Buch mit dem ziemlich erschreckenden Titel „Dressed to Kill – The Link between Breast Cancer and Bras“ (deutsch etwa: „Tödliche Kleidung – der Zusammenhang zwischen Brustkrebs und BHs“) weitgehend verrissen. Hier hatten die beiden Autoren behauptet, dass das Tragen von engen BHs das Brustkrebsrisiko um ein Hundertfaches erhöhe, da das lymphatische System durch die permanente „Einschnürung“ behindert würde. Auch Verfasser diverser Artikel und Leiter von weiteren Studien führen dieses Argument an und begründen es damit, dass vor allem Bügel-BHs regelrecht die Lymphbahnen abklemmten, sodass der Abtransport von schädlichem Abfall aus den Zellen (z.B. Giftstoffe und verschiedene Abfallprodukte des Stoffwechsels) behindert würde. Dadurch steige die Wahrscheinlichkeit, dass diese Zellreste die Bildung von Tumoren begünstigten. Einige Forscher behaupteten, BH-freie Frauen hätten demnach ein um 50 Prozent geringeres Risiko, an Brustkrebs zu erkranken.

 

Merke: Die große Gegenstudie weist auch diese These als nicht belegt zurück – keine einzige veröffentlichte Studie beweise, dass eine „Einengung“ der Lymphbahnen die Entstehung von Brustkrebs begünstige.

 

Auch weitere Thesen wurden von den kritischen Amerikanern untersucht und als gegenstandslos zurückgewiesen. Etwa die, dass in Entwicklungsländern, in denen Frauen keine BHs tragen, weniger Brustkrebs vorkomme. Nicht die Kleidungsgewohnheiten seien entscheidend für das höhere Krebs-Aufkommen in Industrienationen, sondern die tatsächlichen Risikofaktoren in den reichen Ländern: u.a. mangelnde Bewegung, Ernährungsfehler und Übergewicht sowie die Tatsache, dass Krebserkrankungen in entwickelten Staaten ganz einfach häufiger entdeckt würden.

 

Bloß keine Panik! 

 

Abschließendes vernichtendes Urteil der Gegen-Forscher zu den vielen beunruhigenden Studien: Die unbelegten Thesen seien lediglich dazu angetan, auch bei Frauen, die keine genetische Veranlagung für Brustkrebs hätten, Panik zu verursachen und von echten Risikofaktoren und Möglichkeiten der Vorsorge abzulenken. Außerdem erzeugten solche Behauptungen bei Brustkrebspatientinnen häufig das Gefühl, sie seien „selbst schuld“ an ihrer Erkrankung. Die Anti-Studie dagegen wolle Frauen darin bestärken, die genannten Brustkrebs-„Mythen“ zu ignorieren – und mit gutem Gewissen einen BH zu tragen, in dem sie sich schlicht und einfach wohl fühlten.

 

Wem und was immer man nun Glauben schenkt – wer weiterhin BH tragen möchte, der sollte zumindest das perfekte Modell auswählen. Nichts sollte bei einem BH einschneiden, kneifen, drücken oder den Busen verformen. Wie aber den BH nach Maß finden? Für manche Frauen ist das gar nicht so einfach. Dessous-Fachverkäuferinnen berichten immer wieder, wie häufig Frauen mit schlecht sitzenden BHs herumlaufen – und im Zuge dessen nicht selten unter Rücken- oder Kopfschmerzen oder auch Dauerverspannungen leiden.

 

Wenn BH, dann das perfekte Modell! 

 

Um das zu vermeiden, muss erst einmal die richtige BH-Größe ermittelt werden. 75B oder 90E, DD und andere manchmal kryptisch klingende Bezeichnungen, das verwirrt die eine oder andere. Aber es ist einfacher als gedacht. Mit einem Maßband werden in aufrecht stehender Haltung Unterbrust- und Brustweite gemessen. Am besten ist es, nicht nur diese beiden Maße zu nehmen, denn das allein führt meist nicht zur richtigen Größe. Für die Unterbrustmaße misst man am besten zuerst den engen Umfang: ausatmen, das Maßband so eng wie möglich anlegen. Dann den lockeren Umfang messen: ausatmen, das Maßband fest, aber noch angenehm anlegen. Der Brustumfang wird dann auf drei verschiedene Arten gemessen: stehend, vornübergebeugt und flach liegend. Aus allen ermittelten Maßen wird dann ein Durchschnittsmaß errechnet, das die richtige BH-Größe bestimmt. Wer dabei Hilfestellung benötigt, findet diese in diversen Internet-Foren und natürlich bei einer erfahrenen Verkäuferin im Wäschefachhandel.

 

Dort bekommt man auch die besten Tipps, was den richtigen Sitz des BHs angeht. Hier in Kürze eine kleine Grund-Anleitung: Der BH sitzt dann perfekt, wenn das Unterbrustband parallel zum Boden verläuft, angenehm fest, aber nicht zu fest sitzt, sodass es nur ein kleines Stück vom Körper weggezogen werden kann. Der Steg (also der Teil zwischen den Körbchen) liegt am Körper an, die Bügel (bei bügellosen BHs die Nähte an der Innenseite der Körbchen) liegen zwischen den Brüsten gut auf dem Brustkorb auf. Die Brüste passen genau in die Körbchen, der BH sitzt faltenlos, die gesamte Brust wird gut umschlossen. Die Träger schneiden nicht ein und rutschen nicht.

 

Fazit: Ja oder Nein zum BH – diese Grundsatzfrage kann dieser Artikel wahrscheinlich nicht beantworten. Eines jedoch ist wohl klar: Frauen sollten sich nicht von immer wieder neuen erschreckenden Nachrichten irre machen lassen, sondern bei Fragen und Unklarheiten erst einmal in Ruhe mit dem Frauenarzt oder der Frauenärztin ihres Vertrauens sprechen und ggf. mit ihm/ ihr gemeinsam differenzierte Informationen einholen. Ansonsten gilt: Dem eigenen Instinkt folgen! Fühlt sich der BH gut an, steht dem Tragen nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse nichts im Wege!

 

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Helga Boschitz
Autor: Helga Boschitz

Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.

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