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Antibabypille im Vergleich

Kommentar schreiben Aktualisiert am 23. Mai 2022

 

Am 1. Juni 1961 revolutionierte das Präparat „Anovlar“ als erstes orales Kontrazeptivum den deutschen Arzneimittelmarkt. Als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden war es anfangs nur verheirateten Frauen mit mehreren Kindern vorbehalten; die Empfängnisverhütung wurde lediglich als Nebenwirkung im Beipackzettel aufgeführt. Verglichen mit aktuellen Präparaten handelte es sich um eine wahre Hormonbombe: eine einzige Tablette enthielt eine so hohe Östrogendosis, wie sie heutzutage in einer kompletten Monatspackung enthalten ist.

 

Inzwischen sind über 50 verschiedene Antibabypillen auf dem Markt, die sich in zwei Gruppen unterteilen lassen: kombinierte Pillen, deren Wirkprinzip auf einer Mischung von Östrogenen und Gestagenen beruht und reine Gestagen-Pillen, die nur einen hormonell wirksamen Bestandteil enthalten. Außerdem werden hormonelle Kontrazeptiva üblicherweise „Generationen“ zugeordnet, die den Zeitpunkt ihrer Entwicklung und Vermarktung widerspiegeln.

 

Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sind Pille und Kondom immer noch die wichtigsten Verhütungsmittel unter sexuell aktiven Erwachsenen in Deutschland. Im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2011 nahm der Kondomgebrauch jedoch zu, während orale Kontrazeptiva an Zuspruch verloren. Vor allem bei Frauen zwischen 18 und 29 Jahren zeigte sich „eine eher kritische Einstellung zu hormonellen Verhütungsmethoden“. Denn trotz der mittlerweile optimierten Dosierung und stetigen Weiterentwicklung ist die Pille nicht nebenwirkungsarm. Und auch wenn sie eine ungewollte Schwangerschaft verhindern kann, bietet sie keinen Schutz vor übertragbaren Krankheiten.

 

Weibliche Gebärmutter aus Blumen

 

Der weibliche Zyklus

Der Menstruationszyklus und damit auch die Zykluslänge unterliegen dem Einfluss zahlreicher Faktoren - von Veränderungen der Lebensgewohnheiten, seelischem und körperlichem Stress, Unter- oder Übergewicht bis hin zu krankhaften Zyklusstörungen. Im Durchschnitt erstreckt sich der weibliche Zyklus über 28 Tage, individuelle Schwankungen zwischen 21 und 35 Tagen sind normal. Gesteuert durch das Zusammenspiel verschiedener Hormone, besteht jeder Zyklus aus zwei Hälften. Während der erste Abschnitt in seiner Dauer sehr variabel sein kann, erstreckt sich die zweite Zyklushälfte recht konstant über knapp 14 Tage.

 

1. Eireifungsphase (Follikelphase)

Der Menstruationszyklus beginnt mit dem ersten Tag der Regelblutung, mit der das unbefruchtete Ei zusammen mit der Gebärmutterschleimhaut abgestoßen und über die Scheide ausgeschieden wird. Gleichzeitig reifen unter dem Einfluss des Hormons FSH in den Eierstöcken sogenannte Follikel (Eibläschen) heran, die die Eizellen enthalten. In den Follikeln bildet sich das Hormon Östrogen, das die Gebärmutter darauf vorbereitet, eine befruchtete Eizelle zu empfangen. Die Gebärmutterschleimhaut wird wieder aufgebaut und das Sekret im Gebärmutterhals verflüssigt. Sa­men­zel­len wird so das Ein­drin­gen in die Ge­bär­mut­ter­höh­le er­leich­tert.

 

2. Sekretionsphase (Lutealphase)

Die 2. Zyklushälfte beginnt mit dem Eisprung. Ausgelöst durch das luteinisierende Hormon (LH) platzt ein Follikel und gibt eine Eizelle frei. Das reife Ei wandert vom Eierstock in den Eileiter und hinterlässt den Gelbkörper. Dieser bildet das Gelbkörperhormon (Progesteron), das für die Er­hal­tung der Früh­schwan­ger­schaft wichtig ist.

 

Nach dem Eisprung bleibt die reife Eizelle für 12 bis 24 Stunden befruchtungsfähig. Kommt es zu einer Befruchtung durch eine männliche Samenzelle, wandert die Eizelle innerhalb der nächsten Tage durch den Eileiter zur Gebärmutter und nistet sich dort ein.

 

Hat im Eileiter keine Befruchtung der Eizelle stattgefunden, fällt der Pro­ges­te­ron­wert ab, wodurch die Re­gel­blu­tung aus­ge­löst wird.

 

Verschiedene Antibabypillen-Packungen

 

Wirkung der Pille

Orale Kontrazeptiva greifen in das fein abgestimmte Zusammenspiel der körpereigenen Hormone ein. Die Hormone FSH und LH werden nur dann gebildet, wenn die Spiegel von Progesteron und Östrogen schwanken. Durch die tägliche Zufuhr über orale Kontrazeptiva werden deren Level allerdings konstant gehalten. In Folge reifen Eizellen nicht vollständig heran, es findet kein Eisprung statt und die Gebärmutterschleimhaut wird nicht ausreichend aufgebaut.

 

Minipille

Sogenannte Minipillen sind reine Gestagen-Pillen. Sie enthalten als Wirkstoff ein synthetisches Gelbkörperhormon, das ähnlich wirkt wie das körpereigene Progesteron. In Deutschland wird hierzu auf die Wirkstoffe Levonorgestrel oder Desogestrel zurückgegriffen. Beide sorgen dafür, dass sich der Schleim im Gebärmutterhals so verfestigt, dass keine Spermien in die Gebärmutter eindringen können. Außerdem baut sich die Gebärmutterschleimhaut nur unzureichend auf, so dass sich eine befruchtete Eizelle nur schwer einnisten kann. Die etwas höher dosierte Minipille mit dem Hormon Desogestrel hemmt zusätzlich noch den Eisprung.

 

Die Minipille wird ohne Pause eingenommen. Ist eine Blisterpackung aufgebraucht, wird die Einnahme ohne Unterbrechung am nächsten Tag mit einem neuen Streifen fortgesetzt.

 

Levonorgestrelhaltige Minipillen sollten möglichst immer zur selben Tageszeit mit einer Toleranz von maximal drei Stunden eingenommen werden. Präparate mit dem Wirkstoff Desogestrel können innerhalb eines Zeitfensters von bis zu 12 Stunden Zeit eingenommen werden, ohne dass der Verhütungsschutz beeinträchtigt ist. Unter Einnahme der Minipille treten keine regelmäßigen Blutungen auf. Häufig sind sie sehr schwach oder bleiben ganz aus; ein Drittel der Anwenderinnen klagt über häufige und verlängerte Blutungen. Unter Einnahme des Wirkstoff Desogestrel sind solche Zyklusstörungen ausgeprägter als bei der Minipille mit Levonorgestrel.

 

Reine Gestagen-Pillen eignen sich besonders für Frauen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Kombinationspillen nehmen dürfen oder Östrogene nicht vertragen.

 

Kombinationspillen

Spricht man heutzutage von "der Pille", ist in den meisten Fällen von der Mikropille die Rede. Hierbei handelt es sich um ein niedrig dosiertes Kombinationspräparat mit einem Östrogen und einem Gestagen. Fast alle Präparate beinhalten das Östrogen Ethinylestradiol, während die Art des Gestagens variiert. Die Bezeichnung „Mikropille“ bezieht sich primär auf die geringeren Östrogenmengen im Vergleich zu früheren Pillenpräparaten. Das Östrogen verhindert die Reifung der Eizelle und den Eisprung. Durch das enthaltene Gestagen bildet sich ein Schleimpfropf, der den Gebärmutterhals verschließt, so dass keine Spermien eindringen können. Außerdem reduziert das synthetische Gelbkörperhormon den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut. Sollte es Spermien dennoch gelingen, den Schleimpfropf zu durchdringen und eine Eizelle zu befruchten, besteht für diese keine Möglichkeit sich einzunisten.

 

  • Einphasenpräparate

 

Bei Einphasenpillen enthält jedes der 21 oder 22 Dragees eines Blisters die gleiche Menge an Östrogen und Gestagen. Nach einer sieben- beziehungsweise sechstägigen Einnahmepause, in der eine Hormonentzugsblutung einsetzt, wird dann mit einem neuen Streifen begonnen.

 

Einphasenpräparate mit 28 Dragees pro Blister werden ohne Unterbrechung eingenommen. Die letzten sieben Pillen sind wirkstofffrei und daher meist andersfarbig. Sie dienen lediglich dazu Einnahmefehler zu vermeiden, daher muss die Einnahmereihenfolge genau einhalten werden. Die Entzugsblutungen treten während der Einnahme der wirkstofffreien Tabletten ein. 

 

Nach Rücksprache mir dem behandelnden Arzt ist bei manchen Mikropillen auch die Einnahme im sogenannten „Langzyklus“ möglich. Hierbei wird das Kontrazeptivum über längere Zeit ohne Pause und Abbruchblutung eingenommen. Besonders für Frauen mit einer starken Menstruationsblutung oder mit ausgeprägten Regelschmerzen kann dies Vorteile bieten. Im Gegenzug  kann es besonders am Anfang des Langzyklus zu unregelmäßigen Minimal- und Zwischenblutungen kommen. Außerdem gilt es zu berücksichtigen, dass trotz der niedrigen Dosierung der Mikropille, die Gesamtdosis der Hormone im Langzyklus höher ist als bei der herkömmlichen Pilleneinnahme.

 

  • Mehrphasenpräparate

 

Bei Zwei- oder Dreiphasenpräparaten unterscheidet sich der Hormongehalt der Dragees auf dem Blisterstreifen. Dadurch sollen die Hormonschwankungen eines normalen Zyklus nachgeahmt und mögliche Nebenwirkungen reduziert werden. Die Dragees haben unterschiedliche Farben und  müssen ebenfalls genau in der vorgeschriebenen Reihenfolge eingenommen werden, um die Sicherheit der Verhütung zu gewährleisten. 

 

Verschiedene Antibabypillen

 

Einteilung nach Generationen und Thromboserisiko

Seit ihrem Markteintritt werden orale Kontrazeptiva stetig weiterentwickelt. Mittlerweile gibt es vier verschiedene Pillen-Generationen auf dem Arzneimittelmarkt, die sich in Dosierung, Art und Zusammensetzung der synthetisch hergestellten Hormone unterscheiden. Die Einteilung nach Generationen war ursprünglich ein Marketinginstrument der Pharmaindustrie, um neue Präparate als fortschrittliche Alternativen auf dem Markt zu etablieren. Moderne Antibabypillen der dritten und vierten Generation versprechen hierbei positive Effekte für Haut und Haare, allerdings bergen sie ein bis zu doppelt so hohes Risiko für Thrombosen und Lungenembolien im Vergleich zu älteren Kontrazeptiva.

 

  • Im Normalfall erleiden in einem Jahr 2 von 10.000 Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht mit der Pille verhüten, eine Venenthrombose.

 

  • Von 10.000 Anwenderinnen, die eine Pille der ersten oder zweiten Generation nehmen, tritt diese Nebenwirkung bei 5-7 Frauen ein.

 

  • Und bei Nutzerinnen, die auf eine Pille der dritten oder vierten Generation zurückgreifen, trifft es 9-12 Frauen.

 

Faktoren wie Rauchen, starkes Übergewicht, eine familiäre Veranlagung für Gefäßerkrankungen und erhöhter Blutdruck wirken sich ebenfalls negativ auf das Thromboserisiko aus. Frauen mit einem oder mehreren dieser Risikofaktoren sollten daher auf Gestagene der 3. und 4. Generation verzichten. Bei einer längeren Immobilisierung und bestimmten operativen Eingriffen sollte die Einnahme der Kombinationspille unterbrochen und vorübergehend auf eine andere Verhütungsmethode zurückgegriffen werden.

 

Eine Flugreise mit einer Dauer von mehr als 4 Stunden kann besonders bei vorbelasteten Patientinnen ebenfalls einen Risikofaktor darstellen. Sie sollten während des Fluges auf vorbeugende Maßnahmen wie gelegentliches Aufstehen, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Alkoholverzicht und das Tragen von Kompressionsstrümpfen zurückgreifen. Ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt bringt Klarheit, ob medikamentöse Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe ergriffen werden sollten.

 

Antibabypillen im Vergleich - Tabelle

Antibabypille im Vergleich - Tabelle

+ vorhanden    

++ ausgeprägt vorhanden    

- nicht bekannt

 

1: Der Pearl-Index ist eine Kennzahl für die Sicherheit und Zuverlässigkeit einer Verhütungsmethode. Er gibt an, wie viele Frauen trotz korrekter Anwendung eines bestimmten Verhütungsmittels schwanger werden. Je niedriger der Pearl-Index, desto sicherer ist die jeweilige Methode.

 

2: Viele der möglichen Nebenwirkungen oraler Kontrazeptiva sind selten bis sehr selten. Sie treten zu Beginn der Einnahme gehäufter auf und gehen mit längerer Anwendungsdauer zurück. In der Gebrauchsinformation des jeweiligen Präparates sind alle Nebenwirkungen und ihre Häufigkeit ausführlich aufgelistet.

 

3: Androgene Effekte der enthaltenen Gestagene können zu Akne, einer übermäßigen Fettproduktion durch die Talgdrüsen und die Ausbildung eines „Damenbarts“ führen. Dies betrifft überwiegend dahingehend veranlagte Frauen bzw. Jugendliche.

 

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Quellen anzeigen

Linda Künzig
Autor: Linda Künzig

Linda Künzig, Apothekerin mit Weiterbildungen im Bereich Homöopathie und Naturheilverfahren. Neben ihrer Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke unterstützt sie seit Mai 2019 die Apomio-Redaktion als freie Autorin.

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