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Das Durchgangssyndrom: Wenn ältere Menschen nach einer Operation nicht mehr sie selbst sind

1 Kommentar Aktualisiert am 27. Juli 2017

Desorientiertheit, Verwirrtheit und mangelndes Wiedererkennen nach einem chirurgischen Eingriff? Besonders bei älteren Menschen ist das postoperative Delir zu beobachten und zählt zu einer Komplikation operativer Eingriffe bei älteren Menschen. Mediziner sprechen von Durchgangssyndrom. Wie lässt sich ein Durchgangssyndrom vorbeugen? Welche Arten gibt es und warum kann ein Durchgangssyndrom fehlinterpretiert werden? Mehr dazu im folgenden Beitrag.

Was ist ein Durchgangssyndrom?

Der Begriff Durchgangssyndrom beschreibt das unspezifische, nach einem chirurgischen Eingriff ausgelöste, in Erscheinung tretende, Vorhandensein von Desorientiertheit und Verwirrtheit sowie mangelndes Wiedererkennen. Etwa ein Fünftel der Menschen über 70 Jahre sind betroffen. Die Operation selbst scheint gut verlaufen zu sein, doch der Patient wirkt auffällig verwirrt, desorientiert und kann möglicherweise auch die Familienangehörige nicht wiedererkennen. In diesem Fall sprechen Mediziner von einem Durchgangssyndrom. Zum Einen ist dieses dafür verantwortlich, dass sich der Krankenhausaufenthalt verlängert und zum Anderen auch ein Grund sein, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Heimunterbringung gegeben ist.

Symptome des Durchgangssyndroms

Das Durchgangssyndrom kann auf zwei Arten in Erscheinung treten:

  1. die Patienten liegen ruhig und regungslos im Bett, wirken apathisch und desorientiert

oder

  1. die Patienten sind sehr unruhig, hyperaktiv, wollen das Bett verlassen und reißen sich unter Umständen die Wundverbände oder Blasenkatheter vom Körper

Zu den häufigen Anzeichen eines Durchgangssyndroms zählen auch:

  • Halluzinationen
  • Herzrasen
  • Schweißausbrüche
  • Innere Unruhe
  • Bluthochdruck
  • Bewusstseinsstörungen
  • Stimmungsschwankungen

Ein Durchgangssyndrom wird häufig leider auch fehlinterpretiert, nämlich durch Symptome wie Verwirrtheit und mangelndes Wiedererkennen, die auch an eine Demenz erinnern können. Aus diesem Grund spielt es eine entscheidende Rolle, dass Familienangehörige im Gespräch mit Ärzten und Pflegepersonal über die Verhaltensauffälligkeiten des Patienten sprechen, um zu klären, ob das Verhalten schon vor dem operativen Eingriff vorhanden gewesen ist, ober als neu auftretendes Verhalten betrachtet wird. Im Idealfall, je nach Eingriff der Operation, wird auch ein Screening auf kognitive Defizite beim Patienten durchgeführt.

Ursachen des Durchgangssyndroms

Die Ursachen für ein Durchgangssyndrom sind vielfältig. Folgende Faktoren spielen bzw. können eine entscheidende Rolle spielen:

  • Alter des Patienten
  • eine bestehende Demenz (häufigster Risikofaktor für die Entwicklung eines Durchgangssyndroms)
  • Infektionen vor der Operation, zum Beispiel Harnwegsinfekt
  • Stress
  • Reizüberflutung
  • Wahrnehmungsprobleme
  • lange Nüchternheit, v.a. der lange Verzicht auf Flüssigkeit
  • die Dauer des Eingriffs bzw. die Dauer der Narkose

Der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und psychotherapie zufolge, zählen besonders Stress und Reizüberflutung durch viele unbekannte Menschen und Geräusche zu den möglichen Ursachen. Wahrnehmungsprobleme können das postoperative Delir ebenfalls begünstigen, wenn der Patient nach einer Operation beispielsweise nicht sofort sein Hörgerät oder seine Brille angezogen bekommt. Auch die Dauer des Durchgangssyndroms variiert: Es kann Stunden bis Tage oder sogar noch länger dauern. Für gewöhnlich sind Durchgangssyndrome aber reversibel und bilden sich nach einer gewissen Zeit zurück

Wie kann man das Durchgangssyndrom behandeln?

In schweren Fällen des Durchgangssyndroms ist die Gabe von Psychopharmaka erforderlich. Die anfängliche postoperative Verwirrtheit ist allerdings manchmal auch schnell wieder in den Griff zu bekommen, wenn Angehörige als Orientierungshelfer agieren: persönliche Gegenstände, wie vertraute Fotos, einen Kalender oder eine Uhr können im Patientenzimmer aufgestellt werden, um den Patienten zu einer besseren Erinnerung und Orientierung zu verhelfen. Zuwendung und beruhigende Worte von Vertrauten verhelfen, dass sich das Durchgangssyndrom zurückbildet und sich der postoperative Stress reduziert. Darüber hinaus wird eine besondere Wichtigkeit dem erholsamen und ungestörten Schlaf zugeschrieben. Von unnötigen Reizen sollte der Betroffene abgeschirmt werden. Auch kann ein ständig wechselndes Personal nicht förderlich sein für die Behandlung des Durchgangssyndroms.

Vorbeugende Maßnahmen

Noch besser ist es, das Durchgangssyndrom, wenn möglich, erst gar nicht entstehen zu lassen. Die Ursache für ein Durchgangssyndrom kann verhindert werden, insbesondere mit entsprechender Pflege. Ältere Menschen sollten bei einem Krankenhausaufenthalt einen festen Ansprechpartner haben. In einer Studie ist nachweislich gezeigt worden, dass Patienten in einem Alter von über 70 Jahren weniger ein Durchgangssyndrom entwickelten, wenn diese vor und nach einem operativen Eingriff von einem geschulten Delirpfleger begleitet wurden. Im Vergleich dazu war die Zahl derjenigen Patienten ohne Präventivmaßnahme, sprich ohne Delirpfleger, größer, ein Durchgangssyndrom zu erleiden. Zusammenfassend noch einmal einige vorbeugende Maßnahmen im Überblick:

  • fester Ansprechpartner für den Patienten
  • kein wechselndes Personal
  • Orientierungshilfen durch persönliche Gegenstände im Patientenzimmer
  • Vermeiden von langen Nüchternzeiten
  • schneller Wiedereinsatz von Hörgeräten und Brille nach der Operation
  • Zuwendung durch Angehörige
  • Screening auf kognitive Defizite bei Patientenaufnahme vor einem operativen Eingriff
J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

1 Kommentare

Barbara Kafka – Freitag, 14. September 2018
Sehr gut erklärt! In meinem Fall ist ein 82jähriges männliches Familienmitglied nach Herzkatheteruntersuchung und Einsetzen von Stents erkrankt am Durchgangssyndrom. Hier äußert sich die Erkrankung an starker Unruhe und Delirium. Ich komme selbst aus der Medizin, habe aber noch nichts von einem Delirpfleger gehört. Es leuchtet ein, daß ein so speziell geschulter Pfleger sehr gut einen älteren Menschen nach einem schweren Eingriff betreuen kann. Danke für die Aufklärung! Barbara

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