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Priapismus: Dauererektion als medizinischer Notfall

Kommentar schreiben Aktualisiert am 21. Februar 2020

Eine Dauererektion über zwei Stunden oder länger? Für manchen Mann mag das eine traumhafte Vorstellung sein. Nicht wenige schlucken Medikamente wie Viagra, um einen solchen langanhaltenden Beweis ihrer männlichen Standfestigkeit erreichen zu können. Doch wenn noch Stunden nach dem Sex der Penis steif bleibt, hat das meist weder mit besonders kraftvoller Männlichkeit noch mit Spaß am Sex zu tun. Vielmehr handelt es sich in solchen Fällen um einen zwar seltenen, aber doch sehr ernstzunehmenden medizinischen Notfall, den sogenannten Priapismus. Eine solche Dauererektion ist unangenehm, vielfach sehr schmerzhaft – und muss schnellstmöglich behandelt werden, damit es nicht zu schweren Nachfolgeschäden kommt.

 

Inhaltsverzeichniss: 

 

Bei einem Priapismus (medizinischer Fachbegriff für Dauererektion) handelt es sich tatsächlich um eine krankhafte Erscheinung. Man spricht davon, wenn die Versteifung des Penis mindestens zwei Stunden lang anhält, obwohl der betroffene Mann weder sexuell stimuliert wird noch sexuell erregt ist. 

 

Der Begriff „Priapismus“ stammt aus der griechischen Mythologie und ist angelehnt an Priapos, den altgriechischen Gott der Fruchtbarkeit und der Lust. Der Sage zufolge war Priapos der Sohn der Liebesgöttin Paolo Gianfrancesco - 123rf.comAphrodite und des Dionysos, Gott des Weines und der sinnlichen Ekstase. Das Kind dieses sinnenfreudigen Paares war wohl mit einem besonders beindruckenden Geschlechtsteil gesegnet: In zahlreichen Statuen und Abbildungen wird Priapos mit einem extrem großen, oft auch rot angeschwollenen Penis gezeigt. An eine Krankheit dachte man im Götterglauben des antiken Griechenland dabei allerdings wohl nicht.

 

1. Was passiert beim Priapismus? 

 

Bei der Dauererektion ist zwar der Penis steif, die Eichel bleibt aber dabei in der Regel weich und schlaff. Neben den häufig auftretenden starken Schmerzen kann der Penis auch nach oben verkrümmt sein; nach Stunden kommt es häufig auch zu einer Blauverfärbung des gesamten männlichen Gliedes.

 

Die Dauererektion kann in zwei Formen auftreten: als Low-flow- oder als High-flow-Priapismus. „Flow“ bezieht sich hier auf den Blutfluss im Schwellkörper des Penis, der bei der Erektion eine entscheidende Rolle spielt. Normalerweise versteift sich der Penis, wenn sich seine innenliegenden Muskeln entspannen und die Blutzufuhr aus den Arterien gleichzeitig gesteigert wird. Dadurch schwellen die Schwellkörper des Penis an, der Rückfluss des Blutes aus dem Penis wird verhindert und die Erektion bleibt bis zur Ejakulation bestehen. Nach dem Orgasmus verengen sich die Arterien wieder, das Blut kann abfließen, die Erektion lässt somit nach.  

 

Beim Priapismus ist das anders. Bei der in den meisten Fällen vorliegenden Low-Flow-Variante ist der Rückstrom des Blutes aus den Schwellkörpern vermindert, sodass die Erektion bestehen bleibt. Das Gefährliche daran ist, dass dies das Schwellkörpergewebe dauerhaft schädigen und somit zu anhaltenden Erektionsstörungen führen kann.

 

Bei der High-Flow-Variante, die lediglich in etwa 10 Prozent der Fälle auftritt und auch schmerzlos sein kann, findet dagegen eine vermehrte Blutzufuhr statt, verursacht beispielsweise durch Verletzungen im Beckenbereich, im Penis selbst oder am Damm. Die Erektion bleibt in diesem Fall deshalb bestehen, weil ständig neues Blut in den Penis einströmt. Der High-flow-Priapismus ist die harmlosere Variante, da hierbei weit weniger häufig die Schwellkörper dauerhaft geschädigt werden. Auch bildet sich die Erektion häufiger spontan zurück als bei der Low-flow-Variante.

 

Neben diesen beiden Hauptformen kann es in sehr seltenen Fällen auch Mischformen geben, bei denen nicht eindeutig ermittelt werden kann, ob es sich nun um eine High-flow- oder eine Low-flow-Variante handelt. Manchmal geht auch der High-flow- in einen Low-flow-Priapismus über. Zudem ist auch der sogenannte intermittierende, also immer wieder auftretende „Stuttering“-Priapismus bekannt.

 

2. Mögliche Ursachen: Drogen, Medikamente – oder ein Spinnenbiss 

 

Die Ursachen bzw. Auslöser für einen Priapismus können höchst unterschiedlich sein. In nicht wenigen Fällen tritt er sogar ohne erkennbare Ursache auf; man spricht dann von einem idiopathischen Priapismus. Davon abgesehen kommen – bei den sogenannten sekundären Formen des Priapismus – folgende Ursachen in Frage:

 

  • erhöhter Alkoholkonsum und Drogenmissbrauch
  • Einnahme bestimmter Medikamente
  • neurologische oder Krebserkrankungen oder
  • Verletzungen

 

Eine Dauererektion kann also durchaus nach einer feuchtfröhlichen, durchzechten Nacht, in der auch Drogen wie Kokain oder Marihuana konsumiert werden, auftreten.

 

Wenn eine Erkrankung dahintersteckt, handelt es sich oft um neurologische Krankheiten mit Schädigungen des Nervensystems wie z.B. bei multipler Sklerose, oder Querschnittslähmung. Auch bestimmte Krebserkrankungen wie Prostata-, Darm-, Blasenkrebs oder Leukämie sowie andere Bluterkrankungen kommen als Ursache in Frage. Außerdem kann ein Priapismus als Nebenwirkung einer medizinischen Therapie auftreten, etwa während bestimmter Behandlungen von Erektionsstörungen und Impotenz. Nicht selten kommt es auch durch eine Verletzung des Penis, des Beckens oder auch des Rückenmarks (z.B. als Folge einer Operation) zur Dauererektion. In diesen Fällen können Blutgefäße geschädigt sein, die sich dann während der Erektion ausweiten und immer durchlässiger werden. Dadurch kann es im Gewebe zu einem unkontrollierten Blutfluss in den Penis hinein kommen.

 

Fazit: Lieber Vorsorgen als Nachsorgen, denn Priapismus kann durch verschiedene Einflüsse ausgelöst werden!

 

3. Priapismus bei ADHS-Patienten 

 

Häufig wird als Ursache die Nebenwirkung eines Medikamentes ausgemacht. Insbesondere bei Überdosierung kommen hier bestimmte Psychopharmaka (v.a. Antidepressiva), Blutdruckmittel, kortisonhaltige Präparate oder Immunsuppressiva in Frage, oder sogenannte PDE-5-Hemmer wie Viagra, die gegen Erektionsstörungen eingenommen werden.

 

Vor einigen Jahren wurde auch der Wirkstoff Methylphenidat, der häufig zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eingesetzt wird, als mögliche (wenn auch seltene) Ursache des Priapismus entdeckt. Wie das „Ärzteblatt“ damals berichtete1, waren der US-Arzneimittelbehörde FDA innerhalb von 15 Jahren mehrere Fälle von Priapismus bei Jugendlichen im Zusammenhang mit der Einnahme von Methyl­phenidat gemeldet worden.

 

Daneben gibt es wohl auch noch wirklich abenteuerliche Auslöser einer Dauererektion. Die Sexualtherapeutin und Ärztin Melanie Büttner, die im Klinikum rechts der Isar in München arbeitet, benennt in einem Podcast des Wochenmagazins „ZEIT“2 zwei tierische Gefahren: die Schwarze Witwe und den Skorpion. Wer also beispielsweise im Urlaub in Südeuropa oder anderen Ländern, wo diese Tiere beheimatet sind, von einer großen schwarzen Spinne gebissen oder von einem Skorpion gestochen wird und danach eine Dauererektion erlebt, kann das Gift dieser Tiere als mögliche Ursache in Betracht ziehen.

 

4. Schnell handeln kann Schlimmes verhindern! 

 

Wie die Spezialistin Melanie Büttner und weitere Experten in unterschiedlichen Quellen betonen, muss bei einer Dauererektion möglichst sofort gehandelt werden, um dauerhafte Folgeschäden zu vermeiden. Beim Priapismus sind Urologen die zuständigen Fachärzte. Eine urologische Facharztpraxis, eine urologische Notfallambulanz oder einfach die Notaufnahme der nächstgelegenen Klinik sind die richtigen Adressen. Wer nicht schnell, also innerhalb weniger Stunden handele, könne im schlimmsten Fall seine Erektionsfähigkeit nachhaltig verlieren, bringt es die Ärztin im „ZEIT“-Podcast auf den Punkt. Wie bereits erwähnt: Der Priapismus ist ein medizinischer Notfall!

 

In der Klinik oder der Facharztpraxis werden die Ärzte zunächst durch Gespräche mit dem Betroffenen und Untersuchungen die Ursache und Variante des Priapismus ermitteln. Meist wird Blut direkt aus dem Penis entnommen und ein Blutbild angefertigt, zusätzlich die Schwellkörper mittels Ultraschall untersucht.

 

Die Behandlung richtet sich dann natürlich immer nach der ermittelten Ursache. Zur symptomatischen Therapie des Priapismus werden bei der Low-flow-Variante blutflusssteuernde Medikamente mit abschwellender Wirkung gegeben. Bessern diese die Symptome nicht, ist auch eine Punktion der Schwellkörper möglich, um das Blut daraus abzuziehen, bis hin zu einer Operation. Hierbei werden oft spezielle Verbindungen, sogenannte Shunts, zwischen den Schwellkörpern gelegt, um den Abfluss des Blutes zu ermöglichen. Beim High-flow-Priapismus zählt man meist auf die häufig auftretende spontane Rückbildung der Erektion, sodass erst einmal mit kühlenden und komprimierenden Methoden sowie mit entzündungshemmenden Medikamenten gearbeitet wird.

 

Fazit: Der Priapismus ist ein medizinischer Notfall!

 

 

 

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Helga Boschitz
Autor: Helga Boschitz

Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.

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