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Objektophilie - die Liebe zum Objekt

Kommentar schreiben Aktualisiert am 19. Mai 2020

Dass sich Menschen sexuell von Fahrzeugen, Bauwerken oder Musikinstrumenten angezogen fühlen können, erscheint ungewöhnlich. Tatsächlich existiert für diese Form der Sexualität aber eine eigene Bezeichnung – Objektsexualität oder Objektophilie. Zwar mag sie häufig im Verborgenen ausgelebt werden, einige Betroffene bekennen sich aber öffentlich zu ihrer Neigung. Bekannte Beispiele sind etwa Erika Eiffel oder Eija-Riitta Eklöf-Berliner-Mauer.

 

Dieser Artikel befasst sich eingehend mit Objektsexualität. Wie kommt es dazu und wie wird sie im Alltag ausgelebt? Mit welchen Schwierigkeiten sehen sich Betroffene konfrontiert? Darüber hinaus wird der Fokus auf die (fehlende) wissenschaftliche Fundierung gelegt. Auch der Frage, ob Objektsexualität denn nun als Störung zu betrachten sei, wird nachgegangen.

 

Inhaltsverzeichnis

 

Was ist Objektsexualität?

 

Objektsexualität meint die (emotionale wie sexuelle) Anziehung von Menschen zu unbelebten Dingen. Es handelt sich um keine wissenschaftliche Bezeichnung im engeren Sinne, sondern der Begriff wurde von Betroffenen selbst geprägt. So geht er auf die als objektsexuell bekannte Schwedin Eija-Riitta Eklöf-Berliner-Mauer zurück.1

 

Die Bezeichnung Objektophilie ist ebenfalls geläufig. Diese ist allerdings von der Sucht, Dinge zu sammeln, abzugrenzen. Betroffenen ist es wichtig herauszustreichen, dass Objektsexualität als eigenständige Orientierung zu betrachten sei. Demnach grenzen sie sie auch deutlich von Fetischismus ab. Betont werden muss an dieser Stelle, dass Objektsexualität weder medizinisch noch psychologisch etabliert ist.2

 

Objektsexualität ist wissenschaftlich nicht erforscht

 

Objektophilie ist wissenschaftlich nicht etabliert. So ist diese Spielart der Sexualität bisher nicht erforscht. Es existieren demnach weder fundierte Begriffsbezeichnung noch Definition. Lediglich Volkmar Sigusch, ein deutscher Psychiater und Sexualwissenschaftler, widmete sich dieser Form der Sexualität in seinem Werk „Neosexualitäten. Über den kulturellen Wandel von Liebe und Perversion“. Er beschreibt sie als sexuelle Vorliebe. Demnach wird Objektsexualität mitunter auch den „Neosexualitäten“ zugerechnet.3

 

Es fehlt also an Forschung und wissenschaftlicher Fundierung. Außerdem muss angenommen werden, dass ein Bekennen zur Objektsexualität nicht unbedingt leichtfällt. Angst vor Ausgrenzung oder Isolation dürften allgegenwärtig sein. Betroffene sind aber mittlerweile über das Medium Internet vermehrt miteinander vernetzt. Vorteil daran ist, dass eine Auseinandersetzung mit dieser speziellen sexuellen Vorliebe hier anonym stattfinden kann.

 

Weltweite Zahlen zur Objektophilie sind nicht vorhanden – schon alleine wegen des fehlenden wissenschaftlichen Interesses. Allerdings bekennen/bekannten sich einige Menschen öffentlich zu ihrer Vorliebe. In dem Zusammenhang sind vor allem Eija-Riitta Eklöf-Berliner-Mauer sowie Erika Eiffel vielen ein Begriff. Die Schwedin Eija-Riitta Eklöf ehelichte ihrer Vorstellung nach in den 1970er-Jahren die Berliner Mauer und ließ ihren Namen entsprechen ändern. Die US-amerikanische Bogenschützin Erika LaBrie ehelichte 2007 in einer privaten Zeremonie den Eiffelturm und änderte danach ihren Nachnamen in Eiffel.

 

Ist Objektophilie eine Störung?

 

Nachdem der Objektsexualität keine wissenschaftliche Betrachtungsweise zugrunde liegt, ist sie auch nicht als Störung definiert. Manchmal wird sie im Bereich des Fetischismus verortet, wogegen sich Betroffene deutlich aussprechen. So ist auf www.objektophilia.de, einer Plattform für objektophile Menschen, explizit herausgestrichen, dass Definition und Umschreibung des Fetischismusbegriff nicht auf diese Form der Sexualität zutreffen. Es handle sich nämlich um keine sexuelle Fixierung auf unbelebte Objekte. Außerdem sei Emotion beinhaltet. Vielmehr solle Objektsexualität in der gängigen Vielfalt sexueller Spielarten verortet werden, fernab von fixen Kategorien.4 

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Objektophilie eine spezielle Form der Sexualität sein kann, die niemandem schadet und akzeptiert werden darf. Dabei weicht sie natürlich von gängigen Normen ab. Eine Störung steht hier aber nicht zur Debatte, schon alleine, weil jede wissenschaftliche Fundierung fehlt. Was mit Objektophilie aber natürlich verbunden sein kann, ist ein immenser psychischer Leidensdruck Betroffener. Vor allem dann, wenn solche Neigungen im Verborgenen gelebt oder unterdrückt werden.

 

Die Auswirkung auf die psychische und physische Gesundheit Betroffener entspricht dann jener aller anderer Menschen auch, die ihre Sexualität unterdrücken.

 

So können sich unterschiedliche Symptome einstellen, wie etwa:

  • Depressive Verstimmungen
  • Depression
  • Nervosität, innere Unruhe, Unausgeglichenheit
  • Aggression
  • Psychosomatische Beschwerden (Kopfschmerzen, Magen-Darm-Probleme ...)

 

Wie kommt es zur Objektsexualität?

 

Nachdem wissenschaftliche Auseinandersetzung sowie konkrete Forschung im Hinblick auf Objektsexualität fehlen, kann keinerlei Aussage darüber getroffen werden, ob es sich dabei nun um angeborene oder erworbene Aspekte von Sexualität handelt. Auch bezüglich zugrundeliegender Ursachen kann lediglich gemutmaßt werden.

 

So muss man von ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen Betroffener ausgehen. Mancherorts wird angenommen, dass Objektophilie eventuell mit der Angst vor Nähe, sexuellem Missbrauch, vergangenen Verletzungen oder Entwicklungsstörungen wie beispielsweise Autismus in Verbindung zu bringen sei. Das allerdings muss nicht zwingend zutreffen. Es darf hier also von einer gewissen Bandbreite ausgegangen werden. Verallgemeinernde Aussagen sind nicht möglich – und vielleicht auch gar nicht nötig.5

 

Wie sieht Objektliebe in der Praxis aus?

 

Bei objektsexuell lebenden Menschen kann das Objekt der Begierde ganz unterschiedlich ausfallen. So verlieben sich betroffene Menschen etwa in Fahrzeuge, Maschinen, Bauwerke oder Musikinstrumente. Damit verbunden ist das gesamte Gefühlsspektrum – sexuelle Anziehung, Verliebtheit, tiefe Liebe, Eifersucht, Liebeskummer, Auseinanderleben oder Trennung. Auch Untreue oder polygame Beziehungen können vorkommen. Darüber hinaus gibt es Besonderheiten in der Kommunikation. Diese geschieht häufig innerlich (auf Gefühlsebene) oder visuell. Aber auch direkte Kommunikation ist – zumindest einseitig – möglich. In der Regel sind objektophile Personen nicht an einer sexuellen Beziehung zu anderen Menschen interessiert. Aber selbstverständlich darf auch das offen bleiben.6

 

Objektophile Menschen empfinden oftmals schon in ihrer Kindheit und Jugend anders. Während der Pubertät werden entsprechende sexuelle Gefühle nicht selten verdrängt. Es braucht hier einiges an Auseinandersetzung. Grundsätzlich beschreiben Betroffene objektsexuelle Beziehungen recht nahe an dem, was wir auch gemeinhin als Beziehung verstehen.7

 

So basiert die Paarbeziehung auch hier auf Kommunikation (häufig auf ganz spezieller Ebene), Nähe und gemeinsamen Erlebnissen. Ist das Objekt der Begierde als solches verfügbar und entsprechend handlich, ist auch sexueller Kontakt recht einfach möglich. Objektophil lebende Menschen empfinden den Gegenstand des Interesses nicht als Ersatz für einen anderen Menschen, sondern als gleichwertig. Gemeinhin sind allerdings Ästhetik und Erotik unterschiedlich zu dem, was Menschen aneinander anzieht. Es geht hier stark um Formen wie Parallelen, Winkel, Ecken oder Flächen sowie Funktion.8

 

Womit haben objektophile Menschen im Alltag zu kämpfen?

 

Schwierigkeiten, auf die objektsexuelle Menschen häufig stoßen, sind fehlende Akzeptanz und Unverständnis im Umfeld. Das macht ein „Outing“ nicht immer einfach möglich. Die Liebe zu unbelebten Objekten weicht stark von der gängigen Norm ab und gilt zwangsläufig als Tabu. Es muss davon ausgegangen werden, dass Menschen solche Neigungen vermehrt unterdrücken, verdrängen und/oder verheimlichen. Eine entsprechende Dunkelziffer Betroffener ist also sehr wahrscheinlich.

 

Dazu kommt – in manchen Fällen – das Problem der Unerreichbarkeit des Objektes der Begierde. Empfindet man Liebe für Gegenstände wie Bauwerke, große Maschinen oder Transportmittel, scheint diese Liebe nicht selten aussichtslos. Betroffene müssen ihr Liebesobjekt aus der Ferne bewundern, führen Beziehungen auf Distanz und/oder müssen sich mit Miniaturen begnügen.

 

Auch die andersartige Form der Kommunikation kommt erschwerend hinzu. Selbstverständlich kann ein unbelebtes Objekt nicht im üblichen Sinne kommunizieren. Objektsexuelle Menschen beschreiben hier aber eine sehr individuelle Form der Kommunikation auf emotionaler, geistiger oder visueller Ebene.

 

Darüber hinaus ist im Rahmen einer objektsexuellen Beziehung natürlich kein rechtliches Offiziellmachen der Verbindung (Heirat, eingetragene Partnerschaft) möglich. Entsprechende individuelle Feierlichkeiten sowie das Abändern des Nachnamens sind hier aber Alternativen, die auch genutzt werden – wie die Beispiele von Erika Eiffel oder Eija-Riitta Eklöf-Berliner-Mauer eindrücklich beweisen.

 

Auch der direkte Austausch mit anderen objektsexuellen Menschen ist nur beschränkt möglich, weil sich Betroffene häufig nicht öffentlich bekennen. Hier schafft das Medium Internet aber mittlerweile Abhilfe. Durch Vernetzung und anonymen Austausch gibt es diesbezüglich heutzutage weit mehr Möglichkeiten als in vergangenen Zeiten.  

 

Zum Umgang mit Objektophilie

 

Grundsätzlich geht es beim Thema Objektsexualität – wie bei vielen anderen sexuellen Neigungen auch – darum, aus Schubladen herauszudenken und zu akzeptieren, was ist. Zwar mag Objektophilie von der gängigen Norm abweichen, allerdings kommt dabei definitiv niemand zu Schaden. Im Gegenzug führt das Verdrängen und Verstecken solcher sexuellen Bedürfnisse meist zu starkem Leidensdruck. Im schlimmsten Fall zeigen sich sogar psychische wie physische Problematiken.

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Daniela Jarosz
Autor: Daniela Jarosz

Daniela Jarosz ist Sonder- und Heilpädagogin. Während des Studiums hat sie sich intensiv mit Inhalten aus Medizin und Psychologie auseinandergesetzt. Sie arbeitet seit vielen Jahren im psychosozialen Feld und fühlt sich außerdem in der freiberuflichen Tätigkeit als Autorin zuhause. Im redaktionellen Bereich hat sie sich auf die Fachrichtungen Medizin, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Work-Life-Balance sowie Kinder und Familie spezialisiert.

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