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Neu und umstritten: Faszientraining

Kommentar schreiben Aktualisiert am 12. Juni 2015

Yoga, Pilates und Zumba scheinen der Vergangenheit anzugehören. Denn der momentane Fitnesstrend lautet Faszientraining und soll, so wird behauptet, zu einem Wohlfühlkörper führen, Cellulite glätten und den Körper sogar um zehn Jahre jünger aussehen lassen. Was hat das Training des Bindegewebes auf sich? Worauf kommt es wirklich an?

Was sind Faszien?

Die Faszien, abgeleitet aus dem Lateinischen „fascia“ – das Band“, umhüllen als weiße Schicht Muskeln, Muskelgruppen und einzelne Organe; wie ein Netz verkleiden sie den ganzen Körper. Bestandteil der Faszien sind zum einen straffe gekreuzt verlaufende kollagene Fasern und zum anderen Elastin, ein elastisches Faserprotein. Faszien gelten als sogenannte passive Strukturen, deren Funktion darin besteht, dem Muskel Festigkeit und Form zu geben. Zudem werden Faszien im erweiterten Sinne auch als ein Sinnesorgan betrachtet: In ihnen befindet sich die größte Anzahl an Rezeptoren und Nervenzellen, die das menschliche Gehirn mit Sinnesempfindungen überschütten. Im menschlichen Körper kommen Faszien hauchdünn aber auch mehrere Millimeter dick vor. Sie enthalten kaum Blutgefäße. Faszien – das „geheime“ Organ, welches alles im Körper miteinander vernetzt und verbindet hat einen großen Einfluss auf die Bewegungsabläufe und somit auf unser allgemeines Wohlbefinden.

Denn durch bestimmte Umstände wie psychischen Stress, Operationen, Bewegungsmangel, Schonhaltungen oder falsche Bewegungen können Faszien verkürzen und verhärten, indem diese im Körper umgebaut werden und die gut dehnbaren Elastinanteile abnehmen und vollständig durch zähe, kaum dehnbare Kollagen ersetzt. Die Folge: Der Bewegungsspielraum der Muskeln wird eingeschränkt und kann Schmerzen in den Gelenken oder im Rücken verursachen und zu Taubheitsgefühlen und Verspannungen führen.

Faszientraining

Das Faszientraining setzt an dieser Stelle an und soll Beschwerden im Bewegungsapparat entgegenwirken: Der neue Fitnesstrend ist eine Kombination aus Dehnübungen und federnden Bewegungen und soll Sportlichkeit sowie Wohlbefinden stärken. Die leicht, federnden, hüpfenden Ganzkörperbewegungen aktivieren die Vernetzungen der Faszien und haben einen positiven Effekt auf die beteiligten Muskeln. Langkettige Dehnübungen sorgen dafür, dass die Faszien elastischer werden und somit mehr Bewegungsenergie speichern können. Neben den ausgeführten Trainingsübungen bildet eine feste 30 Zentimeter lange Schaumstoffrolle, die Blackroll, die Hauptrolle beim Faszientraining. Mit der festen Schaumstoffrolle können Adhäsionen (Verklebungen) und Verdickungen der Faszien verschwinden: Durch das Rollen werden schmerzhafte Stellen geschmeidiger und mit der Zeit durchlässiger; der Körper wird beweglicher und ein zunehmendes verbessertes Körpergefühl entsteht. Die Faszienmassage reicht bis tief unter die Haut hinein.

Lässt sich Cellulite wegrollen?

Die Massagerollen, ob klein oder groß, ob mit oder ohne Noppen sind Teil des Faszientrainings und sollen allem Anschein nach sogar die umgangssprachlich unerwünschte Orangenhaut wegrollen können und Frauen bei einer bestehenden Bindegewebsschwäche helfen können. Ist diese Theorie zu bestätigen? Lassen sich Beine schön glätten? Sportmediziner sind da skeptisch: Durch das Aufrollen können Kollagene im Bindegewebe leider nicht neu gebildet werden, allerdings könne sich die Faszienmassage positiv auf die Wachstumsrichtung der Kollegenzellen auswirken und damit Einfluss auf die Stabilität haben.

Abnehmen durch Faszientraining?

Auch die These, man könne durch Faszientraining rank und schlank werden, müsse mit Vorsicht betrachtet werden: Beim Faszientraining werden nämlich nur wenig Kalorien verbrannt, weswegen eine adipöse Person nur allein durch Faszientraining keine Modelmaße erreichen wird. Kraft-und Ausdauertraining sowie eine Ernährungsumstellung sind die Lösung für ein gesundes Wohlfühlgewicht. Durch Faszientraining treten Menschen allerdings in ihren Bewegungen harmonischer, geschmeidiger und eleganter auf, was insgesamt eine positive Ausstrahlung des Körpers zustande kommen lässt.

Do it yourself oder lieber professionelle Anleitung?

Für die erste Anwendung ist eine professionelle Anleitung zu empfehlen, zum Beispiel bei einem Physiotherapeuten oder Fitnesstrainer. Obwohl man mit dem Eigentrainingsgerät, der "Blackroll" genau genommen wenig falsch machen kann, sollten schwerwiegende Verspannungen und schmerzhafte Körperstellen von einem Arzt abgeklärt werden, um mögliche Erkrankungen auszuschließen und um sich dann gänzlich auf das Faszientraining zu konzentrieren. Sowohl im Internet, welches Videos zum Faszientraining und Übungen darbietet, als auch in zahlreichen Büchern, ist alles rund um das Thema Faszientraining in Erfahrung zu bringen.

Tipps zum Faszientraining

Trotz Zeitmangel und Schnelllebigkeit in der heutigen Gesellschaft lassen sich zehn Minuten Faszientraining gewöhnlich in jeden Terminkalender einplanen. Ob am frühen Morgen nach dem Aufstehen oder abends vor dem Zu-Bett-Gehen: Zweimal pro Woche sollte dem Faszientraining Beachtung geschenkt werden. Die Auswahl der Trainingseinheiten ist nun entscheidend: Wählen Sie Übungen, die alle vier Prinzipien des Faszientrainings berücksichtigen. Dazu gehören

  • Fascial Release, das Lösen von Verklebungen und Verhärtungen durch Eigenmassage mittels fester Schaumstoffrolle
  • Fascial Stretching, das Dehnen der Faszienzüge durch dynamisch schnell federnde aber auch langsame Bewegungen
  • Rebound Elasticity, die aktive Faszienkontraktion durch Gegenbewegungen
  • Sensory Refinement, das Wahrnehmen der Zugspannung im körpereigenen Gewebe

Schenken Sie jeder Übung nur wenige Minuten und Wiederholungen, die sich auch in der Mittagspause beispielsweise im Büro gut eignen. Auch beim Sport lässt sich das Faszientraining angenehm integrieren: Wärmen Sie sich vor einer Laufrunde mit Faszientraining auf! Lassen Sie sich während des Faszientrainings nicht ablenken und aus der Ruhe bringen und nehmen Sie wahr, ob sich der Bewegungsablauf geschmeidig anfühlt.

Der aktuelle Hype des Faszientrainings mit Rollbewegungen ist in der Fitness-Szene derzeit nicht wegzudenken. Trotz allem sollte man dem Muskeltraining weiterhin Beachtung schätzen, so auch die Meinung von Dr. Robert Schleip, welcher in der Faszien-Forschung in der Universität Ulm eine führende Rolle einnimmt: Faszientraining solle nur eine kleine, aber sehr wichtige Ergänzung beim Sport darstellen und zusätzlich neben Kraft-und Ausdauertraining regelmäßig durchgeführt werden. Die Kombination aus einer ausgewogenen Ernährung, einem gesunden Maß an Sportprogramm und das Trainieren der Faszien schaffen den Wohlfühlkörper, den man sich in der Fantasie zu wünschen vermag.

J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

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