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Prokrastination: Wenn ständiges Aufschieben zum Problem wird

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Prokrastination - lieber aufschieben als direkt erledigen. Unangenehme Tätigkeiten vertragen und Entscheidungen herauszögern. Viele Menschen kennen dieses Problem, die sogenannte Aufschieberitis, die wohl in jedem von uns ein wenig steckt. Aber manchmal hat Prokrastination nichts mehr mit Bequemlichkeit oder Faulheit, wie einige es bezeichnen, zu tun, sondern kann chronisch werden und zu einem ernsthafteren Problem werden. Sie kann sogar Teil einer diagnostizierbaren psychischen Störung sein. Welche Tipps können helfen? Mehr im folgenden Beitrag.

Was bedeutet Prokrastination?

Der Begriff Prokrastination stammt aus dem lateinischen Wort procrastinare, zusammengesetzt aus den Worten „pro“ für „für“ und „cras“ für „morgen“, und bedeutet so viel wie „vertagen“. Bei der Prokrastination handelt es sich um das Vorhandensein einer gestörten Arbeitsweise, die besonders bei Personen in Erscheinung tritt, welche hauptsächlich selbstgesteuert arbeiten müssen, wie beispielsweise Studenten, Journalisten, Anwälte, Lehrer. Betroffene berichten auch darüber, schon zu Schulzeiten Schwierigkeiten gehabt zu haben, Prioritäten zu setzen und häufig Dinge auf die lange Bank geschoben zu haben – dies wird oft auch im späteren Berufs- und Privatleben fortgeführt. Gekennzeichnet ist die Prokrastination dadurch, dass – obwohl Gelegenheiten und Fähigkeiten vorhanden waren – Aufgaben lange Zeit nicht erledigt werden oder erst so spät, dass diese schon fast zu spät sind. Viel mehr werden Alternativtätigkeiten ausgeführt, die im Vergleich zu der auszuführenden Aufgabe angenehmer sind. Besonders häufig tritt das Verhalten ein, wenn die Bedingungen zur Zielerreichung, beispielsweise das Bestehen einer großen Prüfung, wenig konkret sind, das heißt, dass nicht genaue Angaben gemacht worden sind, was zu den klausurrelevanten Themen gehört und wenn der Berg zum Bestehen zu groß und unüberwindbar erscheint. Die Konsequenz ist – egal ob es sich um eine akademische (=studentische) Prokrastination oder um eine Alltagsprokrastination handelt, stets die gleiche: subjektives Leiden entsteht, da die Betroffene ihre Aufgaben gar nicht oder nur unter sehr großen Mühen erledigen können. Schlechte Leisungen, Unzufriedenheit, körperliche und psychische Beschwerden, wie zum Beispiel Schlafstörungen und Magen-und Darmprobleme, innere Unruhe, Anspannung, Angst und Hilflosigkeiten können entstehen.

Prokrastination als Teil einer psychischen Störung

Ständiges Aufschieben wird häufig als Willensschwäche oder Faulheit vom Umfeld angesehen. Prokrastination hat aber nichts mit Faulheit zu tun und kann dementsprechend auch nicht einfach verändert werden. Bei manchen Personen nimmt das Aufschieben ein solches Ausmaß an, dass zum Beispiel Ausbildungen oder Studiengänge abgebrochen werden oder es zum Scheitern im Beruf führt. In Analogie zu dem in der Psychiatrie verwendeten Klassifikationssystem, namens DMS, welches eine zentrale Rolle bei der Definition und Diagnostik von psychischen Erkrankungen spielt, sind Merkmale definiert worden, die man mittels DKP, dem Fragebogen zu Diagnosekriterien Prokrastination, erfassen kann. Prokrastination kann ein ernsthaftes Problem der Selbststeuerung sein, die professionelle psychologische Hilfe bedarf. Die Folgen der Prokrastination können in vielen Fällen sehr ähnlich sein, allerdings kann man zwischen prokrastinationsfördernden Faktoren unterscheiden. Diese sind:

  • Probleme in der Prioritätensetzung
  • mangelnde/ unrealistische Planung
  • Defizite im Zeitmanagement
  • mangelnde Konzentrationsfähigkeit
  • Abneigung gegen die Aufgabe
  • Angst vor Versagen oder Kritik
  • Fehleinschätzung der Aufgabe
  • Fehleinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit

Prokrastination kann auch als Teil einer psychischen Erkrankung auftreten, wie zum Beispiel einer Depression oder Angststörung. In diesem Fall ist die Behandlung der Primärerkrankung notwendig, um die Arbeitsstörung beheben zu können. Demgegenüber kann chronisches Aufschieben das psychische Wohlbefinden so negativ beeinflussen, dass es verantwortlich für andere psychische Belastungen und Symptome sein kann.

Studenten leiden vermehrt unter Prokrastination

Nur 1,5 Prozent aller Studenten berichten, dass sie nicht aufschieben und Erledigungen sofort tätigen – der Rest scheint einen beträchtlichen Leidensdruck zu erfahren, wenn Dinge, die schon lange hätten erledigt werden müssen, wie die Hausarbeit schreiben, eine Präsentation vorbereiten, für eine Prüfung lernen, auf den letzten Drücker fertigzustellen ohne Leistungseinbußen erfahren zu müssen. Häufig wird umgangssprachlich auch von dem „Studentensydrom“ gesprochen. Das Gegenteil von Prokrastination ist übrigens die Präkrastination.

Tipps gegen Aufschieberitis

Die Liste der unangenehmen Tätigkeiten kann lang und individuell sein. Mit diesen Tipps fällt es Ihnen vielleicht in Zukunft einfacher der Aufschieberitis zu wiederstehen:

  • Ordnung schaffen: ein aufgeräumter Arbeitsplatz verschafft Übersicht und vermeidet Ablenkung, so kann man direkt durchstarten
  • Störfaktoren aus dem Raum entfernen: Telefon und Internet sind nicht erforderlich und können abgeschaltet werden, damit Sie bei der Arbeit nicht gestört oder abgelenkt werden können bzw. sich selbst damit ablenken
  • To-do-Liste erstellen: Mit einer Prioritätensetzung, die realistisch erscheint, fällt es leichter, Aufgaben zu bewältigen. Setzen Sie sich kleine Ziele, die am Tag erreicht werden können
  • wichtige Termine sichtbar machen: Unterlagen für die Steuererklärung, Termine für Prüfungen oder Unterlagen für Überweisungen sollten nicht irgendwo in der Schublade versteckt werden, sondern sichtbar gemacht werden, damit Ihnen stets vor Augen geführt wird, was noch zu erledigen ist
  • in kleinen Schritten zum Ziel: Egal wie groß und unerreichbar die Aufgabe zu sein scheint, in kleinen, überschaubaren Schritten kommen Sie ans Ziel und erfahren Erfolgserlebnisse
  • Belohnen Sie sich für die erreichten Zwischenziele: Die Hälfte der Hausarbeit ist erledigt? Mit einer Belohnung verstärken Sie ihr Verhalten und somit auch das Vermeidungsverhalten

Fazit: Ab wann die Schwelle überschritten ist und das Aufschieben ein Problem darstellt, kann nicht grundsätzlich festgelegt werden. Der Verlauf ist hierbei individuell. Wer hin und wieder das dreckige Geschirr im Spülbecken lässt, bis der Berg sich stapelt oder die Steuererklärung erst einige Tage vor Abgabetermin erledigt, muss nicht unbedingt schon ein pathogenes Verhalten zeigen. So lange alles im Rahmen bleibt und das Aufschieben nicht zu Leiden und Beeinträchtigung im Leben der betroffenen Person führt, darf die sogenannte Aufschieberitis uns hin und wieder überkommen.

J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

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