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Magersucht: Ab wann wird das Abnehmen zur Krankheit?

Kommentar schreiben Aktualisiert am 11. August 2015

Essstörungen können in jedem Alter auftreten. Typisch für die Magersucht, eine psychogene Essstörung, auch Anorexia nervosa genannt, ist der beabsichtigte, selbst herbeigeführte Gewichtsverlust. Schlank, schlanker, Magersucht? Alles rund um das Thema Anorexia nervosa.

Definition Anorexia nervosa

Unter einer Magersucht, lateinisch Anorexia nervosa, was übersetzt „nervlich bedingte Appetitlosigkeit“ bedeutet, versteht man eine psychische Störung bzw. Essstörung, bei der es zu einem bewussten Gewichtsverlust kommt, welcher durch verminderte Nahrungsaufnahme, übertriebene körperliche Aktivitäten, Abführmittel oder induziertes Erbrechen herbeigeführt wird. Magersüchtige schaffen es, auf einen fundamentalen Lebenstrieb zu verzichten, nämlich die Nahrungsaufnahme.

Die Betroffenen sind auffallend dünn und empfinden sich trotz Untergewicht als übergewichtig; eine Körperschemastörung sowie eine Gewichtsphobie, die Angst vor einer Gewichtszunahme, liegen vor. Auch die gegenteiligen Äußerungen des Umfelds, man sei nicht zu dick, können einen Erkrankten nicht davon abbringen, nicht zu hungern.

Auch bekannt ist die Pubertätsmagersucht, lateinisch Anorexia mentalis, eine der schwersten kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen, die zum Eintritt der Geschlechtsreife und Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes (bei Mädchen: Brustentwicklung, Ausprägung des Beckens in eine weibliche Form) ebenfalls durch selbst herbeigeführten Gewichtsverlust definiert wird. Bei heranwachsenden Frauen bleibt die Monatsblutung aus und die Ausbildung der weiblichen Körperformen wird verhindert. Die Abneigung zu essen stehe hierbei, so einige Vermutungen, mit der Angst vor dem Erwachsenwerden in einem Zusammenhang. Heranwachsende haben das Gefühl, sie seien auf ein Leben als eigenverantwortliche, erwachsene, partnerschaftsfähige Person noch gar nicht vorbereitet und versuchen sich mit ihrem dünnen Körper vor hohen Erwartungen zu schützen, so die Meinung von Walter Vetsch, der an allen Magersüchtigen, mit denen er gesprochen hatte, eine Form der Angst vor dem Erwachsenwerden festgestellt hatte.

Die Magersucht ist von der Bulimie abzugrenzen, die als Ess-Brechsucht mit anfallsartigen Ess-Brechanfällen definiert ist. Bulimie-Kranke halten in der Regel ihr Körpergewicht konstant und sind normalgewichtig, können aber auch unter- oder übergewichtig sein.

Wer ist von Magersucht betroffen?

Von Magersucht sind vor allem junge Frauen in westlichen Industrieländern betroffen, Beobachtungen von Experten zufolge ist allerdings auch die Essstörung bei Jungen und Männern auf dem Vormarsch. Nur 5 bis 10 Prozent der Personen, die unter einer Magersucht leiden, sind männlich. In Deutschland, so vermutet man, sind schätzungsweise 100.000 Frauen zwischen 15 und 35 Jahren magersüchtig; die Häufigkeit der Essstörungen habe in den letzten Jahrzehnten zugenommen.

Ist der Schlankheitswahn für die Entstehung von Magersucht verantwortlich?

Es gibt keine einzelne, eindeutige Ursache für die Entstehung von Magersucht. Essstörungen, wie die Magersucht, werden durch verschiedene Faktoren ausgelöst. Der Einfluss des westlichen Schönheitsideals, wie das Streben nach „Size Zero“ auf die Körperwahrnehmung kann zwar als ein unterschätzter Risikofaktor für die Entwicklung dieser Essstörung betrachtet werden, doch könne dies nicht als alleiniger Auslöser einer Magersucht sein. Vielmehr sei dadurch das Risiko daran zu erkranken erhöht.

Weitere Faktoren zur Entstehung der Essstörung sind:

  • Psychische Faktoren

Da die Erkrankung häufig im Teenager-Alter eintritt, wird eine Störung der psychosexuellen Entwicklung vermutet, bei welcher Betroffene eine ambivalente Einstellung zu ihrem Körper haben und die eigene Geschlechterrolle als auch Sexualität ablehnen.

  • Biologische Faktoren

Bei magersüchtigen Betroffenen wird eine Störung derjenigen Hirnregion vermutet, die für die Steuerung des Essverhaltens und der Sexualität verantwortlich ist. Studien an Zwillingen haben beweisen können, dass eine genetische Veranlagung zur Anorexia nervosa vorhanden ist.

  • Familiäre Faktoren

Die Familie ist behütend, einengend, ängstlich, harmonie-orientiert.

  • Persönlichkeit

Personen, die eine Magersucht entwickeln, weisen eine gute bis sehr gute Intelligenz auf, sind behaarlich und zäh, rigide und introvertiert und perfektionistisch.

Die Magersucht und ihre Symptome

Im Folgenden werden die einzelnen Symptome, die bei einer Magersucht auftreten, näher beschrieben:

  • Verweigerung der Nahrungsaufnahme: im Mittelpunkt steht die Nahrungsverweigerung mit dem Ziel des Gewichtsverlusts
  • Abnormes Essverhalten: geringe Nahrungsaufnahme; gelegentlich: gieriges Verschlingen von Speisen mit anschließenden langen Fastenperioden
  • Körperschemastörung: Störung des Körperbildes bis hin zur Nichtbeachtung der schweren Abmagerung (Kachexie) mit Lebensgefahr
  • Beschäftigung mit dem Körpergewicht
  • Angst vor Gewichtszunahme
  • Leugnung des Hungergefühls: Das Hungergefühl wird durch Trinken großer Mengen Flüssigkeit unterdrückt
  • Einnahme von Appetitzüglern
  • Übertriebene körperliche Aktivitäten
  • Striktes Einhalten eines bestimmten Tagesablaufes
  • Soziale Isolation: Essen gilt als ein soziales und gemeinschaftsorientiertes Ritual, weshalb sich Magersüchtige zunehmend von der Gesellschaft abgrenzen
  • Krankheitsverleugnung: Magersüchtige nehmen ihre Krankheit nicht als solche wahr und behaupten sich in bester Gesundheit zu befinden
  • Körperveränderungen (siehe gesundheitliche Folgen)
  • Depressive Verstimmung: die Betroffenen haben ein geringes Selbstwertgefühl, gedrückte Stimmung, Schuldgefühle
  • Schlafstörungen
  • Konzentrationsstörungen

Körperliche Folgen

Die körperlichen Folgen bei einer Magersucht werden vor allem durch das extreme Untergewicht (BMI unter 17,5) und der vorliegenden Mangelernährung verursacht. Folgende gesundheitliche Folgen sind möglich:

  • Wachstumsstörungen bei Kindern und Jugendlichen
  • Kälteempfindlichkeit
  • Kalte Hände und Füße
  • Kreislaufbeschwerden bei niedrigem Blutdruck und Puls
  • Verstopfung
  • brüchige Nägel
  • Haarausfall
  • Trockene Haut
  • Lagunobehaarung (dünner Flaum) an Rücken, Armen und Gesicht
  • Niedriger Herzschlag
  • Herzrhythmusstörungen
  • Veränderung der Laborwerte (Anämie: Verringerte Anzahl der roten Blutkörperchen)
  • Hormonelle Veränderungen: Ausbleiben der Regelblutung bis hin zur Unfruchtbarkeit, bei Männern: Potenzstörungen
  • Nierenfehlfunktionen
  • Nierenversagen (der Niere werden lebenswichtige Nährstoffe und Proteine entzogen)
  • Osteoporose (Knochenschwund aufgrund von Vitaminmangel)

Diagnostik und Therapie 

Jeder Verdacht auf eine Anorexia nervosa muss psychiatrisch untersucht werden. Hierbei müssen andere Essstörungen ausgeschlossen werden und zudem eine körperliche Untersuchung aufgrund der vielen gesundheitlichen Begleitfolgen durchgeführt werden. Die Behandlung einer Magersucht umfasst drei Ziele: Zum Einen die Normalisierung des Essverhaltens, zum Anderen das Erreichen der Gewichtszunahme zu einem vereinbarten Endgewichts und an dritter Stelle die Bearbeitung der Grundproblematik mit einer systematischen Psychotherapie eventuell unter Einbeziehung der Familie. Je nach Ausprägung einer Magersucht kann diese ambulant oder stationär behandelt werden: bei einer schweren Form von Magersucht ist ein stationärer Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik notwendig und lebenswichtig, um einen chronischen Verlauf und die hohe Sterblichkeitsrate, die bei 15 bis 20 Prozent liegt, zu verhindern.

Die Einstellung zur Krankheit ist der erste Schritt zur Heilung

Magersucht ist keine Modekrankheit. Und die Auswege aus der Magersucht sind nur mühselig. Eine ernstzunehmende Erkrankung, die sich nicht einfach abschütteln lässt. Der erste Schritt zur Heilung? Die Krankheitseinsicht.

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J. Ehresmann
Autor: J. Ehresmann

Die ausgebildete Operations-Technische Assistentin hat nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine Weiterbildung zur Chirurgisch-Technischen Assistentin in der Allgemein- und Visceralchirurgie in Köln absolviert. Inzwischen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung in der OP-Assistenz in diesem Fachgebiet zurück. Neben ihrer Tätigkeit im OP studiert Frau Ehresmann Humanmedizin in einem Modellstudiengang in Aachen.

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