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Der Finger am Trigger: Endlich schmerzfrei dank Triggerpunkt-Therapie?

Kommentar schreiben Aktualisiert am 19. März 2018

Au! Schon wieder tut jede Bewegung weh. Der Nacken ist verspannt, der Rücken schmerzt, man fühlt sich wie in einem Schraubstock gefangen. Sind es die Gelenke, die Knochen, ein eingeklemmter Nerv? Oder steckt vielleicht etwas ganz anderes dahinter – etwa eine Muskelverhärtung? Wenn ja, dann hat man es wohl mit einem sogenannten „Triggerpunkt“ zu tun. Einer bestimmten Stelle in der Muskulatur also, die manchmal ganz weit weg vom schmerzenden Bereich liegt und von dort aus die schlimmsten Beschwerden auslösen kann. Bei solchen Schmerz auslösenden (englisch „trigger“ = „Auslöser“) Punkten handelt es sich um verkürzte und verhärtete Muskelfasern, deren Stoffwechsel und Durchblutung gestört sind. Sie entstehen durch Fehlhaltungen und Überbelastung, etwa durch zu viel und zu langes Sitzen vor dem Computer, zu wenig Bewegung oder auch sportliche Überstrapazierung und Verletzungen des Muskels. Zu Muskelverkrampfungen kommt es aber auch durch psychische Belastungen, etwa beruflichen oder privaten Stress, Trauer und Liebeskummer. Durch die daraus folgende Daueranspannung wird der Muskel schlechter mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt – die Grundlage für chronische, also langanhaltende Schmerzen ist gelegt. Manchmal sind Triggerpunkte ganz leicht zu ertasten, wenn sie sich als knotige Verhärtungen dicht unter der Haut befinden und auf Druck mit Schmerz reagieren. Schwieriger wird es mit der Diagnose, wenn sie versteckt agieren, sodass sie nicht einmal der Orthopäde oder Physiotherapeut aufspüren kann. In diesen Fällen sind die tückischen Punkte besonders klein und verursachen dort, wo sie sitzen, gar keine Beschwerden. Viele Triggerpunkte haben nämlich die eigenartige Fähigkeit, schlimme Schmerzen – sogenannte Übertragungsschmerzen – in ganz anderen, oft weit entfernten Körperbereichen auszulösen. Das geschieht, indem überaktive Nerven in den Muskeln Schmerzsignale an andere Körperregionen senden. Die Folge sind oft chronische Beschwerden, die sich oft gegen vielerlei Behandlungen resistent zeigen.

Für die meisten Schmerzen werden heute die Muskeln verantwortlich gemacht

Wenn es um Symptome geht, die durch Triggerpunkte und daraus folgende Veränderungen im umgebenden Bindegewebe verursacht werden, sprechen Fachleute vom sogenannten „myofaszialen Syndrom“. „Myofaszial“ heißt „die Muskeln und Faszien betreffend“, wobei mit „Faszien“ (vom lateinischen „fascia“ = „Band“) das Bindegewebe gemeint ist, das den ganzen Körper als „Spannungsnetzwerk“ umschließt und verbindet. Waren Mediziner früher meist der Ansicht, dass Bewegungseinschränkungen und Schmerzen eher von den Gelenken, Knochen oder „eingeklemmten Nerven“ herrührten, glauben viele Experten inzwischen sogar, dass bis zu 90 Prozent aller Schmerzsyndrome auf die Muskeln zurückzuführen sind. Für viele besteht kein Zweifel daran, dass Triggerpunkte z.B. in einer verspannten Nackenmuskulatur den chronischen Spannungskopfschmerz auslösen können. So liegt z.B. ein besonders häufig ausgemachter Triggerpunkt im sogenannten Trapezmuskel zwischen Schulter und Wirbelsäule. Dort verursacht er oft quälende Kopfschmerzen, die vom Nacken über den Hinterkopf zur Schläfe verlaufen. Ein weiterer verbreiteter „Schmerz-Trigger“ sitzt im Schulterblattheber-Muskel und löst Nackenschmerzen aus, die nicht selten mit Tinnitus (Ohrgeräuschen) und Schwindel einhergehen. Sitzen die tückischen Punkte in der Muskulatur am Po oder im Lendenmuskel, können Beschwerden im unteren Rückenbereich wie „Kreuzschmerzen“ oder die verbreiteten Ischias-Schmerzen die Folge sein. Auch Sehnen, weiß man heute, können für schmerzhafte Bewegungseinschränkungen verantwortlich sein, was häufig bei Sportlern die gesamte Koordinationsfähigkeit einschränkt und bei vielen alten Menschen die Fähigkeit, zu stehen und zu gehen, erheblich vermindert. Damit nicht genug: Triggerpunkte können den gesamten Körper mehr oder weniger „lahmlegen“. (Gelenk-)Probleme an Knien, Ellenbogen, Unterarmen oder Händen sowie Füßen, Fersensporn und sogar unerklärliche Bauchschmerzen – immer wieder werden Triggerpunkte als „Übeltäter“ ausfindig gemacht.

Was ist die Triggerpunkt-Therapie – und in welchen Fällen kann sie helfen?

Entsprechend der neuesten Erkenntnisse setzt sich nun die Triggerpunkt-Therapie zum Ziel, beim Patienten völlige Schmerzfreiheit zu erreichen – ein Zustand, von dem manch chronisch Schmerzgeplagter kaum mehr träumen mag. Die dauerhaft angespannten, verkürzten Muskelfasern sollen systematisch gelöst und nachhaltig entspannt werden, vor allem dadurch, dass ihre Durchblutung und ihr Stoffwechsel aktiviert werden und die vormals überschießende Nervenaktivität in den Muskeln normalisiert wird. So werden die Voraussetzungen geschaffen, dass der der Schmerz letztlich ganz verschwinden kann. Danach werden effektive Maßnahmen angewendet bzw. verordnet, die darauf abzielen, eine neuerliche Verkrampfung der Muskeln zu verhindern. Die Behandlungsmethode kommt, wie so vieles, aus den USA. Dort haben zwei Forscher bereits in den 1960er-Jahren als erste die Muskulatur als Ursache von Schmerzen und Bewegungseinschränkungen in den Fokus gerückt und aufgezeigt, was die von ihnen erstmals beschriebenen „myofaszialen Triggerpunkte“ als dominanter Krankheitsfaktor im gesamten menschlichen Körper anrichten können. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte wurde das Behandlungskonzept – immer jedoch basierend auf der Arbeit der beiden US-Forscher – ständig überarbeitet und erweitert; bis heute ist man sicherlich noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen, was das Konzept der Trigger-Behandlung angeht. Angezeigt – und durchaus eine mögliche „letzte Hilfe“ – ist eine Triggerpunkt-Therapie in der Regel bei chronischen Schmerzen, die trotz vielfacher anderer Behandlungsmethoden weiter bestehen. Dazu gehören vor allem: (Spannungs-) Kopfschmerzen unterschiedlicher Art; Schmerzen im Kiefergelenk, in den Zähnen und in verschiedenen Bereichen des Gesichts; Engegefühl und Schmerzen in der Brust; Schulter-, Nacken-, Arm-, Ellenbogen- und Handgelenksbeschwerden; Hexenschuss und Schmerzen im Rücken, in der Leiste, den Hüften, den Beinen, Knien und Füßen; eine schmerzende Achillessehne, ein Kältegefühl in Händen oder Füßen bis hin zu Schwindel.

Hände oder Apparate: Die Behandlung kann ganz unterschiedlich aussehen

Der Trigger-Therapeut – das kann ein Orthopäde, aber auch ein speziell geschulter Physiotherapeut, Krankengymnast, Ergotherapeut oder Masseur sein – wird zunächst einen genauen Befund erheben. Dafür wird er den Patienten erst einmal sehr detailliert befragen und die Angaben durch Abtasten und Dehntests überprüfen. Ist es ihm gelungen, die entsprechenden Triggerpunkte aufzufinden, geht es an die Behandlung. Manchmal besteht diese einfach darin, dass der Therapeut mit dem Daumen einen sehr kräftigen Druck auf den Triggerpunkt ausübt. Sobald der Schmerz nachlässt, wiederholt er diesen Vorgang mehrere Male. Das Druckgewicht kann dabei bis zu 15 Kilogramm betragen. In anderen Fällen wird ganz einfach massiert oder auch die sogenannte „ischämische Kompression“ ausgeübt, bei der der Muskel zunächst zur Entspannung gebracht und dann fast bis zur Unerträglichkeit gedehnt wird. In jüngster Zeit wird Triggerpunkten auch oft mit sogenanntem „Dry needling“, also mit „trockenen Nadelungen“ zu Leibe gerückt. Dabei handelt es sich um eine Form der Akupunktur, bei denen feinste Nädelchen direkt in die entsprechenden Punkte gesetzt werden. Andere Behandler wiederum injizieren bestimmte Lokalanästhetika, also örtliche Betäubungsmittel, oder auch Botox in den Triggerpunkt, um so eine Muskelentspannung herbeizuführen. Je nach Art der Beschwerden und Diagnose können auch andere manuelle Techniken, Wärme- oder Kälteanwendungen sowie Therapien mit technischem Gerät eingesetzt werden, also z.B. Vibrations-, Stoßwellen- und Elektrotherapie, Ultraschall-, Laser- und Magnetfeldtherapie. Darüber hinaus setzen die Behandler oft stark auf die Mitwirkung der Patienten selbst, indem sie ihnen etwa Dehnübungen zeigen oder Anleitungen zur Akupressur in Selbstbehandlung mit auf den Weg geben.

Vor Risiken und Nebenwirkungen schützt ein gut ausgebildeter Therapeut

Manch einem potenziellen Patienten könnten einige Maßnahmen „unheimlich“ vorkommen. Akupunkturnadeln, elektrische Geräte, Spritzen und Co. – das ist nicht jedermanns Sache. Jedoch wird ein Therapeut, der wirklich etwas von der Triggertherapie versteht, seine jeweilige Methode mit Sachverstand, Behutsamkeit und nicht zuletzt auch mit Sensibilität gegenüber möglichen Ängsten seiner Patienten einsetzen. Die Risiken sind in diesen Fällen sehr gering, vereinzelte Nebenwirkungen eher harmloser Natur. Nur selten kann es zu sehr kleinen Blutungen unter der Haut oder im Muskel kommen oder örtlich begrenzter Muskelkater auftreten. Bevor man sich zu einer Behandlung entschließt, sollte man sich genau informieren, wo geschulte und erfahrene Therapeuten zu finden sind. Hausärzte, Orthopäden und Physiotherapeuten, die gegenüber dieser Form der Behandlung offen sind, aber sie nicht selbst durchführen, können eventuell Empfehlungen aussprechen. Weiterführende und hilfreiche Informationen zur Triggerpunkt-Therapie und Adressen von Therapeuten gibt es natürlich auch im Internet. Empfehlenswert sind hier vor allem die Webseiten der Interessengemeinschaft für Myofasziale Triggerpunkt-Therapie IMTT, der Deutschen Gesellschaft für Muskuloskeletale Medizin (DGMSM) e. V. und der Internationalen Triggerpunkt-Akademie in Kaufbeuren. Der Hausarzt oder Orthopäde kann eine Triggerpunkt-Therapie verschreiben, meist sind das pro Rezept sechs Behandlungen, die etwa 20 bis 50 Minuten dauern. Auf den Kosten bleiben viele Patienten allerdings bisher alleine sitzen; noch zahlen die gesetzlichen Krankenkassen nicht, die privaten nur zum Teil. Die Preise liegen im Durchschnitt bei etwa 90 Euro pro Behandlung.

... und wie erfolgreich ist die Triggerpunkt-Therapie nun wirklich?

Nach bisherigen Erfahrungsberichten ist der therapeutische Effekt sofort spürbar, sofern die „richtigen“ Triggerpunkte ermittelt wurden. Zahlreiche Patienten berichten über fantastische Erfolge – gerade auch solche, die oft einen jahrelangen, leidvollen Weg gegangen sind, bevor sie von ihren Schmerzen befreit wurden. Streng wissenschaftlich ist die Wirksamkeit der Triggerpunkt-Therapie allerdings noch nicht belegt. Die verschiedenen Methoden wurden bereits in vielen akademischen Studien untersucht, deren Qualität jedoch nicht immer verlässlich ist. Eine definitive, fundierte Aussage über das Für und Wider der Triggerpunkt-Therapie liegt jedenfalls noch nicht vor. Will heißen: Sie wird nicht grundsätzlich in Frage gestellt, jedoch wissenschaftlich auch nicht ausdrücklich befürwortet. Ganz offenbar reichen die bisherigen Forschungsergebnisse noch nicht aus, um ein abschließendes Urteil über die Wirksamkeit dieser Therapie zu fällen. Doch auch wenn es dieses gäbe, stünden ihm mit Sicherheit gleichzeitig viele anderslautende Annahmen, Aussagen, Erkenntnisse und Erfahrungsberichte entgegen. Wie so oft, muss also wohl jeder selbst herausfinden, ob ihm diese Form der Therapie wirklich hilft. Wichtig ist es für potenzielle Patienten, gründlich nach einem qualifizierten Therapeuten zu suchen und ihm, wenn sie ihn gefunden haben, viele – auch kritische – Fragen zu stellen und während der Behandlung immer auf das eigene Körper- und „Bauch“-Gefühl zu hören. Denn wir wissen ja: den besten Therapeuten tragen wir meist in uns!

Helga Boschitz
Autor: Helga Boschitz

Helga Boschitz, Jahrgang 1966, ist freie Journalistin und Texterin, lebt in Nürnberg und gehört seit Januar 2016 zum apomio.de-Team. Nach Studium und Ausbildung arbeitete sie seit Anfang der 1990er-Jahre als Magazinredakteurin und Moderatorin in Hörfunk- und Fernsehredaktionen u.a. beim Südwestrundfunk, Hessischen Rundfunk und Westdeutschen Rundfunk. Medizin- und Verbraucherthemen sind ihr aus ihrer Arbeit für das Magazin „Schrot und Korn“ sowie aus verschiedenen Tätigkeiten als Texterin vertraut.

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