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Borderline-Persönlichkeitsstörung

Kommentar schreiben Aktualisiert am 27. April 2019

Während der seelisch gesunde Mensch spürt, wenn er traurig, verärgert oder frustriert ist, haben Menschen mit Borderline-Syndrom wenig Kontakt zu ihren Gefühlen. Sie können sie nicht wahrnehmen und verarbeiten. Die daraus resultierende starke innere Anspannung entlädt sich unkontrolliert, z.B. in plötzlichen Wutanfällen oder in Verhalten wie das Ritzen der Haut. Was sind die weiteren wesentlichen Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung, wo liegen die Ursachen und was kann man als Außenstehender tun?

Die Definition von Borderline

Der Begriff Borderline kommt nicht von dem Krankheitsbild selbst, sondern hat seinen Ursprung in der früheren Unterscheidung zwischen Psychosen („Geisteskrankheiten“) und Neurosen (Verhaltensstörungen). Da der Patient Symptome von beiden aufweist und eine klare Zuordnung nicht möglich war, hat man das Krankheitsbild als auf der Grenzlinie (borderline) zwischen den beiden Gruppen definiert. Heute zählt das Borderline-Syndrom zu den sogenannten emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen. Instabil und damit großen Schwankungen unterworfen sind die Gefühle, Stimmungen, das Selbstbild und das Verhalten in sozialen Kontakten.

Boderline: Das Krankheitsbild

Hintergrund einer Borderline-Erkrankung sind zu ca. 65% traumatische Erfahrungen in der Kindheit. Was kann ein Kind tun, um solche Erlebnisse oder ein schwer erträgliches Umfeld auszuhalten? Es stellt sich innerlich tot und fühlt nichts mehr. Vielleicht spürt es auch seinen Körper nicht mehr. Dieses Verhalten, das in der Kindheit notwendig war, um zu überleben, wird ins Jugendlichen- und Erwachsenenalter übernommen. In Menschen mit Borderline-Syndrom stauen sich die negativen Gefühle, ohne wahrgenommen, eingeordnet, reflektiert und verarbeitet zu werden. Beim kleinsten Anlass kommt es zur Entladung. Die Gefühle und inneren Impulse können nicht kontrolliert werden.

Der Betroffene leidet stark unter der dauernden Anspannung. Er sucht nach Wegen, die Spannung abzubauen. Das können Selbstverletzungen, Fressanfälle, riskante Sportarten, halsbrecherisches Rasen mit Auto oder Motorrad, Alkoholexzesse oder anderer Drogenkonsum sein. Er braucht diese Extreme auch, um sich spüren zu können. Ein weiterer Aspekt der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist die massive Angst, verlassen zu werden. Es wird alles getan, um nicht allein zu sein. Dazu gehören auch Selbstmorddrohungen und andere Arten der Manipulation.

Aufgrund der Kindheitserfahrungen werden nicht nur Gefühle und Körper, sondern die ganze Persönlichkeit nicht (real) wahrgenommen. Man hat keinen Bezug zu sich selbst. Das Selbstbild ist verzerrt. Es kommt zu Gefühlen von Scham, Schuld, Ohnmacht und dem Eindruck, ein Versager zu sein. Oft herrscht das Gefühl innerer Leere vor. Da der Borderliner keine Möglichkeit sieht, seine Befindlichkeit zu ändern und konstruktive Strategien zum Umgang mit seelischem Stress zu finden, entwickeln sich Hoffnungslosigkeit und Resignation. Über 60% der Borderline-Kranken begehen mindestens einen Selbstmordversuch. 5 % finden letztendlich den Tod durch Suizid. Daher sind eine professionelle Diagnose und therapeutische Behandlung von großer Wichtigkeit.

Ursachen der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Neben einer genetisch bedingten Veranlagung gelten traumatische Erfahrungen in der frühen Kindheit als wesentliche Auslöser. Über 60% der Borderline-Kranken erlebten sexuelle und/oder körperliche Gewalt und Missbrauch. Genauso schwer wiegen seelische Vernachlässigung, Kälte, Abweisung, ständiges Beschimpfen und Abwertung. Bei sensiblen Menschen genügen häufige Streitszenen der Eltern oder eine Depression, Alkohol- oder andere Drogensucht eines Elternteils. Das Kind erlebt entweder direkt Gewalt, ist Zeuge von Misshandlungen zwischen den Eltern oder fühlt sich lange Zeit alleine gelassen. Daher gilt auch der frühe Verlust eines Elternteils aufgrund von Trennung oder Tod als Mitauslöser. Besonders schwierig ist die widersprüchliche Erfahrung, Zuwendung und dann wieder Misshandlung von derselben Person zu erleben, also dass Eltern fürsorgliche Beschützer und Täter gleichzeitig sind.

Es gibt auch Fälle von Borderline-Erkrankten, die in einem völlig intakten Elternhaus aufgewachsen sind. Dennoch fühlten sich die Kinder in irgendeiner Weise nicht angenommen oder im sozialen Umfeld ausgegrenzt und gedemütigt. Zudem werden Veränderungen im Gehirn als Mitauslöser der Erkrankung diskutiert.

Kann Borderline jeden treffen?

Es bedarf schon des Zusammenspiels der oben genannten Entstehungsfaktoren. Man geht von 1-2 % Betroffenen in Deutschland aus. Da die Ursache nicht nur, aber größtenteils in verletzenden Erfahrungen in der Kindheit liegt, zeigt sich das Borderline-Syndrom vor allem bei Jugendlichen und im frühen Erwachsenenalter. Durch regelmäßige Therapie bestehen heute gute Möglichkeiten, die Symptome zu mildern. Das Maß an Erkrankung nimmt entsprechend im Alter ab.

Grundsätzlich wird der Borderline-Störung in der heutigen Zeit ein fruchtbarer Boden bereitet: Frühe Trennungen der Eltern, hoher Leistungsdruck beim Job oder Arbeitslosigkeit, häufiger Angriff auf Wert und Würde des Menschen, der an die Kinder weitergegeben wird, wenig Zeit und Raum für sich selbst und die stabile Fürsorge für den Nachwuchs.

Was kann man als Außenstehender tun?

Beziehungen und soziale Kontakte gestalten sich oft schwierig. Die plötzlichen Gefühlsausbrüche, die in keinem Verhältnis zum Ereignis stehen, die Stimmungsschwankungen, die Angst verlassen zu werden, die mit Kontrolle, Lügen und Manipulation begegnet wird, der Wechsel von Selbstliebe und Selbsthass, der sich in Beziehungen im schnellen Wandel von idealisierter Anbetung und herablassender Abwertung spiegelt, sind nur einige Gründe dafür.

Der Borderline-Kranke erscheint in seinem Verhalten unberechenbar. Angehörige und Partner sollten gar nicht erst versuchen, ihn verstehen zu wollen. Liebe beginnt da, wo man den anderen nicht mehr versteht. Ganz wesentlich für Außenstehende ist, Grenzen zu setzen und nicht in der Erkrankung des anderen mit aufzugehen (Co-Abhängigkeit), sich um sich selbst zu kümmern und ggf. selbst eine Therapie zu machen, um besser mit dem Erkrankten umgehen zu können.

Hier ein paar Regeln für das Zusammenleben mit Borderline-Erkrankten:

  • Verstehen, dass der andere einen nicht ärgern und verletzen will, sondern krank ist und unter einem großen Leidensdruck steht.
  • Ruhe bewahren, sich nicht provozieren lassen. Sagen, wenn etwas verletzt, aber nicht darauf anspringen.
  • Nicht seine Verhaltensweisen übernehmen.
  • Sich nicht durch Selbstmorddrohungen oder ähnlichen erpressen lassen. Stattdessen verlässliche Liebe zeigen. Das ist das, was er eigentlich will.
  • Da sein, wenn er einen braucht, aber nicht hinterherlaufen, sonst fühlt er Macht und wird sie immer wieder einsetzen.
  • Keine Kritik, die nimmt er als Mangel an Liebe auf. In Ich-Form erklären, wie es einen mit seinem Verhalten geht – ohne Vorwürfe, ohne Herabsetzungen.
  • Ihn nicht auf seine Erkrankung ansprechen oder gar dafür verurteilen („Typisch Borderliner!“). Er fühlt sich sonst gedemütigt.
  • Nicht versuchen, etwas bei ihm ändern zu wollen, z.B. das selbstverletzende Verhalten. Es wird nicht funktionieren. Nicht Therapeut spielen. (Das gehört in professionelle Hände.)
  • Ihn nicht unter Druck setzen.
  • Geduld haben! Veränderungen dauern und es kann immer wieder Rückfälle geben.

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Beate Helm
Autor: Beate Helm

Beate Helm, Heilpraktikerin, freie Redakteurin und Autorin für Gesundheitsthemen und Persönlichkeitsentwicklung. Selfpublisherin. Weiterbildungen in Ernährungswissenschaft, Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Ayurveda, psychologischer Beratung und systemischer Therapie. Langjährige Erfahrung in Yoga und Meditation. Bei apomio seit 04/2015.

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